Multiple Sklerose: Was ist MS?

Multiple Sklerose (MS) ist eine Krankheit des Nervensystems, die Lähmungen, Sehstörungen und Spasmen auslösen kann. Nicht jeder MS-Patient ist auf einen Rollstuhl angewiesen – etwa ein Drittel hat nach längerem Krankheitsverlauf keine starken Beeinträchtigungen.

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Was ist Multiple Sklerose (MS)?

Multiple Sklerose (MS) ist auch als Polysklerose und „Krankheit der 1.000 Gesichter“ bekannt. Die Erkrankung ist eine der häufigsten des Nervensystems. Multiple Sklerose verläuft bei jedem Menschen unterschiedlich. Einige stellt der Alltag, wie etwa ein Butterbrot zu schmieren oder einfach nur zu duschen, bereits vor große Herausforderungen, andere sind kaum beeinträchtigt. Unabhängig davon, ob Betroffene nur leichte oder schwere Symptome haben – in allen Fällen gilt: MS ist nicht heilbar.

Die Krankheit MS kann in verschiedenen Formen auftreten. Sie beginnt oft schubweise. Während eines Schubes verschlechtern sich bestehende Symptome der MS-Erkrankung und neue kommen hinzu. Später kommt es zu einer schleichenden, fortschreitenden Verschlechterung der Krankheit (progredienter Verlauf). 10 bis 15 Prozent der MS-Patienten haben solch einen fortschreitenden Verlauf schon zu Beginn der Erkrankung.

Charakteristisch für das Krankheitsbild MS sind chronische Entzündungen an den Zellfasern des zentralen Nervensystems. Im Laufe der Erkrankung breiten sich die Entzündungsherde immer weiter aus. Sie können nur etwa so klein wie der Kopf einer Stecknadel oder auch den Durchmesser eines Euro-Stücks haben. Als Folge der Entzündungen wird die sogenannte Myelinschicht abgebaut, die aus Fetten, Eiweißen und Wasser bestehend, die Nerven schützt und die Reizweiterleitung verbessert. 

In der Folge der Multiplen Sklerose funktioniert bei Betroffenen die Reizweiterleitung immer schlechter, was vielfältige Beschwerden hervorrufen kann. Multiple Sklerose führt irgendwann dazu, dass die Myelinschicht komplett fehlt („Entmarkung“).

Welche Ursachen hat die Multiple Sklerose?

Vermutlich müssen verschiedene Voraussetzungen zusammentreffen, damit eine Multiple Sklerose entsteht. Multiple Sklerose-Ursachen könnten zum Beispiel eine erbliche Veranlagung, Umwelteinflüsse , Viren oder andere Krankheitserreger sein. Unter Verdacht stehen immer wieder Herpes-Viren sowie das Epstein-Barr-Virus. Bisher wurde aber nicht erwiesen, dass sie tatsächlich Multiple Sklerose-Ursachen sind.

Möglicherweise spielt auch die Vitamin-D-Versorgung bei bei den Multiple Sklerose-Ursachen eine Rolle: MS kommt in vielen Ländern mit einer hohen Sonneneinstrahlung deutlich seltener vor.

Sonnenlicht sorgt dafür, dass in der Haut Vitamin D gebildet wird. Bei einer geringen Sonneneinstrahlung produziert die Haut wenig oder gar kein Vitamin D. Bei Betroffenen mit Multipler Sklerose ist der Vitamin-D-Spiegel im Blut niedriger als normal.

Welche Symptome können bei einer Multiplen Sklerose auftreten?

Die Ausprägung der Symptome ist individuell verschieden und abhängig davon, welche Bereiche des zentralen Nervensystems betroffen sind. Typische Leitbeschwerden der MS sind:

  • Taubheitsgefühl und/oder Kribbeln in den Gliedmaßen
  • Sehstörungen
  • Lähmungen
  • Schwächegefühl
  • Sprachstörungen

Wie wird die Diagnose MS gestellt?

Die meisten Menschen mit Verdacht auf MS-Krankheit haben ganz unterschiedliche Symptome, die neben einer MS-Erkrankung auch diverse andere Ursachen haben können. Die erste Anlaufstelle ist immer der Hausarzt.

Durch ein umfangreiches Blutbild oder eine Magnetresonanztomografie (MRT), die mögliche Entzündungsherde im Körper zeigt, kann der Hausarzt einen ersten Überblick über eine mögliche MS-Erkrankung erhalten. Erhärtet sich der Verdacht auf Multiple Sklerose, wird der Patient für die Diagnosestellung an einen Neurologen überwiesen.

Welche Therapien gibt es für MS?

Die Therapie einer MS-Erkrankung richtet sich stark nach deren Verlauf. Bei akuten Schüben kommt beispielsweise Cortison zum Einsatz. Darüber hinaus können körperliche Einschränkungen mit Physiotherapie behandelt werden. Andere, vor allem medikamentöse Therapien, setzen darauf, den Verlauf der Krankheit MS zu verlangsamen und Schübe mit Entzündungsbildungen zu verhindern.

Zu diesem Zweck sind verschiedene Wirkstoffe auf dem Markt, darunter Beta-Interferone sowie weitere immunmodulierende und entzündungshemmende Medikamente. Darüber hinaus gibt es symptomatische Behandlungen, die Begleiterscheinungen der MS-Erkrankung, wie Inkontinenz, Schmerzen, Müdigkeit (Fatigue) und Gangstörungen, lindern sollen.

Wenn die Multiple Sklerose so verläuft, dass ein Patient auf einen Rollstuhl angewiesen ist, ist dies inzwischen häufig in einem späteren Stadium der Erkrankung der Fall. Regelmäßige Kontrollen beim Neurologen und die Anpassung der Medikation können dazu beitragen, dass Behinderungen langsamer voranschreiten.

Welche Lebenserwartung haben Patienten mit Multipler Sklerose (MS)?

Aufgrund der sich immer weiter verbessernden Therapiemöglichkeiten ist die Diagnose MS in der heutigen Zeit kein Todesurteil mehr. Die Lebenserwartung von MS-Betroffenen unterscheidet sich nur geringfügig von der allgemeinen Lebenserwartung.

Sie liegt für Männer bei 74 Jahren (normal 78 Jahre) und für Frauen mit MS bei 79 Jahren (sonst 83 Jahre). Mehrere Studien konnten belegen, dass 75 Prozent aller Patienten mit Multipler Sklerose 25 Jahre nach Diagnosestellung noch lebten.

Woran sterben MS-Kranke?

Bei Multipler Sklerose führen die Entzündungen des zentralen Nervensystems nicht zum Tode. Denn die Zerstörung der Myelinschicht wirkt sich in den meisten Fällen nicht direkt auf lebenswichtige Körperfunktionen aus. Woran MS-Kranke sterben, hängt daher auch vom Lebensalter ab. Todesursächlich sind bei MS-Patienten in erster Linie Komplikationen aufgrund der starken Behinderungen, die mit steigendem Alter immer weiter zunehmen.

Da auch MS-Betroffene ein hohes Lebensalter erreichen können, treten bei ihnen häufiger Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Probleme und Schlaganfälle auf. Diese Erkrankungen werden aber nicht durch die Multiple Sklerose verursacht. Die meisten Betroffenen sterben also nicht an ihrer MS-Erkrankung, sondern mit der Krankheit MS.

Experteninterview mit Dr. med. Michael Lang

Was ist Multiple Sklerose (MS-Krankheit)?

Die MS-Krankheit ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), bei der man letztendlich bis heute den Auslöser nicht kennt.

Ein wesentliches Merkmal dieser Art der Sklerose sind Entzündungsherde im Gehirn und zum Teil auch im Rückenmark. Dadurch greifen die körpereigenen Immunzellen vor allem die sogenannten Myelinscheiden der Nervenzellen an. Dies ist eine Hüllschicht, die die Nervenfasern ähnlich wie die Isolierung eines Stromkabels umschließt und sie so nach außen abdichtet. Ist diese Schutzschicht beschädigt, wird die Erregungsleitung in den Nerven gestört, die Signale werden nicht mehr korrekt übertragen.

Je nachdem, wo und wie stark diese Schädigungen sind, können daraus unterschiedliche neurologische Störungen entstehen.

Warum wird MS die Krankheit der 1.000 Gesichter genannt?

Die MS wird auch Krankheit mit den 1.000 Gesichtern genannt, weil sie bei jedem Patienten individuell anders verläuft.1 Es können alle möglichen Symptome klinisch in Erscheinung treten, je nachdem, an welcher Stelle im Gehirn die Entzündung gerade abläuft. Denkbar sind sowohl eine Lähmung eines Beines, einer oberen Extremität, also eines Armes oder einer Hand, eine Sehstörung oder Schwindel, rasche Ermüdbarkeit, die sogenannte Fatigue – alles kann bei dieser Sklerose auftreten.

Welche Symptome treten bei einer Fatigue auf?

Fatigue ist ein Symptom der Schwäche, der Müdigkeit und der Mattigkeit. Betroffene sind meist nicht mehr in der Lage, ihren normalen (Arbeits-)Alltag zu bewältigen und dadurch auf Hilfe angewiesen. Viele Patienten mit der MS-Krankheit bezeichnen die Fatigue als das schlimmste MS-Symptom überhaupt; sie leiden darunter wirklich erheblich.

Welche Konsequenzen hat die MS-Krankheit? Sitzt man mit MS irgendwann im Rollstuhl?

Die MS-Krankheit führt keineswegs – wie häufig angenommen – zwangsläufig zu einem Leben im Rollstuhl. Aber natürlich können im Verlauf der Erkrankung Behinderungen auftreten. Der Grad der Behinderung eines Patienten mit dieser Sklerose wird anhand der EDSS (Expanded Disability Status Scale) bewertet. Je höher der EDSS-Wert ist, umso stärker ist die Behinderung.5 So kann sich die MS-Krankheit auf die Leistungsfähigkeit und Beweglichkeit des Betroffenen auswirken: Konsequenzen im Berufs- und Privatleben können die Folge sein.

Was muss in puncto Lebensplanung nach einer MS-Diagnose beachtet werden? Inwieweit ist die Krankheitsentwicklung vorhersehbar?

Mittlerweile gibt es Therapien, die eine langfristige Lebensplanung trotz MS-Diagnose erlauben. Vorhersehbar ist die Krankheitsentwicklung der Sklerose eigentlich gar nicht. Die MS-Krankheit kann aber zum Beispiel schneller fortschreiten, wenn bereits bei Diagnosestellung eine hohe Läsionslast im ZNS (zentrales Nervensystem) besteht.

Also, wenn viele und große Entzündungsherde im MRT (Magnetresonanztomographie) zu sehen sind und diese dazu geführt haben, dass Schübe nicht komplett ausgeheilt sind. Auch eine zu Beginn der MS-Krankheit hohe Schubfrequenz ist eher ungünstig.

Wie sieht die Urlaubsplanung mit der MS-Krankheit aus? Muss man darauf achten, seine Medikamente pünktlich zu nehmen oder müssen sie gekühlt werden?

Patienten, die eine Spritzentherapie erhalten, müssen je nach Präparat unter Umständen darauf achten, dass das Medikament entsprechend gekühlt wird. Außerdem können die Spritzen unter Umständen zu Schwierigkeiten bei den Grenzkontrollen führen. In diesen Fällen hilft der Patientenpass, der belegt, dass das Medikament eingenommen und mitgeführt werden muss.

Gibt es Medikamente, die die Lebensqualität auch mit MS erhalten oder wieder so gut wie möglich herstellen können?

Entscheidend ist, den Zeitpunkt für die richtige Therapie nicht zu verpassen. Wird die Behandlung erst begonnen, wenn die Degeneration, also der Abbau, im Vordergrund steht, dann wirken die Medikamente weniger effektiv. Die Wirkung entspricht nur einem Bruchteil der Wirkung, die bei einem frühen und konsequenten Therapiebeginn erzielt werden könnte. Das heißt, es gibt ein Credo in der Sklerose-Therapie: "Früh, früh und noch einmal früh und so konsequent wie möglich!"

Wie und ob sich die Ernährungsgewohnheiten auf die MS-Krankheit auswirken, ist nicht geklärt. Wahrscheinlich sollten insbesondere junge Menschen, in deren Familie eine MS aufgetreten ist, auf ihren Vitamin D-Spiegel achten und einem Vitamin D-Mangel vorbeugen. Vitamin D ist unter anderen in Fisch und Milchprodukten enthalten.

Wo gibt es weiterführende Informationen zur Multiplen Sklerose (Websites, Patienten-Programme)?

Es gibt diverse Selbsthilfegruppen, die Betroffenen und Angehörigen Rat und Hilfestellung bieten: die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG e.V., www.dmsg.de) und deren Landesverbände wie zum Beispiel auch die AMSEL (Aktion Multiple Sklerose Erkrankte, www.amsel.de). Daneben verweisen wir auch auf Einrichtungen wie die Patientenakademie (www.neuropoint.de).

Unser Experte

Dr. med. Michael Lang, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Umwelt- und Verkehrsmedizin, Ulm

Quellen:

  • Experteninterview Dr. med. Michael Lang
  • Schäfler, Arne Dr. med. (2008): Gesundheit heute: Krankheit - Diagnose - Therapie: das Handbuch für Schulmedizin, Naturheilkunde und Selbsthilfe, München: Knaur Ratgeber Verlag
  • Schmidt, Rudolf Manfred, et al. (2017): Multiple Sklerose, München: Urban & Fischer Verlag/Elsevier
  • Scalfari, A., Knappertz, V., Cutter, G., Goodin, D. S., Ashton, R., & Ebers, G. C. (2013). Mortality in patients with multiple sclerosis. Neurology, 81(2)
  • Lunde, H. M. B., Assmus, J., Myhr, K. M., Bø, L., & Grytten, N. (2017). Survival and cause of death in multiple sclerosis: a 60-year longitudinal population study. J Neurol Neurosurg Psychiatry, 88(8) 
  • Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft: Was ist MS?, in: Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft
  • Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft: MS behandeln, in: Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft