Mutiertes Coronavirus entdeckt: Ansteckender als das Original?

Einer vorab veröffentlichten US-Studie zufolge ist das Coronavirus mehrfach mutiert. Einer der neu gefundenden Stämme könnte ansteckender sein als der Originalstamm. Er soll laut der Wissenschaftler aber nicht tödlicher sein.

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Forscher der Los Alamos National Laboratory in New Mexico haben mehrere Mutationen des Coronavirus' SARS-CoV-2 entdeckt. Die Wissenschaftler warnen in ihrer Studie vor einer höheren Ansteckungsgefahr einer dieser Mutationen. Gleichzeitig betonen sie, dass nicht nachgewiesen werden konnte, dass das mutierte Coronavirus tödlicher als das bisherige sei.

Die vorab veröffentlichte Studie wurde bisher keiner Prüfung unabhängiger Wissenschaftler unterzogen. Darauf wird online hingewiesen.

Computergestützte Analyse

Für ihre Analyse werteten die Wissenschaftler um Studienleiterin Bette Kober mehr als 6.000 Coronavirus-Sequenzen aus aller Welt aus. Diese hatte Kobers Team von der Global Initiative on Sharing All Influenza Data (GISAID) – einer teils öffentlichen, teils privaten Non-Profit-Organisation mit Sitz in München – zur Verfügung gestellt bekommen.  

Mithilfe von Wissenschaftlern der Duke University, USA und der britischen University of Sheffield identifizierten die Forscher 14 Mutationen. Wobei eine spezielle ihnen Sorgen bereitete: die Mutation mit der Bezeichnung D614G.

Mutiertes Coronavirus entdeckt: Von Europa in die USA

Der neue Stamm habe sich laut der Forscher der US-amerikanischen Forschungseinrichtung bereits im Februar in Europa ausgebreitet und sei danach an der Ostküste Amerikas aufgetaucht. Im März sei die Mutation in 29 Prozent der weltweiten COVID-19-Fälle gefunden worden, schreiben die Wissenschaftler. 

Der Studie zufolge breite sich das neue Coronavirus schneller aus als der Originalstamm aus dem chinesischen Wuhan. Wo immer D614G aufgetreten war, setzte es sich "innerhalb weniger Wochen" durch, so die Experten.

Ansteckender, aber nicht tödlicher

Die schnelle Ausbreitung deute darauf hin, dass der neue Stamm infektiöser als der Originalstamm ist. Das könnte dran liegen, dass bei D614G eine Mutation des Spike-Proteins stattgefunden hat. Dieses Protein nutzt das Coronavirus, um in die Körperzellen des Menschen einzudringen. Je effektiver diese Bindungsstelle funktioniert, desto ansteckender ist SARS-CoV-2.

Allerdings betonten die Virologen um Bette Kober, dass ein höheres Ansteckungspotential nicht bedeute, dass das mutierte Coronavirus tödlicher sei. Eine Stichprobe unter 447 COVID-19-Patienten habe ergeben, dass etwa genauso viele D614G-Infizierte im Krankenhaus behandelt werden mussten, wie Patienten, die den Originalstamm von SARS-CoV-2 in sich trugen.

SARS-CoV-2: Drei Hauptstämme, hunderte Mutationen

Weltweit beschäftigen sich Wissenschaftler mit den zahlreichen Mutationen des Coronavirus'. Es gibt weit mehr als die von Bette Kober und ihrem Team untersuchten. Francois Balloux vom University College London beispielsweise konnte mit seinen Mitarbeitern ganze 198 Mutationen des Coronavirus' nachweisen.

Wie stark ein bestimmtes Virus verändert ist, lässt sich an den viralen RNA-Sequenzen messen. Dazu können Forscher, wie Balloux und Kober das getan haben, die in der zentralen Datenbank GISAID gesammelten Virenproben analysieren. Dort finden sich aktuell rund 16.000 RNA-Sequenzen. 

Laut einer neuen Untersuchung von Peter Forster vom Institut für forensische Genetik in Münster und seinem Team gibt es unabhängig der Mutationen inzwischen drei Corona-Hauptstämme: 

  1. Stamm A trat zunächst hochkonzentriert in Wuhan, dem Ausgangsort der Corona-Pandemie, auf. Dieses Virus ist den eng mit SARS-CoV-2 verwandten Fledermaus-Coronaviren am ähnlichsten. 
  2. Typ B konnte überwiegend in Asien festgestellt werden. Bis heute dominiert dieser Stamm dort. Ihm gelang allerdings auch der Sprung nach Nordamerika und Europa. 
  3. In Europa allerdings dominiert Stamm C. Diese B-Mutation wurde laut Forster in Frankreich, Italien, Schweden und England, aber auch in Kalifornien und Brasilien nachgewiesen.

Sind Mutationen automatisch gefährlicher?

Zu Mutationen kommt es, wenn ein Virus sich vermehrt und sich dabei nicht 1:1 abbildet – es sind im Grunde Kopierfehler. So krass das Wort Mutation auch klingt: Zu sagen, Mutationen von Viren seien automatisch gefährlicher als der Originalstamm, ist falsch. 
"Mutationen als solche sind nichts Schlechtes und bisher können wir nicht sagen, ob SARS-CoV-2 dadurch mehr oder weniger ansteckend oder tödlich wird", betont Francois Balloux beispielsweise. 

Bei dem jüngsten SARS-CoV-2-Ausbruch in Peking konnte eine neue Variante des Virus' nachgewiesen werden. Ob diese aber aggressiver oder weniger aggressiv als der Originalstamm ist, ist noch unklar. 

Während man vermutet, dass die D614G-Mutation infektiöser, aber nicht tödlicher als der SARS-CoV-2-Originalstamm ist, gibt es sogar Mutationen, die das Virus schwächen. Bei Untersuchungen in den USA entdeckten Wissenschaftler eine Mutation, der ohne ersichtlichen Grund über 80 RNA-Basen und damit 27 Aminosäuren fehlten. Das mache sie weniger aggressiv, schlussfolgerten die Experten.

Impfstoff: Mutierte Coronaviren spielen eine Rolle

Ein mutiertes Coronavirus zu untersuchen, ist vor allem in Hinblick auf den Kampf gegen die Pandemie wichtig. Die bisher entdeckten Mutationen müssen bei der aktuellen Suche nach einem Impfstoff berücksichtig werden. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass eine Impfung zwar vor dem Virenstamm aus Wuhan schützt, nicht aber vor mutierten Versionen wie dem D614G. 


Quellen:
Scientists say a now-dominant strain of the coronavirus could be more contagious than original, in: latimes.com
Spike mutation pipeline reveals the emergence of a more transmissible form of SARS-CoV-2, in: biorxiv.org
Wie stark ist das Coronavirus mutiert?, in: scinexx.de