Lebensmittelunverträglichkeit: Darf ich das essen?

Ein Avocadobrot auf einem Holzbrett
Foto: iStock
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Immer mehr Menschen verzichten auf Brot, Milch oder Obst, weil sie glauben, an einer Lebensmittelunverträglichkeit zu leiden. Aber wann macht das Sinn – und wann nicht?

Laktosefreier Soja-Latte mit Zimtschaum oder glutenfreie Pizza aus Proteinmehl – klingt mehr nach Trend als nach Therapie, oder? Die Allergologin und Ernährungsmedizinerin Prof. Margitta Worm bestätigt: „Jeder vierte Deutsche denkt heute, von einer Lebensmittelunverträglichkeit betroffen zu sein. Tatsächlich leidet aber nur eine kleine Gruppe darunter.“

Eine Mitschuld am Vermeidungstrend trägt der böse Bruder des Placebos – der Nocebo-Effekt: Wir glauben, an einer Lebensmittelunverträglichkeit zu leiden, weil das Thema in der Öffentlichkeit sehr präsent ist – und entwickeln reale Symptome! Lassen wir jedoch Laktose ohne Grund weg, kann das sogar gesundheitsschädlich sein: „Der Verzicht auf Milchprodukte kann zu Kalziummangel führen, dies wiederum begünstigt Osteoporose“, warnt die Expertin.

Doch nicht nur poröse Knochen können zum Problem werden. Eine aktuelle Studie aus den USA zeigt: Menschen, die nicht unter Zöliakie leiden und nur wenig Gluten zu sich nehmen, leiden häufiger an Herzerkrankungen als Menschen mit einer hohen Gluten-Aufnahme. Der Zusammenhang wird auf den eingeschränkten Konsum von Vollkorn-Produkten zurückgeführt. Die darin enthaltenen Ballaststoffe und B-Vitamine haben nämlich eine herzschützende Wirkung.

Symptome einer Lebensmittelunverträglichkeit

Bei einer Lebensmittelunverträglichkeit zeigen sich Symptome wie Blähungen, Durchfall, Bauchschmerzen, Schwindel oder Hautausschläge, die kurz nach dem Essen auftreten. Der Körper verträgt bestimmte Nahrungsbestandteile aus verschiedenen Gründen nicht. Prof. Worm: „Intoleranzen sind meist genetisch bedingt und treten deswegen häufig schon im Kindesalter auf. Bei ihnen liegt ein Mangel eines Enzyms vor, das bestimmte Inhaltsstoffe in Lebensmitteln aufspaltet und dadurch leichter verdaulich macht.“ Entstehen sie erst im Laufe des Lebens, kann das verschiedene Ursachen haben: „Unter anderem können Darmerkrankungen oder chronische Entzündungen der Auslöser dafür sein.“ Die Schwere der Symptome hängt vom Grad der Lebensmittelunverträglichkeit ab.

Bauchkrampf durch Lebensmittelunverträglichkeit
Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall? Ob wir bestimmte Lebensmittel vertragen, hängt von verschiedenen Faktoren ab Foto: istock

Milch meiden?

Bei leichter Laktoseintoleranz kann ein Schuss Milch im Kaffee okay sein, ein Müsli nicht mehr. Das ist dann der Fall, wenn der Körper noch das Enzym Laktase produziert, allerdings zu wenig, um den Milchzucker vollständig abzubauen. Wenn auch der Schuss Milch zu viel ist, wird gar keine Laktase mehr hergestellt. Was hilft bei dieser Lebensmittelunverträglichkeit? Das Enzym vor dem Essen in Form von Tabletten zuführen oder auf laktosefreie Milchprodukte zurückgreifen.

Weg mit dem Getreide?

„Klassisch an Zöliakie – also Glutenunverträglichkeit – ist, dass die Erkrankung im Kindesalter auftritt“, erklärt die Expertin. Ein Gluten-Selbsttest aus der Apotheke kann einen ersten Hinweis auf die Erkrankung liefern. Ob es eine Glutensensitivität – also eine abgeschwächte Form der Zöliakie – gibt, ist nicht geklärt. „Versuche bei Mäusen haben allerdings gezeigt, dass im Weizen Bestandteile vorhanden sind, die Reizungen an der Darmschleimhaut auslösen können.“

Verbotene Früchte

Eine angeborene Fruktose-Malabsorption ist sehr selten. Eine erworbene Unverträglichkeit gegenüber Fruchtzucker betrifft dagegen geschätzt etwa 30 Prozent der Deutschen. Jedoch treten nur bei unter fünf Prozent davon Beschwerden auf. „Es kann helfen, Fruktose einige Wochen komplett zu meiden und den Konsum wieder langsam zu steigern. So können Betroffene erkennen, wie viel Fruchtzucker sie ihrem Körper zumuten dürfen“, empfiehlt Prof. Worm.

Wer dennoch unbesorgt zum Obstsalat oder Smoothie greifen möchte, kann spezielle einnehmen. Diese verbessern die Aufnahme des Fruchtzuckers, indem sie diesen in leicht verdaulichen Traubenzucker umwandeln. Ob es eine Histaminintoleranz gibt, ist hingegen noch unklar. Denn ein Mangel an abbauenden Enzymen konnte bisher nicht nachgewiesen werden. „Oft führen erst sehr große Mengen an histaminhaltigen Nahrungsmitteln zu Beschwerden, z. B. eine Kombination aus Rotwein, Camembert und Salami.“ Reagieren wir allerdings schon auf kleine Mengen mit Unwohlsein, sollten wir histaminhaltige Nahrung möglichst meiden.

Laktosefrei
Laktose- oder Fruktoseintoleranz? Ein Atemtest gibt Aufschluss. Bei Verdacht auf eine Histamin- oder Glutenunverträglichkeit wird vom Arzt Blut abgenommen Foto: istock

Achtung bei Allergien

Verzicht ist bislang die einzige verlässliche Option bei einer Nahrungsmittelallergie. Etwa zwei bis drei Prozent der Erwachsenen sind betroffen. Häufige Allergene sind Haselnuss, Sellerie, Krusten- und Schalentiere. „Innerhalb von 10 bis 20 Minuten zeigen sich juckende Quaddeln am Körper und Schwellungen an Auge und Mund. Es kommt zu Kreislaufbeschwerden und Atemnot“, sagt die Allergologin. Schon kleinste Nuss-Splitter im Kuchen können im schlimmsten Fall tödlich sein. Deswegen: bei Verdacht auf Lebensmittelunverträglichkeit unbedingt einen Allergietest beim Arzt machen!

Die üblichen Verdächtigen einer Lebensmittelunverträglichkeit

PraxisVITA erklärt, wann uns manche Nahrungsbestandteile Probleme bereiten können.

Gluten

Menschen, die unter der Autoimmunerkrankung Zöliakie leiden, vertragen das Klebereiweiß Gluten nicht. Getreidesorten wie Weizen, Roggen oder Dinkel lösen eine Abwehrreaktion des Immunsystems aus. Die Folge dieser Lebensmittelunverträglichkeit sind Entzündungen an der Dünndarmschleimhaut.

Gluten im Brot
Gluten ist Bestandteil der meisten Getreidesorten, wie Weizen, Roggen, Dinkel und Gerste Foto: istock

Laktose

Im Normalfall spaltet das Enzym Laktase den Milchzucker (in Joghurt, Käse & Co.), in die leicht verdaulichen Zucker Galaktose und Glukose. Bei einem Laktase-Mangel gelangt zu viel Laktose in den Dickdarm, wo sie von Darmbakterien vergoren wird. Dabei bilden sich vermehrt Gase, und es kommt zu Blähungen. Gleichzeitig bindet der Milchzucker Wasser im Darm, sodass Durchfall die Folge ist.

Laktose im Camembert
Menschen mit einer Laktoseintoleranz vertragen den Milchzucker – die Laktose – nicht Foto: istock

Fruktose

Kleine Transporteiweiße sorgen normalerweise dafür, dass Fruchtzucker über den Dünndarm ins Blut gelangt. Bei Unverträglichkeit ist der Transportmechanismus gestört, und es gelangt zu viel Fruchtzucker in den Dickdarm. Dieser führt dort zu ähnlichen Beschwerden wie Laktose.

Bei einer Fruktoseintoleranz treten Beschwerden nach dem Genuss von Obst auf Foto: istock

Histamin

Der körpereigene Botenstoff ist auch in bestimmten Lebensmitteln enthalten, wenn diese lange reifen (z. B. Tomaten, Rotwein, Bergkäse, Ananas, Erdbeeren). Vermutlich können einige Menschen Histamin weniger schnell abbauen und haben deswegen Beschwerden nach dem Essen.

Tomaten enthalten Histamin
Tomaten können bei einer Histaminintoleranz Symptome verursachen Foto: istock

Wenn das Bauchgefühl täuscht

Geschätzte Häufigkeit von Lebensmittelunverträglichkeiten

Laktoseintoleranz

  • Selbsteinschätzung der Befragten: 16 Prozent
  • von Experten geschätzter Anteil in der Bevölkerung: 15 Prozent

Histaminintoleranz

  • Selbsteinschätzung der Befragten: 11 Prozent
  • von Experten geschätzter Anteil in der Bevölkerung: 3 Prozent

Fruktose-Malabsorption

  • Selbsteinschätzung der Befragten: 10 Prozent
  • von Experten geschätzter Anteil in der Bevölkerung: 33 Prozent

Glutensensitivität

Selbsteinschätzung der Befragten: 9 Prozent

Zöliakie

  • von Experten geschätzter Anteil in der Bevölkerung: 0,4 Prozent

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