Lachgas bei der Geburt – Das sollten Schwangere wissen

Bei der Linderung von Wehenschmerzen könnte Lachgas eine Alternative zur Periduralanästhesie (PDA) darstellen. Wie funktioniert die Betäubung mit Lachgas und was müssen Schwangere beachten?
Die meisten schwangeren Frauen ersehnen den Augenblick, in dem sie ihr Kind endlich im Arm halten können. Auf den Moment, in dem die Wehen beginnen, und viele Stunden anhaltender Schmerzen vor den Frauen liegen, freut sich vermutlich keine Schwangere. Viele befürchten, die starken Geburtsschmerzen nicht durchzuhalten.
Auch die Aussicht auf eine zwar schmerzstillende aber zunächst sehr unangenehme Verabreichung einer PDA in den Wirbelkanal des Rückenmarks, sorgt bei vielen Schwangeren für Anspannung. Dass eine PDA in seltenen Fällen das Rückenmark verletzen kann, sorgt bei vielen werdenden Müttern ohnehin zum Ausschluss dieser Betäubungsvariante.
Wie also die Schmerzen überstehen? Professor Michael Abou-Dakn, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie im Berliner St. Joseph Krankenhaus spricht von einem psychosomatischen Schmerzmechanismus: „Die Frauen fühlen sich unsicher und haben Angst vor dem Schmerz, daraus entsteht eine innere Anspannung, die den tatsächlichen Geburtsschmerz noch verstärkt.“
Lachgas als sanfte Alternative zur PDA
Da dieses Problem auch vielen Geburtshelfern und Gynäkologen bewusst ist, setzt sich in den letzten Jahren eine schmerzfreie Variante zur PDA immer stärker durch: Lachgas. Das Gasgemisch wird über eine Maske eingeatmet und kann von der Gebärenden durch ihre Atemtiefe selbst dosiert werden. Zusätzlich zur Schmerzlinderung hat Lachgas eine Angst lösende, entspannende Wirkung, daher auch der Name der Gasmischung. Das Kind bleibt bei dieser Art der Betäubung laut Hersteller völlig unbeeinträchtigt.
Deutlich vorsichtiger formulierten es die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) 2014 in einer Stellungnahme. Sie schrieben: „Es kann derzeit nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass Lachgas das Potenzial hat, Mutter, Neugeborenes und Personal schädigen zu können.“ Dies müsste weiterhin erforscht werden.
Keine vollständige Sedierung
Lachgas wird schon seit dem letzten Jahrhundert zur Schmerztherapie eingesetzt. Vor allem Zahnärzte nutzen diese Art der Betäubung gerne, da viele ihrer Patienten Angst vor Spritzen haben.
Durch das Gasgemisch, das aus 50 Prozent Lachgas und 50 Prozent Sauerstoff besteht, wird der Geburtsschmerz nicht vollständig ausgeschaltet, auch bleibt die werdende Mutter die ganze Geburt über wach und beweglich. „Indem das Gasgemisch den Wehen die Spitze nimmt, wird der Geburtsschmerz so stark gedämpft, dass sich die Frau gut auf die Geburt konzentrieren kann“, erklärt Marion Grapini, Hebamme am Universitätsklinikum Erlangen. Ein weiterer Vorteil sei, dass die Lachgas-Mischung auch noch in einem sehr vorangeschrittenen Geburtsverlauf eingesetzt werden kann, dann nämlich, wenn es für eine PDA schon zu spät sei. Die schmerzstillende Wirkung von Lachgas tritt bereits nach wenigen Atemzügen ein und erreicht nach zwei bis drei Minuten ihr Maximum, so Grapini. Sobald die Schwangere die Maske absetzt, klingt die Wirkung des Lachgases ab. Auch hier liest sich die Stellungnahme von DGAI und DGGG deutlich zurückhaltender: „Randomisierte, kontrollierte Studien mit ausreichenden Fallzahlen, die eine signifikante Reduktion von Schmerzen durch die Inhalation von Lachgas im Vergleich zu Placebo demonstrieren, fehlen“, schreiben die Experten. Sie pochen auf weitere Studien.
Doch wie sicher ist eine Geburt mit Lachgas?
Wie bei fast allen Medikamenten, können auch bei der Anwendung von Lachgas Nebenwirkungen auftreten. In diesem Fall drohen bei einer Unverträglichkeit Schwindel, Übelkeit und Erbrechen. Allerdings können diese Nebenwirkungen nur während der tatsächlichen Verabreichung von Lachgas auftreten, da das Gas nach Entfernung der Maske innerhalb von wenigen Minuten abgeatmet wird. Der Anästhesist Dr. Jörg Weimann, schätzt die Verwendung von Lachgas als sehr sicher ein: „Die gute Steuerbarkeit durch das schnelle An- und rasche Abfluten und die Tatsache, dass Lachgas nicht verstoffwechselt wird, machen Lachgas zu einem sicheren Analgetikum“. Auch eine Studie, die 35.000 Anwendungen des Gases beobachtete, bescheinigt der Betäubungsform ein gutes Sicherheitsprofil.
Die Anwesenheit eines Anästhesisten ist bei der Anwendung – im Gegensatz zur PDA – übrigens nicht notwendig. Auch Hebammen und Geburtshelfer sind zur Verabreichung von Lachgas befähigt. Allerdings sollte bedacht werden, dass Lachgas allein und über einen Zeitraum von mehreren Stunden nicht immer zur Betäubung ausreicht, in einigen Fällen muss zusätzlich eine PDA von einem Anästhesisten oder Gynäkologen verabreicht werden.
In Deutschland noch nicht stark verbreitet
In Ländern wie Kanada, Australien, Finnland und Großbritannien wird Lachgas bei fast jeder zweiten Geburt eingesetzt. In Deutschland liegt die Rate nur bei etwa zehn Prozent. Das liegt aber mit Sicherheit daran, dass von etwa 1000 Geburtskliniken in Deutschland, zurzeit nur 111 Kliniken diese Art der Betäubung anbieten.