Liegt es am Stress, dass ich nicht schwanger werde?

„Entspann dich erstmal, sonst kann das ja nichts werden“ – diesen Ratschlag hören viele Frauen, bei denen die künstliche Befruchtung bisher nicht erfolgreich war. Doch er beruht auf einer falschen Annahme, wie eine neue US-Studie zeigt.
Eine künstliche Befruchtung geht meist mit vielen Strapazen für das Paar einher – die Frau muss sich einer belastenden Hormontherapie unterziehen, dazu kommt ein hoher finanzieller Aufwand und die bange Frage, ob der Kinderwunsch unerfüllt bleiben wird.
„Entspann dich erstmal“ – sinnloser Ratschlag?
Nicht jede künstliche Befruchtung führt zum Erfolg, weshalb es meist mehrerer Versuche bedarf, bevor eine Frau schwanger wird – wenn sich der Erfolg überhaupt einstellt. In dieser Situation hören Frauen häufig den Ratschlag, sich zu entspannen, abzuschalten und an anderes zu denken, um ihre Chancen auf eine Schwangerschaft durch zu viel Stress nicht noch mehr zu senken. Das kann bei Betroffenen den Eindruck erwecken, sie trügen selbst die Schuld an dem ausbleibenden Erfolg der Therapie – was den Stress verstärken und die Situation noch belastender machen kann.
Forscher um Jennifer Nicoloro an der Stony Brook University im US-Bundesstaat New York fanden in ihrer aktuellen Studie heraus: Der emotionale Zustand einer Frau spielt keine entscheidende Rolle dafür, ob die künstliche Befruchtung erfolgreich verläuft oder nicht.
Die Wissenschaftler werteten die Ergebnisse von 20 Studien aus, an denen insgesamt mehr als 4.000 Frauen teilgenommen hatten. Alle Probandinnen nahmen sogenannte „assistierte Reproduktionstechniken“ in Anspruch, das heißt, sie versuchten per künstlicher Befruchtung schwanger zu werden.
Alle berücksichtigten Studien befassten sich auch mit dem emotionalen Zustand der Frauen – also ob sie etwa an Stress, Angststörungen oder depressiven Verstimmungen litten. Das Ergebnis der Auswertung: Keines dieser Leiden steht in einem Zusammenhang mit dem Erfolg oder Misserfolg der Therapie.
„Unsere Ergebnisse bieten Hoffnung und Optimismus für die vielen Frauen, die sich emotional verantwortlich fühlen oder sich selbst die Schuld geben für die erfolglose Kinderwunschbehandlung“, so Studienautorin Marci Lobel.
Schadet Stress dabei, auf natürlichem Weg schwanger zu werden?
Anders sieht das bei dem Versuch aus, auf natürlichem Weg schwanger zu werden. In einer in dem Fachblatt „Fertility and Sterility“ veröffentlichten Studie fanden US-Forscher heraus, dass ein hohes Level des Stressproteins alpha-Amylase bei der Frau mit einer geringeren Erfolgsaussicht auf eine Schwangerschaft einhergeht.
„Insgesamt hatten die 25 Prozent der Frauen in der Studie mit den höchsten alpha-Amylase-Werten jeden Zyklus eine um rund zwölf Prozent reduzierte Chance schwanger zu werden im Vergleich mit den Frauen mit den niedrigsten Werten“, sagte die Erstautorin der Studie, Germaine Buck Louis.
Hilft Meditation, schneller schwanger zu werden?
Heißt das, Meditation und Entspannungstechniken erhöhen die Chance auf eine Schwangerschaft? Diese Frage wurde noch nicht hinreichend untersucht. Einzelne Studien weisen auf einen positiven Effekt von Gruppentherapien zum Stressmanagement hin, andere können keine solche Wirkung nachweisen. Die US-Wissenschaftler fordern darum weitere Studien, die sich mit der Auswirkung verschiedener Maßnahmen zum Stressabbau auf die Chancen von Frauen auswirken, schwanger zu werden.
Die bisherige Datenlage spricht eher dafür, dass Paare mit Kinderwunsch auch diesen Faktor wenn überhaupt, nur bedingt kontrollieren können. Stress sollte also nicht dazu führen, dass sich Paare mit Kinderwunsch schuldig fühlen, wenn dieser zunächst unerfüllt bleibt. Für Freunde und Angehörige von Paaren mit Kinderwunsch gilt: Auch, wenn Stress zumindest zum Teil eine Rolle spielt bei der Frage, wie schnell eine Frau schwanger wird – aus wissenschaftlicher Sicht ist die Aufforderung, sich zu entspannen, in keinem Fall zielführend. Sie führt höchstens zu mehr Stress und Belastung für die Betroffenen.
Allerdings gibt es Maßnahmen, die erwiesenermaßen die Chance auf eine Schwangerschaft erhöhen – wir haben Sie hier für Sie zusammengestellt.
Quellen:
Nicoloro-SantaBarbara, J. et al. (2018): Just relax and You'll get pregnant? Meta-analysis examining Women's emotional distress and the outcome of assisted reproductive technology, in: Social Science & Medicine.
Louis, G. M. B. et al (2011): Stress reduces conception probabilities across the fertile window: evidence in support of relaxation, in: Fertility and sterility.