Karpaltunnel-Syndrom: Mini-OP behebt meist alle Beschwerden

Kleiner Hautschnitt bei Karpaltunnel-Syndrom-OP
Bei einem Karpaltunnel-Syndrom behebt ein operativer Eingriff die Beschwerden meist sofort. Für die endoskopische Operationstechnik ist ein nur 1,5 Zentimeter langer Hautschnitt in Handgelenkshöhe erforderlich Foto: Fotolia

Die Finger schmerzen, kribbeln oder fühlen sich manchmal taub an? Dann leiden Sie vielleicht unter einer Einengung des Handgelenk-Tunnels: dem Karpaltunnel-Syndrom (KTS). Jeder zehnte Deutsche ist davon betroffen, besonders Frauen über 50. Viele wissen nichts von ihrem Leiden – und gehen viel zu spät zum Arzt.

Warum es so wichtig ist, das Karpaltunnel-Syndrom frühzeitig zu erkennen, und was gegen die Beschwerden hilft, erklärt Dr. Tobias Weber, Orthopäde aus Hamburg:

Wie kommt es zum KTS?

Meistens entsteht das Karpaltunnel-Syndrom, wenn zu einer angeborenen anatomischen Enge eine Gewebeschwellung hinzukommt und der mittlere Handnerv dann komprimiert wird. Ursache für diese Schwellung können eine dauerhafte Überlastung der Hand, hormonelle Schwankungen oder wiederholte Sehnenscheiden-Entzündungen sein.

Wie wird die Diagnose KTS denn gestellt?

Typisches Erstsymptom sind nächtlich auftretende Schmerzen oder Missempfindungen wie Kribbeln oder Einschlaf-Gefühl der ersten drei Finger oder sogar der ganzen Hand. Feine Arbeiten mit Zeigefinger und Daumen können nicht mehr schmerzfrei ausgeführt werden, Gegenstände fallen aus der Hand, der Daumenballen ist etwas eingefallen und nicht mehr so kräftig. Oft tritt das Krankheitsbild beiderseits auf. Durch Hängenlassen, Ausschütteln oder Massieren der Hand bessern sich die Beschwerden für kurze Zeit. Für den Arzt ist die Anamnese, also die Vorgeschichte des Patienten und seiner Beschwerden, wichtig. Beweisend ist aber erst die Messung der Nerven-Leitgeschwindigkeit beim Neurologen. Diese ist bei einer vorliegenden Nerveneinengung im Karpaltunnel verzögert.

Was passiert, wenn gar nicht behandelt wird?

Die Symptome würden irgendwann unerträglich, die Hand wäre kaum noch einsetzbar, da die Kraft mehr und mehr schwände. Würde man gar nicht eingreifen, nähme irgendwann der Nerv und damit auch die Muskulatur am Daumenballen dauerhaften Schaden. Allerdings kommt es in der Praxis sehr selten so weit, denn das Karpaltunnel-Syndrom ist gut zu behandeln. Allerdings hängt der Therapieerfolg wesentlich von der Dauer und dem Ausmaß der bisherigen Schädigung ab. Deswegen ist es auch so entscheidend, frühzeitig einen Arzt aufzusuchen.

Wie sieht die Therapie aus?

Im Anfangsstadium kann die Erkrankung konservativ, also zum Beispiel durch Ruhigstellung erfolgen: In speziellen Nachtschienen oder durch geformte Stützverbände, die vom Sanitätsfachhandel auch für tagsüber angeboten werden. Als unterstützende oder alternative Therapie können entzündungshemmende und schmerzstillende Medikamente eingenommen werden. Eine Kältetherapie zur Senkung der Entzündungsaktivität oder eine Wärmetherapie zur Durchblutungsförderung werden ebenfalls angewandt.

Wann kommt man um eine OP nicht mehr herum?

In der überwiegenden Anzahl ist eine Operation unumgänglich: Wenn die konservative Therapie erfolglos bleibt und auch der Neurologe durch Messungen eine Veränderung am Nerv festgestellt hat. Die meisten Fälle sind so unkompliziert, dass eine operative Karpaltunnel-Spaltung sofort sämtliche Beschwerden behebt. Falls vor der OP schon permanente Gefühlsstörungen, Missempfindungen oder eine Muskelschwäche bestanden haben, können Beschwerden zurückbleiben.

Was wird bei der OP gemacht?

Der Eingriff kann in der Regel ambulant und unter lokaler Betäubung erfolgen: Mittels einer sogenannten Plexus-Anästhesie wird nur der Arm betäubt. Sehr ängstliche Patienten bekommen eine Vollnarkose. In der bisher üblichen Operationstechnik muss man sich über einen größeren Hautschnitt in der Handfläche Zugang zu dem oben beschriebenen derben Bindegewebsband verschaffen. Dieses wird dann durchtrennt. So hat der Nerv wieder ausreichend Platz.

Wann müssen Sie zum Arzt gehen?

1. Wenn Sie nachts aufwachen, weil Daumen-, Zeige- und Mittelfinger oder sogar die ganze Hand eingeschlafen sind, schmerzen oder stark kribbeln.

2. Wenn sich die Beschwerden durch Ausschütteln oder Massieren bessern und Ihr Daumenballen etwas eingefallen ist.

3. Wenn Ihnen Feinarbeiten mit Daumen und Zeigefinger schwerfallen oder schmerzen, die Finger taub sind.

4. Wenn Ihre Handkraft nachgelassen hat, Sie z. B. nur noch schwer greifen können

Was ist der Vorteil der Schlüsselloch-Technik?

Bei der endoskopischen Operationstechnik ist ein nur 1,5 Zentimeter langer Hautschnitt in Handgelenkshöhe erforderlich. Hier wird das Bindegewebsband mit einem speziellen Gerät unter Video-Kontrolle durchtrennt. Der Vorteil dieser ‚minimal-invasiven’ Methode liegt in der kleinen Schnittführung und der schonenden Operationstechnik. Hierdurch sind spätere Narbenprobleme deutlich seltener. Im Vergleich zur offenen Operation ist allerdings die Gefahr einer Nervenverletzung und der nur unvollständigen Durchtrennung des Bindegewebsbandes erhöht. Daher sollte die endoskopische Technik nur von geübter Hand angewandt werden.

Wie schnell ist die Hand nach der OP wieder einsatzfähig?

Ein Verband und eine Ruhigstellung der Hand in einer Schiene ist nur für wenige Tage nötig. Die Fäden können nach sieben bis zehn Tagen entfernt werden. Eine frühe Behandlung mit Krankengymnastik und Bewegungsübungen der Finger ist ebenfalls sinnvoll. Dann ist die Hand in den meisten Fällen nach ein bis zwei Wochen wieder voll einsatzfähig.