Legasthenie hat oft unklare Ursachen

Aus der Serie: Legasthenie (Lese- und Rechtschreibstörung)

Legasthenie-Ursachen sind trotz einer Vielzahl von Untersuchungen zu diesem Thema bis heute nicht abschließend geklärt. Es gibt jedoch verschiedene Theorien zur Entstehung der Lese-Rechtschreibstörung.

Immer wahrscheinlicher erscheint nach verschiedenen Studien aus Europa und den USA heute die These, dass es für Legasthenie eine erbliche Veranlagung gibt. Forscher gehen davon aus, dass die Ursachen für eine Lese-Rechtschreibstörung zu 60 bis 70 Prozent angeboren sind. Veränderungen an fünf verschiedenen Stellen im Erbgut stehen im Verdacht, die Entstehung einer Legasthenie zu begünstigen. Ein erhöhtes Risiko haben vor allem jene Kinder, bei denen beide Elternteile unter einer Lese-Rechtschreibstörung leiden. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Störung sich zwangsläufig weitervererbt.

Erwachsener mit Legasthenie Dyslexie Probleme beim Lesen und Schreiben
Legasthenie zieht sich bei vielen Betroffenen bis ins Erwachsenenalter. Wird die Lese-Rechtschreibstörung nicht behandelt, treten immer wieder Probleme in der schriftlichen Kommunikation auf Foto: iStock

Eine wichtige Rolle beim Lernen der Schriftsprache spielt auch die auditive Wahrnehmung, genau genommen die Verarbeitung von Gehörtem. Legastheniker können normalerweise zwar ganz normal Töne hören, aber die Art, wie das Gehirn Sprache wahrnimmt und Laute verarbeitet, funktioniert bei ihnen anders. Die sogenannte Lautbewusstheit oder phonologische Bewusstheit ermöglicht es gesunden Menschen zum Beispiel, in Worten einzelne Laute wie „B“ und „T“ zu erkennen und korrekte Reime (wie „Haus“ und „Maus“) von unpassenden (wie „Raum“ und „Maus“) zu unterscheiden. Dies ist eine Fähigkeit, die sehr wichtig ist, um lesen und schreiben zu lernen, und die Legasthenikern sehr häufig Probleme bereitet.

Auch die Verarbeitung von optischen Eindrücken, vor allem die Art, wie geschriebene bzw. gedruckte Worte gesehen und wahrgenommen werden, spielt bei Legasthenie offenbar eine Rolle. In Studien waren die Gehirnbereiche, die für das Erkennen von Worten zuständig sind, bei Legasthenikern weniger aktiv als bei „normalen“ Lesern. Woran das liegt und ob es eine Ursache oder eine Folge der Legasthenie ist, ist unter Experten noch umstritten. Es gibt zum Beispiel die Theorie, dass Menschen mit Lese-Rechtschreibstörung ihre Blickbewegungen nicht so gezielt steuern können. Des Weiteren gibt es Hinweise darauf, dass Kinder und Jugendliche speziell Schwierigkeiten haben, sich geschriebene Worte zu merken, während sie andere graphische Symbole gut behalten und wiedererkennen können. Insgesamt schätzen Legasthenie-Forscher die Bedeutung der akustischen Wahrnehmung allerdings höher ein als die der optischen.

Wie stark andere Faktoren dafür verantwortlich sind, dass und wie sich eine Lese-Rechtschreibstörung entwickelt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Die Lese- und Schreibfähigkeiten der Eltern, ihr Bildungsstand und ihr Engagement bei der Förderung ihres Kindes kann bei der Ausprägung der Legasthenie bei einigen Kindern eine wichtige Rolle spielen. Derzeit wird außerdem untersucht, ob und inwiefern bestimmte Formen des Schulunterrichts die Sprachkompetenz beeinflussen – zum Beispiel, ob die Kinder vor allem nach Gehör schreiben oder von Anfang an Rechtschreibregeln lernen.