Krankschreiben wegen Stress: Bei zu viel Druck im Job zuhause bleiben?

Laut einer Studie ist die Arbeit Stressfaktor Nummer 1 in Deutschland. Aber darf man sich krankschreiben wegen Stress? Ja und nein.

Erschöpfte Frau am Schreibtisch
Foto: iStock/Rocky89

Müde, gereizt und unkonzentriert: Krankschreiben wegen Stress scheint an manchen Arbeitstagen die beste Lösung. Doch kann der Arzt eine Krankmeldung wegen Stress ausstellen, wenn keine schwerwiegendere Diagnose vorliegt?

Krankschreiben wegen Stress: Geht das?

Anders als zum Beispiel Depression ist Stress keine medizinische Diagnose und damit nicht in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) gelistet. Trotzdem kann Stress krank und in der Folge eine Krankmeldung wegen Stress notwendig machen.

"Stress, schlechter Schlaf oder Ärger mit dem Partner sind keine Krankheiten", erklärt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht, im Interview mit der "Deutschen Presse-Agentur". "Sie können aber Folgen, Begleiterscheinungen, Ursache oder Symptom einer Krankheit sein."

Möchte eine Ärztin oder ein Arzt jemanden krankschreiben wegen Stress, kann sie oder er auf der Krankschreibung, die an die Krankenkasse geht, den ICD-Code Z.73 eintragen. Dieser umfasst "Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung", zu denen neben Burnout auch körperliche oder psychische Belastung zählen.

Krankmeldung wegen Stress: Arbeit ist Stressfaktor Nummer 1

2021 führte die Techniker Krankenkasse zum dritten Mal nach 2013 und 2016 die deutschlandweite "TK Stressstudie" durch. Wie schon vor der Corona-Pandemie zeigte sich, dass der Großteil der Befragten am Arbeitsplatz gestresst ist. 47 Prozent der Teilnehmenden antworteten auf die Frage "Was führt hauptsächlich dazu, dass Sie sich gestresst fühlen?" mit "Arbeit". Das ist knapp jede:r zweite Arbeitnehmer:in. Krankschreiben wegen Stress ist also bei vielen Menschen ein Thema.

Auf Platz 2 landeten die hohen Ansprüche an sich selbst (46 Prozent), Platz 3 belegte eine schwere Krankheit eines nahestehenden Menschen (31 Prozent) als Stressfaktor.

Krankmeldung wegen Stress am Arbeitsplatz: Immer mehr Fehltage

Ein ähnliches Bild zeichnet der "Psychreport 2022" der DAK-Gesundheit, der die Entwicklungen der psychischen Erkrankungen im Job von 2011 bis 2021 analysiert. Zugrunde liegen die Daten von mehr als 2,4 Millionen Beschäftigten. Berücksichtigt wurden psychische Erkrankungen wie Depression und Anpassungs- oder Angststörungen.

Das Ergebnis: 2021 erreichte der Arbeitsausfall wegen psychischer Erkrankungen mit 276 Fehltagen je 100 Versicherte einen neuen Höchststand. Im Vergleich mit 2011 stieg das Niveau um 41 Prozent. Auch die Dauer eines psychischen Krankschreibungsfalls lag mit durchschnittlich 39,2 Tagen höher als jemals zuvor.

Zum Vergleich: 2011 lag die Zahl der Fehltage wegen psychischer Erkrankungen bei durchschnittlich 196 und die Krankheitsdauer bei 32,3 Tagen.

Krankschreiben wegen Überlastung: Diese Symptome ernst nehmen

Laut WHO ist Stress eine der größten Gesundheitsgefahren der Gegenwart. Chronischer Stress kann eine Vielzahl von Beschwerden und Krankheiten begünstigen und negativ beeinflussen – von Zähneknirschen bis Schlaganfällen. Krankschreiben wegen Stress ist also alles andere als Hysterie oder gar Wehleidigkeit.

Diese Symptome deuten auf zu viel Stress hin:

  • Erschöpfung

  • Konzentrations- und Motivationsschwierigkeiten

  • (Muskel-)Verspannungen

  • Kopfschmerzen

  • Bauch- und Magenschmerzen

  • Übelkeit

  • Verdauungsbeschwerden

  • Appetitlosigkeit

  • Schlafstörungen

  • Kreislaufprobleme

  • Depressive Verstimmungen

Wegen Stress krankschreiben: Steckt eine andere Krankheit dahinter?

Stress kann andere Krankheiten nicht nur befeuern. Er ist oftmals eine Begleiterscheinung anderer psychischer Erkrankungen, darunter Burnout, Depressionen und Angststörungen.

In der Neuauflage des ICD-Katalogs, der ICD-11, ist Burnout erstmals aufgenommen und wird als "Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet werden kann" definiert. Eine Krankschreibung wegen Burnout ist damit möglich und rückt auch Krankschreiben wegen Stress in ein neues Licht.

Krankschreibung wegen Stress: Wie lange darf ich zuhause bleiben?

Auch bei Krankschreiben wegen Stress gilt: Für eine Krankmeldung von bis zu drei Tagen muss in der Regel keine AU bei der Arbeitsstelle vorgelegt werden. Ab Tag Vier muss eine Krankschreibung an die/den Arbeitgeber:in gehen. Auf diesem Schreiben steht allerdings keine Diagnose. Diese ist lediglich auf der AU-Ausfertigung für die Krankenkasse notiert. Ob eine Krankmeldung wegen Stress erfolgt, erfährt die/der Arbeitgeber:in also nicht über den AU-Schein.

Die Dauer der Krankschreibung legt zunächst der behandelnde Arzt fest – im Idealfall in Absprache mit der vom Stress betroffenen Person.

Krankschreiben wegen Stress auf der Arbeit: Wen muss ich informieren?

Das Gesetz regelt ganz klar: Arbeitnehmer:innen, die sich krankschreiben lassen, müssen ihre:n Arbeitgeber:in zwar darüber aufklären, wie lange sie krank sind bzw. sein werden und eine AU vorlegen. Den Grund für ihr Fehlen müssen sie allerdings nicht offenlegen. Eine Krankmeldung wegen Stress am Arbeitsplatz muss also nicht offiziell als solche bezeichnet werden.

In einem vertrauensvollen, positiven Arbeitsklima darf man aber natürlich offen ansprechen, wenn man wegen Stress zum Arzt geht.

Krank machen wegen Stress: Auszeit bestmöglich nutzen

Anders als bei einer Krankmeldung wegen Grippe, bei der man das Bett hüten sollte, dürfen und sollen Betroffene nach dem Krankschreiben wegen Stress das Haus verlassen. Lange Spaziergänge, Sport im Freien und auch Wanderungen reduzieren Stress.

Diese Entspannungstechniken helfen zusätzlich bei der Stressreduktion:

Wegen Stress zum Arzt: Frühzeitig handeln

Viel zu häufig wird Stress als unumgänglich oder gar als Errungenschaft propagiert – vor allem in der Arbeitswelt. Wer gestresst durch seinen Job rennt und im Privatleben dann auch noch möglichst viel schafft, gilt als stark.

Dabei ist Stress im Job keine Auszeichnung, sondern auf lange Sicht schädlich für Psyche und Körper. Chronischer Stress kann über kurz oder lang nicht nur zu Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen führen. Forscher:innen haben außerdem festgestellt, dass Stress das Immunsystem unterdrückt und so Krankheiten und Infekte begünstigt.

Wer also feststellt, dass er im Alltag chronisch gestresst ist, sollte möglichst frühzeitig ein paar Gänge herunterschalten – dazu gehört auch das mögliche Krankschreiben wegen Stress, um Luft zu holen.

Quellen:

Neuer Höchststand bei Fehltagen durch psychische Erkrankungen in 2021, in: dak.de

Stress und Co.: Kann ich mich krankschreiben lassen?, in: zeit.de

Entspann dich, Deutschland! TK-Stressstudie 2021, in: tk.de