Muttersöhnchen: 12 Anzeichen einer toxischen Mutter-Sohn-Beziehung

In der Kindheit ist es nicht ungewöhnlich, wenn Jungen eine enge Bindung zu ihrer Mutter haben. Doch wenn noch im Erwachsenenalter zwischen ihnen kein Blatt Papier passt, wird der Mann zum Muttersöhnchen. Unter der toxischen Mutter-Sohn-Beziehung leiden vor allem die Partnerinnen. Sind Muttersöhnchen beziehungsunfähig? Und an welchen Anzeichen und Symptomen macht sich eine gestörte Mutterbindung bemerkbar?

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„Mama ist die beste“ – wenn man diesen Satz von einem erwachsenen Mann hört, neigt man dazu, ihm gedanklich das Etikett „Muttersöhnchen“ zu verpassen. Mit dieser Einschätzung liegt man oftmals ganz richtig. Doch während das Umfeld, und vor allem die Partnerinnen, die toxische Mutter-Sohn-Beziehung erkennen, haben betroffene Männer und ihre Mütter häufig kein Problembewusstsein. Kann eine Beziehung unter diesen Umständen überhaupt funktionieren? Wir haben mit dem Paartherapeuten und Beziehungsexperten Eric Hegmann gesprochen.

Ein Mann umarmt seine Mutter
Wenn die Bindung zwischen Mutter und Sohn eng ist, kann das in Paarbeziehungen zum Problem werden Foto: iStock/fizkes

Muttersöhnchen: Psychologie spricht von gestörter Mutter-Kind-Beziehung

Eine enge Bindung zwischen Mutter und Sohn ist essenziell für eine gelingende psychosoziale Entwicklung. Erfährt das Kind Fürsorge, Unterstützung und bedingungslose Liebe, kann es zu einer selbstständigen und unabhängigen Person heranreifen. Damit das gelingt, muss der Sohn eigene Erfahrungen sammeln und sich im Zuge dessen von der Mutter (und vom Vater) emotional lösen. Dieser Ablöseprozess ist in der Regel mit Abschluss der Pubertät beendet.

Doch ist die Mutter-Sohn-Beziehung gestört, gelingt die Abnabelung nicht – mit der Folge, dass im Erwachsenenalter eine emotionale Abhängigkeit besteht. Die Mutter ist überpräsent im Leben ihres Sohnes; sie ist engste Vertraute und wichtigster Bezugspunkt. Als Muttersöhnchen werden Männer umgangssprachlich bezeichnet, auf die das zutrifft.

Der negativ besetzte Begriff bringt zum Ausdruck, dass es gemeinhin als problematisch erachtet wird, wenn Mutter und Sohn im Erwachsenenalter einen engen Kontakt pflegen. Paartherapeut und Beziehungsexperte Eric Hegmann weist darauf hin, dass nicht immer eine gestörte Mutterbindung dahinterstecken muss. Auch kulturelle Aspekte spielen eine Rolle: „Im Einzelfall kann das sein, dass die Beziehung zur Familie wertvoller und sicherer erlebt wird als die zu Familienfremden, teilweise auch zur Partnerin oder dem Partner. Solange alle Beteiligten zufrieden sind in einer solchen Dynamik, steht niemandem zu, diese zu verurteilen. Manche Großfamilien-Strukturen und auch Strukturen in anderen Kulturen pflegen und unterstützen solche Verbindungen ganz bewusst und sind dort Standard.“

Allerdings haben nicht alle betroffenen Männer eine enge Bindung zu ihrer Mutter – es ist auch der umgekehrte Fall möglich: Ein Mann kann auch dann Verhaltensweisen eines Muttersöhnchens an den Tag legen, wenn er aufgrund ungelöster Konflikte ein schlechtes Verhältnis zu seiner Mutter hat und kaum oder gar keinen Kontakt zu ihr pflegt. Das heißt: Die Mutter kann auch nur in der Vorstellung (negativ besetzt) präsent sein.

Wie verhält sich ein Muttersöhnchen? Anzeichen und Symptome

Aus einer gestörten Mutter-Sohn-Beziehung können soziale und emotionale Defizite resultieren, die sich vor allem in Paarbeziehungen bemerkbar machen. Gerade das kann eine enge Bindung zur Mutter toxisch machen. Unter Freunden und im Job zeigen Muttersöhnchen meist keine Schwierigkeiten – sie können aktiv, energisch und verantwortungsvoll sein. Innerhalb der Beziehung nehmen sie hingegen die Rolle des Kindes ein, das umsorgt und verwöhnt werden möchte.

Muttersöhnchen wollen, dass ihnen jeder Wunsch von den Lippen abgelesen wird. Das kann die Beziehung hinsichtlich der Rollenverteilung in die 1950er-Jahre zurückkatapultieren. Denn Muttersöhnchen haben nicht selten die Erwartung, dass nach der Arbeit das Essen auf dem Tisch steht oder dass ihre Partnerin den Haushalt alleine macht.

Nicht nur an einer hohen Anspruchshaltung sind Muttersöhnchen in einer Beziehung zu erkennen. Auch folgende Anzeichen lassen darauf schließen, dass ein Mann eine ungesunde Bindung zu seiner Mutter hat:

Muttersöhnchen…

  1. haben entweder gar keinen Kontakt zu ihrer Mutter oder

  2. einen auffallend engen Kontakt mit täglichen Anrufen und häufigen (unangekündigten) Besuchen der Mutter.

  3. binden die Mutter in wichtige Entscheidungen mit ein, schließen aber die Partnerin davon aus.

  4. sind in der Beziehung passiv und zeigen keine Eigeninitiative.

  5. können kindliche Verhaltensweisen aufweisen, z.B. verhalten sie sich in Alltagsituationen unbeholfen oder reagieren mit Trotz, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen.

  6. haben kein Verantwortungsgefühl gegenüber ihrer Partnerin.

  7. stellen sich immer auf die Seite ihrer Mutter.

  8. vermeiden Konflikte.

  9. wirken gleichgültig gegenüber ihrer Partnerin: Sie zeigen wenig Fürsorge und Interesse.

  10. können nur schlecht mit Kritik umgehen.

  11. fühlen sich schnell gekränkt und angegriffen

    .

  12. bringen häufig wenig Leidenschaft in der Beziehung auf – sie legen mehr Wert auf Kuscheln als auf Sex.

Muttersöhnchen: Ursachen der toxischen Mutter-Sohn-Beziehung

Häufig wird ein Muttersöhnchen mit einer dominanten Mutter in Verbindung gebracht, die eifersüchtig auf die Freundin ihres Sohnes ist und alles dafür tut, um die Beziehung zu torpedieren – ganz nach dem Motto: Wo ein Muttersöhnchen ist, ist das „Schwiegermonster“ nicht weit. Tatsächlich kann es sein, dass die gestörte Bindung auf eine narzisstische Mutter zurückgeht, die aufgrund von Besitzansprüchen an ihren erwachsenen Sohn festhält. Doch dieses Klischee trifft nicht so häufig zu, wie man denkt; die Ursachen sind in der Regel komplexer.

Dass ein Mann zu einem Muttersöhnchen wird, kann die Folge einer sogenannten Parentifizierung sein: Wenn der Vater verstorben oder abwesend ist, kann der Sohn zum Partnerersatz werden. Die Mutter bespricht wichtige Dinge oder Sorgen mit ihrem Sohn, schmiedet mit ihm Urlaubspläne oder lässt sich von ihm umsorgen, wenn sie krank ist. Der Sohn erfährt dadurch eine Aufwertung – er fühlt sich gut, wenn er das Gefühl hat, seiner Mutter helfen zu können. Die enge Bindung wird aber zugleich zur psychischen Belastung, da die Mutter ihrem Kind die Verantwortung für ihr Wohlergehen überträgt.

Eine Trennung der Eltern birgt auch dann eine Gefahr für eine gesunde Mutter-Sohn-Beziehung, wenn die Mutter versucht, aus einem schlechtem Gewissen heraus ihren Sohn zu verwöhnen und ihm jede Unannehmlichkeit aus dem Weg zu schaffen. Auch ein zwar physisch anwesender, aber emotional unverfügbarer Vater kann dafür sorgen, dass die Mutter zu einem starken Bezugspunkt wird.

Aber genauso kann eine physische und/oder emotional abwesende Mutter dazu beitragen, dass Männer eine Bindungsproblematik entwickeln. Während Männer, die in ihrer Kindheit überbehütet wurden, die Mutter zu einem Idealbild verklären, wird bei Männern mit schlechten Bindungserfahrungen die Mutter zum Schreckensbild.

Muttersöhnchen als Partner: Warum das schwierig sein kann

Der verniedlichende Begriff „Muttersöhnchen“ verschleiert, welche weitreichenden Folgen eine zu enge Bindung zwischen Sohn und Mutter im Erwachsenenalter haben kann. Wird der unbewusste Mutterkonflikt nicht aufgelöst, bleibt der Mann möglicherweise in der Rolle des Kindes stecken.

Für die Männer selbst kann der enge Kontakt erdrückend sein, wenn die Bindungsforderung überwiegend von der Mutter ausgeht. Doch meist hindern Schuldgefühle sie daran, der Mutter klare Grenzen zu setzen. Betroffene können also den Wunsch haben, sich in der Beziehung zu ihrer Mutter mehr Freiheit zu verschaffen. Häufiger tritt jedoch der Fall auf, dass sich der Mann (und oft auch die Mutter) der Problematik nicht bewusst ist.

„Herausfordernd wird eine solche Dynamik [in einer Beziehung], wenn die Bindung vom Partner als bedrohlich wahrgenommen wird. Beispielsweise weil ein Elternteil übergriffig ist und sich in Abläufe des Paares einmischt“, erklärt Hegmann. „Schnell entstehen dann Auseinandersetzungen, die starke Emotionen erzeugen: ‚Bin ich wichtig genug? Ist die Mutter/der Vater wichtiger als ich? Wessen Meinung hat Priorität? Wie können wir relevante Entscheidungen zu zweit treffen und nicht zu dritt?‘ Die Folge ist: die Partner distanzieren sich zunehmend und streiten häufiger um Nähe.“

Muttersöhnchen neigen dazu, ihre Mutter an erster Stelle zu setzen, auch wenn sie gegenüber ihrer Partnerin das Gegenteil behaupten. Dass die Partnerin nur die zweite Geige spielt, kann der Mann nicht verbergen – es kommt in verschiedenen Alltagssituationen deutlich zum Vorschein.

Einige Beispiele: Der Mann redet immer zuerst mit seiner Mutter über wichtige Dinge. Oder das gemeinsame Sonntagsessen kann er auch dann nicht absagen, wenn seine Partnerin krank im Bett liegt. Und der Klassiker: Wenn seine Mutter abfällige Kommentare über das Essen seiner Partnerin macht, schweigt der Mann oder pflichtet seiner Mutter sogar bei.

Dazu kommt, dass Muttersöhnchen häufig mit sexuellen Problemen in der Beziehung zu kämpfen haben. Sie verspüren wenig Leidenschaft und haben kaum Lust auf Sex, da sie ihre Partnerin unbewusst mit ihrer Mutter gleichsetzen. Das bedeutet aber nicht, dass Muttersöhnchen generell eine niedrige Libido haben: Mit Fremden und flüchtigen Bekanntschaften fällt es ihnen leichter, intim zu werden.

Sind Muttersöhnchen beziehungsunfähig?

Das Grundproblem in der Beziehung mit Muttersöhnchen besteht darin, dass sie sich in erster Linie ihrer Mutter gegenüber verpflichtet fühlen. Die Mutter bekommt all das, was vor allem der Partnerin zustehen sollte: Fürsorge, Unterstützung und Loyalität. Fordert die Partnerin genau das ein, reagiert ein Muttersöhnchen mit Unverständnis. Zudem leidet die Intimität ebenso wie die Zweisamkeit unter der ungesunden Mutter-Sohn-Beziehung. Je enger das Band zur Mutter, desto weniger Platz hat die Partnerin im Leben des Mannes.

Unter diesen Voraussetzungen ist eine Beziehung nur möglich, wenn die Partnerin eine hohe Leidensfähigkeit hat und ihre Bedürfnisse zurückstellt. Von einer gleichwertigen und auf Gegenseitigkeit beruhenden Beziehung ist man dann aber meilenwert entfernt. Ob sich an dem Zustand etwas ändern lässt, hängt ganz entscheidend davon ab, ob der Mann ein Problembewusstsein hat und einen Willen zur Veränderung zeigt.

„Der Partner ist hier in einer sehr ungünstigen und hilflosen Position, denn er muss sozusagen darauf warten und hoffen, dass zwei Menschen sich für ihn ändern. Das wird aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht passieren.“
Paartherapeut und Beziehungsexperte Eric Hegmann

Wie gehe ich mit einem Muttersöhnchen um?

Versuche, die Dynamik zwischen dem Mann und seiner Mutter aufzubrechen und ihren Einfluss auf die Beziehung zu reduzieren, scheitern für gewöhnlich, wie Eric Hegmann durch seine Arbeit als Paartherapeut bestätigen kann. Mit Sachargumenten oder gar Regeln für den Kontakt kommt man nicht weit. Denn: „Es geht um ein emotionales Thema, um Bindung, um Sicherheit, um Vertrauen.“ Hinzu kommt, dass „das Gefühl, sich ändern zu müssen, nahezu immer für Gegen- und Abwehr sorgt, weil es dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung widerspricht.“

Kritik und Vorwürfe münden irgendwann in einer Beziehungskrise und führen dazu, dass die „Bindung zwischen den Partnern immer brüchiger und unsicherer wird“, so Hegmann. „Manchmal treibt genau dies auch noch eine:n unsichere:n Partner:in erst recht in die vermeintlich schützende Verbindung zum Elternteil, weil dort Nähe und Verständnis zu finden sind, die in der Beziehung nicht vorhanden ist.“ Ständige Konflikte und der Umstand, dass wichtige Bedürfnisse in der Beziehung nicht erfüllt werden, können zudem bei der Partnerin das Risiko für eine depressive Verstimmung erhöhen.

Anstatt Kritik zu üben oder Regeln für den Umgang mit der Mutter durchzusetzen, sollte der Fokus darauf gesetzt werden, die Beziehung zu stärken. Nur so sei das Paar in der Lage, „tragfähige Lösungen zu entwickeln“, so Hegmann. Eine Paartherapie kann dabei helfen – dafür ist jedoch auf beiden Seiten ein Wille zur Veränderung notwendig. Aber genau daran hapert es oftmals bei Muttersöhnchen.

Muttersöhnchen: Trennung häufig die einzige Lösung

Nichts zu tun und eine Veränderung zu hoffen, ist in einer Beziehung mit einem Muttersöhnchen keine Option. Dass sich etwas ändert, wird „mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht passieren“, stellt Hegmann klar. „Sie [d.i. die Partnerin] befindet sich in der Situation, dass sie abwartet, dass ihr Partner etwas ändert, damit sie sich wieder gut fühlen kann. Damit gibt sie die Kontrolle, die sie für sich und ihre Beziehung übernehmen könnte, möglicherweise vergleichbar ab wie ihr Partner, der diese Kontrolle seiner Mutter übergibt.“

Wenn Interventionsversuche scheitern und man aus der ungesunden Beziehungsdynamik nicht ausbrechen kann, gibt es zwei mögliche Lösungen: Man muss sich als Partnerin entweder damit abfinden, die ewige Nummer 2 hinter der Mutter zu sein oder die Beziehung beenden. Da ein Fortbestand der Beziehung mit einem Muttersöhnchen bedeutet, dass man seine Bedürfnisse hintanstellen muss, ist eine Trennung häufig die einzig richtige Lösung.

Unser Experte

Eric Hegmann ist Single- und Beziehungscoach sowie Paartherapeut und Autor mit Sitz in Hamburg. In seinem Fachbereich gilt er als meist zitierter Experte im deutschsprachigen Raum. Zudem ist er Gründer der Modern Love School – einer Plattform, die Online-Kurse rund um Liebe und Beziehung anbietet.