Krankhafter Perfektionismus: An diesen 5 Symptomen zeigt er sich
Perfektionismus ist nicht per se schlecht, denn er motiviert dazu, das Beste aus sich herauszuholen. Doch ganz anders liegt die Sache, wenn es um krankhaften Perfektionismus geht. Welche Symptome darauf hinweisen, das
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Menschen, die perfektionistisch sind, erzielen oft überdurchschnittliche Leistungen und sind gewillt, die beste Version ihrer selbst zu sein. Das verhilft ihnen zum Erfolg, vor allem im Beruf. Ein gesundes Maß an Perfektionismus ist daher gar nicht verkehrt. Doch das ständige Streben danach, Spitzenleistungen zu vollbringen, kann der Psyche extrem zusetzen. Krankhafter Perfektionismus ruft Symptome hervor, die Betroffene oftmals nicht mit dem eigentlichen Problem in Verbindung bringen können.

Was ist Perfektionismus?
Mit Perfektionismus ist das Streben nach Perfektion gemeint – nach Vollkommenheit und Fehlerlosigkeit. Menschen, die perfektionistisch sind, legen ein hohes Maß an Engagement und Motivation an den Tag und zeigen eine starke Leistungsorierentierung. Das schlägt sich in allen Lebensbereichen nieder, vor allem aber im Beruf.
Der Erziehungsstil gilt als Hauptfaktor für die Entstehung von Perfektionismus. Ein strenger und auf Leistung ausgerichteter Erziehungsstil fördert den Glaubenssatz beim Kind, sich keine Fehler erlauben zu dürfen. Perfektionismus kann aber auch als Reaktion auf Vernachlässigung oder Gleichgültigkeit der Eltern entstehen; das Streben nach Vollkommenheit und selbst gesetzte Ziele verleihen ein Gefühl von Struktur und Sicherheit.
Wer perfektionistisch veranlagt ist, muss nicht gleich eine:n Therapeut:in aufsuchen. Einen Krankheitswert hat Perfektionismus, wenn er negative Auswirkungen auf die Psyche und den Alltag der Betroffenen hat. Die Grenze zwischen funktionalem, normalen Perfektionismus einerseits und dysfunktionalem, krankhaften Perfektionismus andererseits ist nicht leicht zu ziehen. Es gibt aber entscheidende Unterschiede:
Funktionaler Perfektionismus umfasst Eigenschaften, die sowohl im beruflichen als auch im privaten Leben vorteilhaft sind und bei der Bewältigung von anspruchsvollen Aufgaben helfen, wie eine hohe Leistungsbereitschaft und Engagement. Wenn das Ergebnis nicht In vollem Maße ihren Erwartungen entspricht, können Menschen mit funktionalem Perfektionismus es akzeptieren.
Krankhafter Perfektionismus charakterisiert sich durch die Besorgnis, die gesetzten Ziele nicht zu erreichen und geht daher mit negativen Gefühlen einher. Betroffene definieren sich selbst über ihre Leistung und haben meist ein geringes Selbstwertgefühl – einen Fehler zu machen, bedeutet für sie, nicht liebenswert zu sein.
Durch überdurchschnittliche Leistungen versuchen sie Anerkennung von außen zu bekommen, da sie denken, dass ihr Umfeld genau so hohe Erwartungen an sie stellt wie sie selbst. Betroffene betreiben die größten Anstrengungen, um ein Scheitern zu vermeiden, was hohen inneren Druck und Stress verursacht.
Zwar kann Perfektionismus pathologisch sein, in der Internationalen Klassifikationsliste von Krankheiten (ICD-10) ist er jedoch nicht als eigentständige Erkrankung gelistet. Geht übertriebener Perfektionismus jedoch mit einem übergroßen Bedürfnis nach Ordnung und Kontrolle einher und ist damit ein hoher Leidungsdruck verbunden, sind die Kriterien einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung erfüllt.
Krankhafter Perfektionismus: Symptome und Anzeichen
Wodurch macht sich krankhafter Perfektionismus bemerkbar? Diese Symptome können darauf hinweisen:
Perfektionismus löst Versagensangst aus
Krankhafter Perfektionismus geht mit vielen Ängsten einher: der Angst nicht gut genug zu sein, den Erwartungen nicht zu entsprechen oder von anderen nicht wertgeschätzt zu werden. Ihnen allen liegt die Angst vor dem Versagen zugrunde. Wer vor wichtigen Prüfungen, Vorstellungsgesprächen oder Präsentationen von Gedanken über ein mögliches Scheitern gequält wird, zeigt Anzeichen eines dysfunktionalen Perfektionismus. Die Versagensangst kann dazu führen, dass Herausforderungen gar nicht mehr angegangen werden.
Die Angst vor dem Versagen geht Hand in Hand mit starken Selbstzweifeln und Selbstkritik. Betroffene leiden häufig parallel dazu unter dem sogenannten Impostor-Syndrom – auch Hochstapler-Syndrom genannt: Obwohl es dafür keine Anhaltspunkte gibt, denken Betroffene, nicht gut genug für ihren Job zu sein und fürchten, irgendwann „aufzufliegen“.
Prokrastination durch krankhaften Perfektionismus
Es gibt zwei verschiedene Arten, wie Betroffene auf perfektionistische Gedanken reagieren: entweder aktiv oder passiv. Entsprechend dazu unterscheidet man zwischen aktiven und passiven Perfektionismus. Letzterer äußert sich oftmals durch Prokrastination, die eigentlich im Widerspruch zum Leistungsgedanken steht. Die Versagensangst ist mitunter so groß, dass sie das Handeln blockiert.
Aufgaben, die von Bedeutung oder Wichtigkeit sind, werden immer wieder aufgeschoben, indem man sich anderen, unwichtigeren Aufgaben wie dem Hausputz oder dem Ausmisten des Kleiderschranks zuwendet. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich zu versagen oder ein schlechtes Ergebnis zu erzielen.
Dysfunktionaler Perfektionismus zeigt sich durch körperliche Beschwerden
Menschen mit dysfunktionalem Perfektionismus haben die höchsten Erwartungen an sich selbst. Gleichzeitig denken sie, dass auch ihr Umfeld das Beste von ihnen erwartet. Allein diese Gedanken, aber auch die daraus resultierenden Bemühungen, bloß keinen Fehler zu machen oder gar zu scheitern, bedeuten einen enormen psychischen Stress. Der Körper wird immer wieder mit Stresshormonen überflutet, was verschiedenste Beschwerden verursacht.
Zu den typischen körperlichen Stresssymptomen gehören Magen-Darm-Probleme, Verspannungen und Kopfschmerzen. Chronischer Stress kann darüber hinaus Konzentrationsschwierigkeiten und Leistungseinbußen zur Folge haben. Auf lange Sicht hin erodiert somit das Streben nach obsessiver Perfektion gerade das, was die Voraussetzung zur Erreichung hochgesteckter Ziele ist: die Leistungsfähigkeit.
Schlafstörungen können ein Symptom von Perfektionismus sein
Eine bevorstehende Prüfung, ein durchschnittliches Ergebnis oder fehlende Wertschätzung von Kolleg:innen oder dem Partner – das alles löst bei Menschen mit krankhaftem Perfektionismus nicht enden wollende Gedankenspiralen aus: Was ist, wenn ich auf eine Frage im Test keine Antwort weiß? Warum sieht keiner, wie viel ich leiste? Tue ich überhaupt genug?
Betroffene steigern sich besonders nachts in ihre Gedanken hinein und finden keinen Schlaf. Einschlaf- und Durchschlafstörungen können daher mitunter auf perfektionistisches Denken hinweisen, wie auch klinische und nicht-klinische Studien nahelegen. Betroffene berichten von einer verminderten Schlafqualität, die durch die psychische Belastung bedingt ist.
Krankhafter Perfektionismus kann sich durch Burnout bemerkbar machen
Wenn die Versagensangst der Motor für übermäßiges Engagement ist, handelt es sich um aktiven Perfektionismus – die Angst motiviert dazu, zu handeln und sich noch mehr anzustrengen. Zwar kann sich eine überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft besonders im beruflichen Kontext auszahlen. Allerdings birgt aktiver Perfektionismus das Risiko, sich zu verausgaben, was auf Dauer in ein Burnout münden kann.
Der Psychiater Raphael Bonelli erklärt im Interview mit dem Deutschlandfunk: „Die meisten [der Burnout-Patienten] sind im Grunde Perfektionisten, die im Hamsterrad der Arbeit waren, um wertgeschätzt zu werden und deswegen kein Gespür dafür haben, wann sie eigentlich Schluss machen sollten.“
Perfektionismus: Depression als mögliches Symptom
Verschiedene Studien konnten zudem einen Zusammenhang zwischen krankhaftem Perfektionismus und Depressionen herstellen. Ein vermindertes Selbstwertgefühl spielt hier als Vermittler eine große Rolle: Je geringer es ist, desto stärker ist der Perfektionismus ausgeprägt und desto höher ist das Risiko für eine depressive Verstimmung.
Das Gefühl, nicht gut genug zu sein und Perfektion niemals erreichen zu können, schlägt sich zwangsläufig negativ auf das Seelenleben nieder. Neben Depressionen zählen auch Angst- und Essstörungen zu den möglichen Begleiterscheinungen von krankhaftem Perfektionismus.
Krankhafter Perfektionismus: Therapie als wirksamen Hilfe
Ist der Perfektionismus so stark ausgeprägt, dass man darunter leidet, ist eine Therapie angeraten. Als besonders wirksam hat sich die kognitive Verhaltenstherapie erwiesen. Mit ihr lassen sich negative, den Perfektionismus aufrechterhaltende Glaubenssätze durch positive Affirmationen ersetzen.
Im Mittelpunkt der Therapie steht außerdem die Stärkung des Selbstbewusstseins, der Umgang mit Misserfolgen und das Erlernen von Achtsamkeit und Gelassenheit. Ziel ist es, die eigenen Grenzen zu erkennen und sich nicht mehr über seine Leistung zu definieren. Hängt der Selbstwert nicht mehr davon ab, wie viel man leistet, lässt sich krankhafter Perfektionismus und seine Symptome überwinden.
Wenn Sie sich ständig erschöpft und ausgebrannt fühlen, sollten Sie einen Termin bei Ihrem Hausarzt bzw. Ihrer Hausärztin vereinbaren und darüber sprechen. Ein unbehandeltes Burnout-Syndrom birgt die Gefahr für psychische Folgeerkrankungen, wie zum Beispiel Angsterkrankungen, Depression oder auch Drogensucht.
Bei akuten Sorgen oder Ängsten können Sie sich jederzeit anonym an die Telefonseelsorge unter den Telefonnummern 0800/111 0 111 oder 116 123 wenden. Über Behandlungsmöglichkeiten informiert zum Beispiel die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) unter der Telefonnummer 0800 0 11 77 22. Auch Psychologische Beratungsstellen stehen Betroffenen zur Seite.
Wenn Sie nicht selbst betroffen sind, aber Burnout-Symptome bei anderen bemerken, nehmen Sie diese Symptome ernst und helfen ihm/ihr ggf. dabei, professionelle Hilfe zu suchen. Besteht akute Krisensituation, verständigen Sie sofort den Rettungsdienst unter 112 oder fahren Sie in eine psychiatrische Notaufnahme.
Quellen:
Die Angst vor der Durchschnittlichkeit, in: deutschlandfunk.de
Das ideale Selbst der Perfektionisten, in: psychologie-heute.de
Perfektionisten schlafen schlecht, in: springermedizin.at