Mögliche Neben- und Wechselwirkungen von Cannabinoiden in der Medizin

Kann es bei THC-haltigen Präparaten zu Nebenwirkungen kommen? Welche sind das und wie vermeide ich sie? Palliativmediziner Prof. Dr. Sven Gottschling kennt die Antworten.

ÄArztin berät ihre Patientin in der Praxis
In einem Vorgespräch klärt der Arzt seine Patienten darüber auf, welche Nebenwirkungen bei der Behandlung mit Cannabinoiden auftreten können und was dann zu tun ist Foto: iStock/demaerre
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THC-haltige Rezepturarzneien sind so sicher, dass ich keine Angst habe, die Menschen ambulant einzustellen“, betont der Palliativmediziner Prof. Dr. Sven Gottschling. „Das heißt, sie können das Medikament zu Hause einnehmen – dafür ist kein stationärer Aufenthalt im Krankenhaus erforderlich. In der Praxis sehe ich, dass Cannabinoide viel unkritischer ist als viele andere Arzneimittel.“ 

Ansteigende Dosierung, weniger Nebenwirkungen

Dennoch kann es – wie bei allen wirksamen Medikamenten – auch bei THC-haltigen Präparaten zu Nebenwirkungen kommen. Um diese möglichst gering zu halten, ist bei Dronabinol, wie das THC als Wirkstoff heißt, unbedingt ein „Einschleich-Schema“ einzuhalten.  „Würden wir mit der Volldosis starten, könnten mehrere Nebenwirkungen gleichzeitig auftreten. Deshalb beginnen wir mit einer niedrigen Dosis und steigern diese alle paar Tage, bis die gewünschte Wirkung erzielt wird“, so der Experte.

Regelmäßiger Kontakt mit dem Arzt ist wichtig

Der Arzt klärt seine Patienten in den Vorgesprächen umfangreich auf, damit diese auch wissen, mit welchen unerwünschten Begleiterscheinungen sie unter Umständen rechnen müssen (s. Kasten). „Ich sehe die Patienten in der Einstellungsphase des Medikaments regelmäßig – spätestens eine Woche nach der ersten Einnahme kommen sie wieder in die Sprechstunde. Zudem besteht die Möglichkeit, dass sie mich jederzeit anrufen, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert“, erklärt Prof. Dr. Gottschling.

Genau das sollten auch alle Patienten, die diesen Wirkstoff einnehmen, beachten: Treten Neben- oder Wechselwirkungen auf, konsultieren Sie bitte den Arzt. Zu leichten unerwünschten Effekten wie Übelkeit oder Mundtrockenheit kommt es in der Regel nur in der Anfangsphase. Nach zwei Wochen sind bei den meisten Patienten die Nebenwirkungen wieder verschwunden.

Cannabinoide beeinflussen andere Arzneien kaum

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten beobachtet der Palliativmediziner in seiner täglichen Arbeit kaum. „Es gibt ein paar Reserve-Antibiotika – die in der Regel aber nur im Krankenhaus eingesetzt werden – die teilweise wirkverstärkt werden. Ansonsten – und das ist das wirklich Besondere – muss ich nicht viel beachten. Selbst bei schwerstkranken Patienten, die Dutzende verschiedene Medikamente einnehmen, kommt es kaum zu Wechselwirkungen. Bei vielen anderen Medikamenten besteht die Gefahr hingegen schon“, sagt Prof. Dr. Gottschling.

Die Opioid-Dosis kann häufig reduziert werden

Es bestehen im Gegenteil sogar positive Effekte – durch die Einnahme von Cannabinoiden kann die Dosis anderer Medikamente reduziert werden. „Wir erleben häufig, und das ist auch in Studien gut belegt, dass wir durch THC-haltige Medikamente weniger nebenwirkungsträchtigere Opoide verabreichen müssen.“ Das geschieht nicht von einem Tag auf den anderen – sondern ist ein mehrwöchiger Prozess. In vielen Fällen kann nach wenigen Wochen komplett auf Opioide verzichtet werden. Patienten profitieren massiv davon, denn die Opioid-Nebenwirkungen wie dauerhafte Verstopfung, erhöhtes Schlafbedürfnis oder Konzentrationsstörungen gehören nach dem Absetzen des starken Schmerzmittels meist auch der Vergangenheit an. T


Bei der Einnahme des Wirkstoffs können folgende Nebenwirkungen auftreten:

• Angst
• Blutdruckabfall
• Druckgefühl hinter den Augen
• Beeinträchtigte Reaktionsfähigkeit
• Benommenheit
Durchfall
• Erhöhter Puls
• Kopfschmerzen
• Müdigkeit
• Mundtrockenheit
• Stimmungsschwankungen
• Veränderte Sinneswahrnehmung

Über folgende Erkrankungen sollten Patienten ihren Arzt informieren, bevor sie Dronabinol einnehmen:

• Epilepsie
• Hepatitis-C-Erkrankung
• (vergangen oder bestehend)
• Herzerkrankungen
• Psychiatrische Erkrankungen
• Suchterkrankungen, die in der 
• Vergangenheit bestanden oder 
• noch bestehen (Alkohol, Drogen, 
• Medikamente)

Hinweis:
In Schwangerschaft und Stillzeit sollten Sie THC-haltige Arzneien nicht anwenden. Ebenso spricht eine Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff gegen eine Einnahme.