Warum macht Hitze aggressiv – und ab welcher Temperatur?
Steigen die Temperaturen, nimmt auch die Gereiztheit der Menschen zu. Aber warum macht Hitze aggressiv? Alles, was Sie dazu wissen müssen!
Für das Abspielen des Videos nutzen wir den JW Player der Firma Longtail Ad Solutions, Inc.. Weitere Informationen zum JW Player findest Du in unserer Datenschutzerklärung.
Bevor wir das Video anzeigen, benötigen wir Deine Einwilligung. Die Einwilligung kannst Du jederzeit widerrufen, z.B. in unserem Datenschutzmanager.
Weitere Informationen dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Es ist paradox: Die Menschen freuen sich auf den Sommer, die Sonne und warme Tage – sind diese dann aber da, scheinen viele vermehrt gereizt, ungeduldig und angriffslustig.
Die Frage, warum macht Hitze aggressiv, ist seit Jahren im Fokus wissenschaftlicher Forschungen. Hier sind die wichtigsten Antworten.
Warum macht Hitze aggressiv?
Zunächst einmal bereitet Hitze unserem Organismus viel Arbeit. Um die Körpertemperatur auf einem konstanten Level zu halten, schwitzen wir vermehrt. Damit die Wärme besser an die Hautoberfläche abgeleitet werden kann, weiten sich die Blutgefäße und der Blutdruck sinkt. Das Herz muss mehr pumpen und wir ermüden schneller und die Konzentration lässt nach. In der Folge sind wir gereizter.
Autofahren bei Hitze: Erhöhtes Risiko
Hand in Hand mit der sinkenden Konzentration geht ein erhöhtes Risiko im Straßenverkehr bei Hitze einher.
Der ADAC hat das 2005 in einer Studie untersucht. Von den in diesem Jahr gezählten 12.000 Unfällen passierte jeder siebte schwere Unfall an Tagen mit Temperaturen über 25 Grad Celsius. Waren es mehr als 30 Grad Celsius, stieg die Zahl der Unfälle sogar um bis zu 22 Prozent.
Hitze und Aggression: Vasopressin als Übeltäter
Man ahnt es schon: Auch die Hormone spielen eine Rolle bei der Frage, warum Hitze aggressiv macht. Studien haben herausgefunden, dass Menschen bei Hitze das Hormon Vasopressin verstärkt ausschütten. Eigentlich dient das Hormon dazu, Flüssigkeit im Körper zu halten. An warmen Tagen ist es also sehr aktiv. Hanns-Christian Gunga, Professor am Institut für Physiologie an der Berliner Charité, erklärte im Interview mit "Deutschlandfunk Nova":
"Man weiß, dass dieses Hormon deutlich die Aggression von Personen erhöht. […] Es ist also kein Wunder, dass wir unter diesen sehr warmen Bedingungen, wenn wir viel Flüssigkeit verlieren – wo dieses Hormon sehr aktiv ist – durchaus eine erhöhte Aggressionsschwelle haben."
Ab welcher Temperatur macht Hitze aggressiv?
Laut Hanns-Christian Gunga liegt die ideale Temperatur für Mitteleuropäer:innen zwischen 22 und 25 Grad Celsius. Hitzegrade ab 30 Grad üben Druck auf den Körper – und damit die Psyche – aus.
Steigt die Außentemperatur deutlich, erhöht sich auch unsere Körpertemperatur, die normalerweise um die 36 Grad beträgt. Jedes Grad mehr führe zu messbaren eingeschränkten kognitiven Funktionen unseres Gehirns: "Bei 38 oder 39 Grad machen Sie deutlich mehr Fehler. Und mit diesen Fehlern erhöht sich auch die Aggression, weil der Mensch nicht gerne Fehler macht", so Gunga.
Aggressiv bei Hitze: Feindseligkeit steigt
US-Psychologe Craig A. Anderson vom Center for the Study of Violence der Iowa State University gehört seit Jahren zu den aktivsten Forschern, wenn es um die Frage "Warum macht Hitze aggressiv?" geht.
Er konnte 2001 das erste Mal nachweisen, dass die Zahl von Gewalt- und Sexualverbrechen während einer längeren Hitzeperiode steigt. Anderson formulierte zwei Erklärungen dafür. Zum einen würden sich Menschen bei Hitze vermehrt draußen aufhalten und dort auch eher zu Alkohol greifen. Zum anderen wirke sich die Hitze auf unsere Psyche aus. Anderson schlussfolgerte 2001:
"Heiße Temperaturen erhöhen die Aggression, indem sie verstärkt zu Gefühlen der Feindseligkeit führen. Dadurch werden indirekt aggressive Gedanken geschürt."
Mehr globale Konflikte durch Hitze?
Der Effekt scheint auch auf höherer Ebene beobachtbar zu sein. Der Wirtschaftswissenschaftler Edward Miguel von der University of California in Berkeley untersuchte 2013 einen möglichen Zusammenhang zwischen warmen Klimaperioden und politischen Konflikten.
Seine Meta-Analyse aus 60 Studien zeigte, dass die Wahrscheinlichkeit für globale Konflikte bei steigenden Temperaturen um bis zu 14 Prozent nach oben schnellt.
Schulen Jahreszeiten die Selbstdisziplin?
In einer kürzlich veröffentlichten Studie haben Forscher aus den Niederlanden und den USA untersucht, warum die Verbrechensquoten in der Nähe des Äquators höher sind als in anderen Teilen der Welt. Die Wissenschaftler um Paul van Lange, Psychologie-Professor an der Vrije Universiteit Amsterdam entwickelten dazu ein sogenanntes CLASH-Modell (Climate Aggression, and Self-control in Humans = Klima Aggression, und Selbstkontrolle bei Menschen).
Mithilfe des Modells fanden sie heraus, dass es nicht die heißen Temperaturen an sich sind, die zu Aggressionen führen, sondern eher die Schwankungen im Klima.
Menschen, die in Ländern mit ausgeprägten Jahreszeiten – also kalten Wintern und heißen Sommern – lebten, wären viel stärker auf vorausschauendes Handeln und damit einhergehende Selbstdisziplin angewiesen als Menschen, die gleichbleibendes Klima gewohnt sind, wie in Ländern in der Nähe des Äquators.
Aggression bei Hitze: Mehr Gewalt in der Nähe des Äquators?
Da in diesen Ländern eine stärkere Orientierung an der Gegenwart vorherrscht, müssten die Menschen dort weniger Selbstdisziplin ausüben. Das führe dazu, dass sie schneller aggressiv und manchmal auch eher gewalttätig reagieren.
"Das Klima formt das Leben der Menschen, es beeinflusst die Kultur auf eine Weise, wie wir es uns in unserem täglichen Leben nicht vorstellen können", erklärte Brad Bushman, Ko-Autor der Studie.
"Wir glauben, dass unser Modell helfen kann, den Einfluss des Klimas auf die Gewalt in einigen Teilen der Welt zu erklären", ergänzt seine Kollegin Maria I. Rinderu von der VU Amsterdam.
Wertvolle Tipps: So bleiben Sie bei Hitze gelassen
Während einer Hitzewelle sollten Sie Ihren Tag bewusst anders strukturieren als bei moderaten oder kalten Temperaturen. Versuchen Sie, diese Tipps umzusetzen:
Tage nicht zu stressig planen: Lassen Sie sich für alles, was Sie tun, mehr Zeit
Planen Sie mehrmals am Tag kurze Ruhepause ein
Sorgen Sie für kühle Luft zuhause und im Büro: Wenn möglich nachts lüften oder auf mobile Klimaanlagen zurückgreifen
Verzichten Sie auf fettiges, schweren Essen, um den Körper nicht zusätzlich zu belasten
Trinken Sie ausreichend
Nach etwa zehn Tagen hat sich der Organismus an hohe Temperaturen angepasst. Die Körpertemperatur wird dann effektiver über das Schwitzen reguliert und wir verlieren weniger Elektrolyte. Die Frage "Warum macht Hitze aggressiv?" verliert dann ein wenig an Schärfe.
Quellen:
Heat and Violence, in: journals.sagepub.com
Medizin: Hitze macht aggressiv, in: deutschlandfunknova.de
Aggression and violence around the world: A model of Climate, Aggression, and Self-control in Humans (CLASH), in: cambridge.org
Quantifying the Influence of Climate on Human Conflict, in: users.clas.ufl.edu