Inkontinenz (Harn- und Stuhlinkontinenz)

Als Inkontinenz bezeichnen Ärzte die Unfähigkeit, die Ausscheidung von Urin (Harninkontinenz) oder Stuhlgang (Stuhlinkontinenz) willentlich zu steuern. Stattdessen entleeren sich die Blase oder der Darm spontan und unkontrolliert. Für die Betroffenen stellt die Inkontinenz in der Regel nicht nur ein körperliches Problem dar, sondern führt auch zu einer extremen psychischen Belastung.

Inkontinenz: Was ist das?

Wir lernen bereits als kleine Kinder, unsere Ausscheidungen bewusst zurückzuhalten und Urin und Stuhl nur in angemessenen Situationen abzusetzen. Durch verschiedene Erkrankungen und Störungen kann diese Fähigkeit allerdings wieder verloren gehen: Das komplizierte und fein aufeinander abgestimmte System aus Beckenbodenmuskulatur, Blasenmuskel, Schließmuskeln und der Steuerzentrale im zentralen Nervensystem gerät durcheinander. Wenn Menschen ihre Blase oder ihren Darm nicht mehr willentlich kontrollieren können und Urin, Stuhl oder Winde unwillkürlich verlieren, sprechen Mediziner von einer Inkontinenz oder von einer Blasen- oder Darmschwäche.

Inkontinenz: Menschen suchen aus Schamgefühl keinen Arzt auf

Inkontinenz
Von Inkontinenz Betroffene schämen sich oft für die Erkrankung und trauen sich daher nicht immer zum Arzt Foto: iStock/L-house

Da die Inkontinenz für die Betroffenen sehr belastend ist und viele Menschen aus Schamgefühl keinen Arzt aufsuchen, ist es schwierig zu beurteilen, wie viele Menschen an einer Blasen- oder Darmschwäche leiden. Mediziner schätzen aber, dass alleine in Deutschland ungefähr vier Millionen Menschen an einer Harninkontinenz erkrankt sind. An einer Darminkontinenz leiden bis zu fünf Prozent der Bevölkerung. Aufgrund einiger anatomischer Unterschiede und durch Schwangerschaften und Geburten sind Frauen wesentlich häufiger von Inkontinenz betroffen als Männer. Außerdem tritt die Störung vor allem bei alten Menschen auf. Unter den hochbetagten Menschen leiden beispielsweise bis zu 80 Prozent an einer Blasenschwäche.

Sowohl bei der Blasenschwäche als auch bei der Darmschwäche unterscheiden Ärzte mehrere verschiedene Arten, die ganz verschiedene Ursachen haben. In einigen Fällen von Inkontinenz empfinden die Betroffenen zwar noch einen Drang, zur Toilette zu gehen, können ihre Ausscheidungen aber nicht aktiv zurückhalten, in anderen Fällen geht das Gefühl für Blase und Darm vollständig verloren.

Die Harninkontinenz (Blasenschwäche)

Die Blase dient als Reservoir für den Urin, der in der Niere gebildet wird und über die Harnleiter in die Blase gelangt. Solange sich die Blase füllt, ist die Blasenmuskulatur entspannt, während der Schließmuskel der Blase angespannt ist und die Blase nach außen verschließt. Sobald die Blase gefüllt ist, gibt sie eine Rückmeldung ans Gehirn und wir empfinden einen verstärkten Harndrang. Bei der Entleerung der Blase entspannt sich der Schließmuskel und der Harn kann über die Harnröhre abfließen. Die Blase unterstützt diesen Vorgang, indem sich die Blasenmuskulatur zusammenzieht und den Harn nach außen drückt. Bei den verschiedenen Arten der Inkontinenz des Harns (Blasenschwäche) ist dieser Mechanismus auf unterschiedliche Weise gestört.

Arten der Harninkontinenz

  • Bei einer Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz) ist der Verschlussmechanismus der Blase beschädigt. Die Betroffenen verlieren bei dieser Art der Inkontinenz durch körperliche Anstrengung unwillentlich Urin, insbesondere bei Tätigkeiten, bei denen der Druck im Bauchraum ansteigt. Das ist zum Beispiel beim Heben, Tragen, Treppensteigen, Lachen oder Niesen der Fall.
  • Bei der Dranginkontinenz ist die Blasenmuskulatur überaktiv, weil die Signalübertragung zwischen zentralem Nervensystem und Blase gestört ist. Die Betroffenen verspüren sehr plötzlich einen starken Harndrang, auch wenn ihre Blase noch nicht voll ist. Nahezu zeitgleich zieht sich die Blasenmuskulatur schlagartig zusammen und die Blase entleert sich schwallartig.
  • Bei der Überlaufinkontinenz kommt es zu einer mechanischen Behinderung beim Urinabfluss. Der Betroffene kann seine gefüllte Blase nicht vollständig leeren. Der starke Druck in der sich immer weiter füllenden Blase führt dazu, dass sich die Blase überdehnt, bis unwillkürlich Urin abläuft.
  • Bei einer Reflexinkontinenz verliert der Betroffene aufgrund einer Schädigung des Gehirns oder der Nervenzellen im Rückenmark die Kontrolle über seinen Schließmuskel. Er spürt die Blase nicht mehr und kann auch seinen Urin nicht mehr willentlich absetzen. Stattdessen entleert sich die Blase in unregelmäßigen Abständen von selbst.
  • Die extraurethrale Inkontinenz ist ein Sonderfall, weil hierbei die Blase und die Schließmuskulatur einwandfrei funktionieren. Aufgrund einer organischen Fehlbildung der Harnwege ist die Blase aber direkt mit der Scheide oder dem Darm verbunden, über die der Urin unkontrolliert nach außen abläuft.

Eine Harn- oder Stuhlinkontinenz ist für die Betroffenen oft sehr belastend
Eine Harn- oder Stuhlinkontinenz ist für die Betroffenen oft sehr belastend Foto: Fotolia

Die Stuhlinkontinenz (Darmschwäche)

Menschen mit einer Inkontinenz des Stuhls verlieren die Kontrolle über ihren Darminhalt und können ihren Stuhlgang und ihre Darmgase nicht willentlich zurückhalten.

Wie bei der Blase, hat auch der Darm einen komplizierten Schließmechanismus. Der Enddarm, der in den After mündet, übernimmt die Aufgabe des Speichers, der den Stuhl bis zur Darmentleerung sammelt. Im untersten Abschnitt ist der Enddarm von ringförmigen Schließmuskeln umgeben – dem nicht unter unserer Kontrolle stehenden inneren Schließmuskel, und dem willentlich steuerbaren äußeren Schließmuskel. Beide sind in das Bindegewebe und die Muskulatur des Beckenbodens eingebettet. Eine Störung oder Beschädigung jedes einzelnen Bestandteils dieses komplizierten Systems kann eine Stuhlinkontinenz verursachen. Je nach Ursache unterscheiden Mediziner verschiedene Arten dieser Inkontinenz.

Arten der Stuhlinkontinenz

  • Bei einer neuralen Stuhlinkontinenz verliert der Betroffene infolge von Nervenschäden die Kontrolle über seinen Schließmuskel.
  • Bei der sensorischen Stuhlinkontinenz verspürt der Betroffene durch Schäden am After und im Enddarm keinen Stuhldrang mehr.
  • Durch Verletzungen oder altersbedingte Muskelschwäche geht bei der muskulären Inkontinenz des Stuhls die Kontrolle über den Schließmuskel verloren.
  • Bei einer Reservoir-bedingten Stuhlinkontinenz ist die Speicherkapazität des Enddarms verringert oder die Stuhlmenge so stark erhöht, dass der Enddarm den Stuhl nicht mehr vollständig fassen kann.
  • Bei einer psychischen Stuhlinkontinenz kommt es durch traumatische Erfahrungen und Psychosen zu einer Unfähigkeit, den Stuhl zu halten.