Kobaltvergiftung: "Mein künstliches Hüftgelenk hätte mich fast umgebracht"

Kobaltvergiftung durch künstliches Hüftgelenk – ist das möglich? Ja, denn bei Metall-Prothesen kann es vermehrt zu Metallabrieb kommen, der sich im ganzen Körper verteilen kann. Die Folge: Eine chronische Vergiftung mit Kobalt und Chrom. Wie eine Kobaltvergiftung diagnostiziert und behandelt wird, zeigt der Fall eines Betroffenen.

Künstliches Hüftgelenk
Der Abrieb an der Metallprothese kann eine Kobaltvergiftung auslösen Foto: iStock/Christoph Burgstedt

Wie kann das sein: Kobaltvergiftung durch ein neues Hüftgelenk? Diese Frage kam Dirk Meisner (Name von Red. geändert) noch nicht in den Sinn, als seine Hüfte zunehmend Probleme machte. 2001 bekam der Bauunternehmer ein künstliches Hüftgelenk aus Keramik eingesetzt, das ihm neue Beweglichkeit verschaffte. Damit könnte er alt werden, dachte er. Doch dann das Drama: Im November 2010 stolpert Meisner auf der Treppe, stürzt und bricht sich das künstliche Hüftgelenk.

Ein neues Hüftgelenk muss eingesetzt werden, dieses Mal aus Metall. Dann der Albtraum nach der Hüft-OP der: Der Patient konnte nicht richtig sehen und hören, das Herz machte schlapp. Die Ärzte ratlos – bis ein Professor eine Folge der Serie "Dr. House" sah und feststellen musste: Der Patient hatte eine Kobaltvergiftung durch das Hüftgelenk entwickelt.

Kobalt-Chrom-Vergiftung: Symptome sind vielfältig

Sechs Monate nach der erneuten Hüft-OP bekommt Dirk Meisner plötzlich hohes Fieber. "Wenig später konnte ich plötzlich nichts mehr hören", erzählt er. Auch das Herz wird immer schwächer. "Trotz Medikamenten konnte ich kaum atmen." Die Ärzte vermuten zunächst einen Virus. Auch die Augen werden zunehmend schlechter und haben nur noch zehn Prozent Sehkraft. Daraufhin erhält der Patient die Diagnose "Grauer Star"; anschließend werden ihm neue Linsen eingesetzt.

Das schwache Herz wird jedoch zunehmend zum Problem. Eine Transplantation scheint die einzige Lösung zu sein. Der Kardiologe überweist ihn in die Marburger Uniklinik. Dort kommt Meisner sofort auf die Intensivstation. "Für meine Kinder war es schlimmer als für mich. Ich habe kaum noch etwas wahrgenommen." Hier trifft er seinen Lebensretter: Professor Jürgen Schäfer, ein Spezialist für ungewöhnliche Krankheiten am Universitätsklinikum Gießen/Marburg – ähnlich wie der bekannte TV-Arzt Dr. House.

Kobalt-Hüftgelenk: Metallabrieb als Ursache für Kobaltvergiftung

Prof. Jürgen Schäfer stellt endlich die richtige Diagnose: Kleine Splitter des zerbrochenen Keramikgelenks hatten sich in das Metallgelenk gesetzt. "Die Partikel sorgten für Abrieb an der Metallprothese", erklärt der Experte. Die Folge: Der gesamte Körper von Dirk Meisner hatte sich mit Kobalt vergiftet. Er bekommt sofort Entgiftungstabletten und das Gelenk wird wieder ausgetauscht. Keine Minute zu früh – denn um das Gelenk war bereits alles schwarz verfärbt. Doch während der dreistündigen Hüft-Operation kollabiert Meisners Herz. "Mein Hüftgelenk hätte mich fast umgebracht", sagt er.

DIe Kobaltvergiftung konnte zwar behandelt werden, doch die gesundheitlichen Folgen der Vergiftung sind für ihn gravierend: Ein Herzschrittmacher kann seine Herz-Leistung zwar auf 45 Prozent bringen, doch es bleibt, genau wie Augen und Ohren, irreparabel geschädigt. Seine Augen haben 30 bzw. 50 Prozent Leistung, das Gehör 30.

Wie geht es ihm heute? Dirk Meisner ist zu 80 Prozent schwerbehindert. Jeden Tag nimmt er zwölf Tabletten, da der Kobalt-Wert noch immer um das 50-Fache erhöht ist. Arbeiten kann er nicht mehr, sein Sohn Jonas führt die Firma weiter. Der Vater erzählt jedoch stolz: "Wenn es was Gutes hatte, dann dass die Familie eng zusammengerückt ist. Ohne diese Unterstützung hätte ich es nie gepackt."

Kobaltvergiftung durch Hüftgelenk: Serie "Dr. House" gibt entscheidenen Hinweis

Die erfolgreiche Krankenhaus-Serie mit Dr. House begeistert Millionen von Menschen auf der Welt – so auch Prof. Jürgen Schäfer, der 2013 das "Zentrum für unerkannte und seltene Erkrankungen" an der Uniklinik Gießen/Marburg gründete. Die Serie habe Schäfer im Fall von Dirk Meisner den entscheidenden Hinweis geliefert: "Es hat mir geholfen, dass ich eine Folge von 'Dr. House' ('Spießrutenlauf') für den Unterricht genutzt hatte. Dort erlitt eine Patientin eine Kobaltvergiftung nach einer Hüft-OP." Doch diese seltene Komplikation habe in diesem Fall nichts mit der Metallprothese zu tun, sondern sei eher einem Behandlungsfehler während der Operation zuzuschreiben. Wer eine solche Prothese habe, müsse sich prinzipiell keine Sorgen machen.

Dank der Entdeckung von Prof. Jürgen Schäfer, die er zusammen mit Kolleg*innen in Fachblatt "Lancet" genauer dargestellt hat, konnte bereits vielen anderen Patient:innen mit einer Kobaltvergiftung durch Hüftgelenk das Leben gerettet werden.

Quelle:

Dahms, K., Sharkova, Y., Heitland, P., Pankuweit, S., & Schaefer, J. R. (2014). Cobalt intoxication diagnosed with the help of Dr House. The Lancet, 383(9916), 574.