Krank durch zu enge Kleidung

Korsett kann zu Inkintinenz führen
Wenn Sie ein Korsett tragen, werden die Verdauungsorgane und die Nieren nach unten gedrückt. Dadurch können sie nicht mehr richtig arbeiten – Inkontinenz wird begünstigt Foto: Fotolia

Wer schön sein will, muss leiden? Das stimmt nicht! Bevor die Hose zu eng wird, kaufen Sie lieber eine Nummer größer, ansonsten besteht die Gefahr einer Inkontinenz.

Der Bauch soll nicht zu sehen sein, das Dekolleté dafür schon. Figurformende Wäsche scheint da die Lösung zu sein. Sich in eine Bauchweg-Hose zu zwängen, ist für viele verlockender als Diät und Sport. Gesünder ist es allerdings nicht. Die Organe haben im Körper ihren angestammten Platz. Und den brauchen sie auch, um zu funktionieren.

Wenn die Hose zu eng ist, kann es zu Inkontinenz kommen

Das älteste erhaltene Korsett stammt aus dem Jahr 1562. Seit dieser Zeit war die Wespentaille für Jahrhunderte das weibliche Schönheitsideal. Und unzählige Edeldamen bezahlten das mit wiederholten Ohnmachtsanfällen. Denn das Korsett drückt den Brustkorb nach oben und engt die Lunge ein. Die Atemzüge werden dadurch kurz und flach, das Zwerchfell kann nicht mehr richtig arbeiten.

Zum Glück zwängen sich heute nur noch wenige Frauen in Korsetts. Doch auch moderne Kleidung betont gern die schlanke Taille. Ist sie zu eng, können sich ähnliche Folgen wie bei den Korsett-Trägerinnen einstellen: Die Verdauungsorgane und die Nieren werden nach unten gedrückt und können nicht mehr richtig arbeiten. Es kann dann unter Stress, etwa beim Husten oder Niesen, wenn Druck nach unten abgeleitet wird, sogar zu Inkontinenz kommen. Belastet wird auch die Gebärmutter. Das kann so weit führen, dass die Periode ausbleibt. Kleidung, die den Bauch verschwinden lässt, drückt gleichzeitig die Lendenwirbelsäule ins Hohlkreuz. Das kann auf Dauer zu Haltungsschäden führen. Zu stark stützende Kleidung lässt zudem die Rückenmuskeln verkümmern. Rückenschmerzen sind die fast unvermeidliche Folge.

Atembeschwerden und Schmerzen durch zu enge BHs

Zu Muskelschwund können auch zu eng anliegende Push-up-BHs führen, die bei vermeintlich zu kleinen Brüsten für ein üppiges Dekolleté sorgen sollen. Diese Büstenhalter behindern die Bewegung der Schlüsselbeine und der oberen Rippen. Die betroffenen Frauen leiden unter Atembeschwerden und Schmerzen.

Zu enge Hose schadet dem Rücken

„Grundsätzlich schränkt zu enge Kleidung die Beweglichkeit ein", sagt die Physiotherapeutin Ute Merz aus Köln. Manchmal erfordere ein zu enges Beinkleid sogar eine Art Zwangshaltung. „Ist beispielsweise die Hose zu eng und der Knopf geht nur mit Baucheinziehen zu, dann ist eine aufrechte Sitzposition in diesem Kleidungsstück praktisch unmöglich", erklärt Ute Merz. Um das zwangsläufige Kneifen der Hose zu vermeiden, sitzen wir mit runden Rücken am Schreibtisch. „Das führt auf Dauer ganz sicher zu Muskelverspannungen", so die Expertin.

Eine Folge der Schonhaltung sind Nackenschmerzen. „Zum einen durch die Verspannungen und zum anderen durch die Kopfhaltung, die sich durch die krumme Sitzposition ergibt." Denn um geradeaus schauen zu können, muss die Halswirbelsäule überstreckt werden.

Flache Atmung durch zu engen BH

Doch nicht nur die Hose kann sich als Übeltäter entpuppen. „Sitzt der BH zu eng, ist ebenfalls eine freie Beweglichkeit des Oberkörpers schwer möglich", sagt die Physiotherapeutin. Ein zu kleiner Büstenhalter engt außerdem den Brustkorb ein und macht so tiefes Einatmen unmöglich. Die Atmung wird dadurch immer flacher. Und das kann weitreichende Folgen haben.

Denn je weniger Luft wir bei jedem Atemzug in die Lungen pumpen, desto weniger Sauerstoff gelangt auch ins Blut und damit ins Gehirn – wir fühlen uns schlapp und müde. Außerdem kann es passieren, dass der Körper auf die dauernde Unterversorgung mit Hyperventilieren reagiert. Dadurch ändert sich der pH-Wert des Blutes, was zu Stress bis hin zu Panikattacken führen kann.

Bakterien mögen Wärme

Zu Beschwerden ganz anderer Art können zu enge Slips führen, zumal wenn sie aus synthetischem Material bestehen. Denn dann schaffen sie auf der Haut ein Klima, in dem sich Krankheitserreger ganz besonders wohlfühlen. Frauen riskieren so Pilzinfektionen und Blasenentzündungen.

String-Tangas machen es Bakterien besonders leicht, aus dem hinteren in den vorderen Intimbereich zu gelangen und dort Entzündungen zu verursachen.

Zu enge Hose
Wenn eine Hose zu eng ist, sind wir beweglich eingeschränkt. Das führt auf Dauer zu Muskelverspannungen Foto: Fotolia

Übrigens sollten auch Männer nicht zu enge Unterwäsche tragen. Denn die Natur hat es nicht ohne Grund so eingerichtet, dass die Hoden außerhalb des Körpers liegen: Sie vertragen keine Hitze. Zu enge Slips aber erzeugen einen Wärmestau, der Männer unfruchtbar machen kann.

Physiotherapie kann der Muskulatur helfen

„Kleidung sollte passen, ohne einzuschnüren", sagt Ute Merz. Das gilt für den Hosenbund, für Ärmelenden, den BH, aber auch für Socken. „Überall da, wo Kleidung länger auf die Haut drückt oder gar einschneidet, hat sie Einfluss auf die Blutzirkulation der Haut, auf den Fluss der Lymphflüssigkeit und auch auf die Spannung der Muskulatur."

Auf lange Sicht kann zu enge Kleidung zu massiven Einschränkungen führen. Dann kann Physiotherapie helfen. „Ziel aller Maßnahmen ist es, die volle Beweglichkeit der Wirbelsäule wiederherzustellen und Muskelverkürzungen zu therapieren", sagt Ute Merz. „Darüber hinaus ist ein Training der Rückenmuskulatur wichtig."