Keuchhusten ist auch für Erwachsene sehr belastend
Lange galt er als Kinderkrankheit. Doch heute leiden vielfach auch Erwachsene an Keuchhusten und bilden mit 66 Prozent sogar den Großteil der Betroffenen. Das Problem: Der Verlauf ist bei ihnen oft untypisch. Das heißt, die Betroffenen haben keine Hustenkrämpfe mit keuchendem Atemgeräusch, sondern einfach einen sehr lang anhaltenden, „normalen“ Husten. Daher wird der Keuchhusten nicht erkannt und bleibt unbehandelt – eine Gefahr für die Erkrankten selbst wie auch für ihr Umfeld. Prof. Dr. Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (STIKO), erklärt, warum Impfschutz hier und generell so bedeutsam ist.

Prof. Dr. Mertens, warum ist ein Impfschutz überhaupt so wichtig?
Impfungen gehören neben der Hygiene zu den wichtigsten und erfolgreichsten Maßnahmen, die jemals in der Medizin entwickelt und eingeführt worden sind. Sie schützen vor Infektionen und Erkrankungen. Es ist sogar möglich, bestimmte Krankheitserreger weltweit auszurotten – wie es etwa bei den Pocken und größtenteils auch bei der Kinderlähmung gelungen ist. Damit unterscheiden sich Impfungen auch grundsätzlich von Behandlungen bereits bestehender Erkrankungen. Gerade die aktuelle Situation zeigt uns wieder, dass man das Problem alter und neuer Infektionskrankheiten letztlich nur mit Hilfe einer Impfung lösen kann.
Weshalb sollten die Menschen Erkrankungen, gegen die geimpft wird, nicht einfach durchmachen?
Weil alle diese Erkrankungen erhebliche medizinische Komplikationen nach sich ziehen können. Es gibt auch viele Menschen in unserer Bevölkerung, die ein größeres Risiko für schwere Krankheitsverläufe haben. Diese gilt es durch Gemeinschaftsschutz, die sogenannte Herdenimmunität, mit zu schützen. Die Gefährlichkeit dieser Krankheiten ist gerade durch den großen Erfolg der Impfungen nicht mehr allgemein bewusst, was leider auch zu einer veränderten Risikowahrnehmung geführt hat.
Jeder, der sich impfen lässt, nutzt damit auch anderen: Herdenimmunität ist ein wichtiger Effekt, um einige Infektionskrankheiten einzudämmen. Dahinter steckt die Idee, dass nur ausreichend viele Menschen (ca. 60-90 Prozent) einer Bevölkerung immun sein müssen – durch Impfung oder nach Erkrankung –, um Infektionsketten zu verhindern. Der Erreger findet dann kaum noch Menschen, in denen er sich vermehren kann. Herdenschutz ist zudem enorm wichtig für alle Personen, die nicht geimpft werden können – chronisch Kranke etwa oder Neugeborene. Für letztere empfehlen Experten zudem das Prinzip des „Cocooning“ – etwa bei Krankheiten wie Keuchhusten. Es bedeutet, dass alle Menschen, die in Kontakt mit dem Baby kommen – beispielsweise seine Eltern, Geschwister oder auch die Großeltern – geimpft sein sollten.
Apropos Wahrnehmung: Während Grippe-, Masern- und Corona-Impfung aus aktuellem Anlass Thema waren und sind, wird über Keuchhusten-Impfungen kaum diskutiert. Wer ist überhaupt gefährdet, daran zu erkranken?
Keuchhusten kann jeder bekommen. Besonders gefährlich ist er für Neugeborene und Säuglinge. Problematisch ist daher, dass die Mehrzahl schwangerer Frauen in westlichen Ländern kaum Antikörper dagegen im Blut hat. Ein Schutz ihrer Kinder durch Antikörper-Übertragung ist daher unwahrscheinlich. Keuchhusten ist aber auch bei Erwachsenen häufig und sehr belastend. Leider schützt weder die durchgemachte Infektion noch die Impfung länger als einige Jahre gegen die Krankheit. Deshalb empfiehlt die STIKO Auffrisch-Impfungen für Erwachsene – vor allem für Schwangere, bei denen sie nachweislich zu hohen Antikörper-Konzentrationen führt und so Neugeborene bis zu drei Monate gegen Keuchhusten schützt.
Wie oft muss die Keuchhustenimpfung bei Erwachsenen aufgefrischt werden?
Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, da der Abfall der schützenden Antikörper bei Menschen individuell etwas verschieden verläuft. Für Erwachsene empfiehlt die STIKO derzeit eine Keuchhusten- Auffrischimpfung mit der nächsten Tetanus-Auffrischung. Es ist gut möglich, dass eine häufigere Auffrisch-Impfung nach Auswertung aller Daten später empfohlen wird. Frauen sollten künftig bei jeder Schwangerschaft geimpft werden.
Kann man trotz Impfung an Keuchhusten erkranken oder kann der Impfstoff die Krankheit sogar erst auslösen?
Die Impfung kann Keuchhusten nicht auslösen. Aber der Schutz ist – wie nach Erkrankung auch – nicht hundertprozentig und lässt über die Zeit nach.
Wie lässt sich Keuchhusten erkennen?
Neben allgemeinen Infektzeichen vor allem durch hartnäckigen, langanhaltenden Husten, der bei Säuglingen zu bedrohlicher Atemnot führen kann.
Wie ansteckend ist er?
Sehr. Die Ansteckung erfolgt vor allem als Tröpfcheninfektion über die Atemwege, also über Husten, Niesen oder Sprechen. Neben den bereits erwähnten Säuglingen und Kleinkindern sind Menschen mit Vorerkrankungen besonders gefährdet.
Warum gibt es für Keuchhusten nur einen Kombi-Impfstoff, der zugleich auch eine Tetanus- und Diphtherie-Komponente beinhaltet? Kann das nicht das Immunsystem, speziell von kleinen Kindern, überfordern?
Das Immunsystem ist von Natur aus darauf ausgelegt, sich mit sehr, sehr vielen Antigenen – Stoffen, die es als fremd erkennt – auseinanderzusetzen und kann so nicht überfordert werden. Ein Einzelimpfstoff wäre bei Keuchhusten durchaus wünschenswert, allerdings richtet sich die Verfügbarkeit eines Impfstoffes nach der internationalen Nachfrage und nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
Welche Nebenwirkungen können bei einer Keuchhusten-Impfung tatsächlich auftreten?
Reaktionen an der und um die Injektionsstelle sind bei Kindern und Erwachsenen möglich. Auch vorübergehendes Fieber und Müdigkeit kommen vor. Bei Erwachsenen wird über Kopfschmerzen und Magen-Darm-Beschwerden berichtet.
Wie kann man sich sonst noch gegen Keuchhusten schützen?
Wie bei allen Infektionskrankheiten indem man Kontakt mit Infizierten und Erkrankten vermeidet. Das ist im täglichen Leben allerdings nicht immer so leicht möglich. Deshalb empfiehlt die STIKO, sich mit der nächsten fälligen Tetanus- Impfung auch gegen Keuchhusten impfen zu lassen.
Unser Experte: Dr. Thomas Mertens, Vorsitzen¬der der Ständigen Impfkommission (STI¬KO)