Chlordioxid gegen Corona: Zahl der Notrufe steigt
Dieser Irrglaube ist bei Impfgegnern und Querdenkern besonders beliebt: Angeblich soll die Einnahme von Chlordioxid gegen Corona helfen. Nachdem es bereits einen Todesfall gab, steigt nun auch die Zahl der Notrufe dramatisch an. Die Hintergründe.
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Es ist ein gefährlicher Trend, der sich rasant verbreitet: Die Einnahme von Chlordioxid, in der Regel in Form von "Miracle Mineral Supplements", kurz MMS. Die Verbraucherzentrale warnt vor dem vermeintlichen Wundermittel, welches fälschlicherweise auch gegen Corona helfen soll.
Zahl der Notrufe wegen Chlordioxid-Einnahme steigt
Es sind dramatische Zahlen, über die unter anderem der "NDR" unter Berufung auf die Daten des Giftinformationszentrums Nord in Göttingen berichtet. So stieg die Zahl der Notrufe wegen der Einnahme von Chlordioxid in den vergangenen Jahren dramatisch an. Genau genommen: Gab es 2019 nur sieben Notrufe, im vergangenen Jahr stieg die Zahl auf 50 an.
Allein im laufenden Jahr soll es zu 24 weiteren Notrufen im Zusammenhang mit einer Chlordioxid-Einnahme gekommen sein. Grund dafür ist der Irrglaube, Chlordioxid könne eine Wirkung gegen Corona haben – mit schwerwiegenden Folgen. So gab es in Österreich bereits einen Todesfall. Der Anstieg der Notrufe zeigt zudem, wie risikohaft eine Einnahme des Mittels ist.
Impfskeptiker stirbt nach Einnahme von Chlordioxid – er dachte, es hilft gegen Corona
Laut Medienberichten kam Johann Biacsics Anfang November in Wien ins Krankenhaus – die Diagnose: Corona. Sein Zustand sei kritisch gewesen, er habe kaum atmen können, berichtet unter anderem "Die Zeit". Und dennoch ließ sich der Mann nicht behandeln, zumindest nicht auf konventionelle Weise. Johann Biacsics griff stattdessen zu Chlordioxid. Das Mittel wird häufig in Form von "Miracle Mineral Supplements" eingenommen. Bei Anhängern von "alternativen Heilungsmethoden" gilt es als wahres Wundermittel gegen Krebs, HIV und Corona.
Biacsics habe trotz positiven PCR-Tests darauf bestanden, dass er Corona mit diesem Mittel besiegt habe. Er habe sich geweigert, sich im Krankenhaus behandeln zu lassen.
Nur kurze Zeit später verstarb der 65-Jährige an den Folgen der Corona-Erkrankung. Seine Familie glaubt trotz der tragischen Ereignisse nicht, dass er an Corona erkrankte. Sie vertrauen auch weiterhin auf die vermeintliche Heilung durch Chlordioxid.
Miracle Mineral Supplement: Was ist „MMS“?
Das sogenannte Wundermittel „Miracle Mineral Supplement“, auch kurz „MMS“ genannt, wurde bereits vor Jahren vom ehemaligen Scientology-Mitglied Jim Humble erfunden. Es soll unter anderem Aids, Krebs, Malaria, Hepatitis, Asthma und sogar Corona und Autismus heilen. Ein Mittel gegen viele Krankheiten? Es klingt nach einem irrsinnigen Heilsversprechen, was dennoch erschreckend viele Anhänger findet.
Als Arzneimittel ist „MMS“ in Deutschland nicht erhältlich. Es darf nicht als Heilmittel vertrieben werden. Jedoch kann man es online als „Desinfektionsmittel“ über diverse Plattformen kaufen. Anbieter dürfen „Miracle Mineral Supplements“, manchmal auch „Master Mineral Solution“ genannt, ausdrücklich nicht zur oralen Einnahme empfehlen.
Was steckt in "MMS"? Darum ist Chlordioxid trinken gefährlich
Warum das so ist, erklärt sich spätestens, wenn man sich bewusst macht, was im „Miracle Mineral Supplement“ überhaupt enthalten ist. Dabei handelt es sich nämlich um eine eigentlich hoch ätzende Chlordioxidlösung, auch bekannt unter „CLD“. Ein Natriumchlorit, das durch eine Säure dann zu Chlordioxid wird. In ganz geringen Mengen ist „CLD“ nicht schädlich. Ärzte warnen jedoch vor der regelmäßigen Einnahme eindringlich, auch wenn das Mittel verdünnt ist.
Krankheitssymptome kein Zeichen für „Entgiftung“
Bei vielen Anwendern findet „MMS“ trotz starker Gesundheitsbeschwerden nach der Einnahme viel Anklang. So leiden zwar viele nach der Einnahme über Symptome wie Fieber und Erbrechen. Halten diese Beschwerden jedoch für positive „Entgiftungssymptome“, die zeigen, dass die Einnahme Wirkung zeigt. Eine Fehlannahme.
Wie soll „CLD“/“MMS“ überhaupt wirken?
Bleibt die Frage, wie das Mittel überhaupt gegen zahlreiche Krankheiten wirken soll. Das Mittel, was größtenteils aus Chlorbleiche besteht, wird in der Regel mit Wasser verdünnt und dann getrunken. Geliefert wird das Produkt in zwei Flaschen, in der einen ist die Chemikalie Natriumchlorit enthalten (nicht verwechseln mit Natriumchlorid, also Kochsalz). In der anderen befindet sich eine Säure (Zitronen- oder Essigsäure). Beides zusammengemixt ergibt Chlordioxid, das nun verdünnt angewendet werden soll.
Oxidation soll Viren und Krankheitserreger zerstören
Die Wirkungsweise des vermeintlichen „Wundermittels“ ist genauso wunderlich, wie das Mittel selbst. Das mit Wasser verdünnte Chlordioxid besitze demnach eine sogenannte Oxidationsstärke, die bei Einnahme bösartige Erreger vernichtet, ohne dass gutartige Bakterien zu Schaden kommen. So sollen Krankheitserreger eliminiert werden, ohne dass der Körper zu Schaden kommt. Eine Annahme, die von Mediziner:innen schlichtweg als „falsch“ deklariert wird. Das Gegenteil ist der Fall.
Gesundheitsgefahren bei „MMS“-Einnahme
Während viele Nutzer Symptome wie Erbrechen oder Übelkeit für „Entgiftungserscheinungen“ halten, kann das Mittel tatsächlich reale Gesundheitsschäden anrichten, die weitaus schlimmer sind. Im schlimmsten Fall kann Chlordioxid zu:
- Schädigung der Speiseröhre
- Durchfall
- Blutdruckabfall
- Nierenversagen
- und Schädigung der Schleimhäute (Mund/Rachen) führen.
CLD trinken: Verbraucherzentrale und Gesundheitsbehörde warnen
Einen regelrechten Hype erhielt „MMS“ in den vergangenen Monaten vor allem in den USA – wo viele das Mittel als Corona-Wundermittel anpriesen – und Abnehmer fanden. So warnte die amerikanische Gesundheitsbehörde bereits im August letzten Jahres eindringlich davor. Die Warnung: „Wenn Sie Miracle Mineral Supplement oder Master Mineral Solution oder andere Natriumchlorit-Produkte trinken – hören Sie sofort auf!“ Die Behörde mahnte desweiteren: „MMS ist in keiner Indikation von der FDA zugelassen. Miracle Mineral Supplement einzunehmen, sei das gleiche, wie Bleichmittel trinken“, so die FDA. Zwischen 2014 und 2019 gab es allein 16.000 Fälle von Chlordioxid-Vergiftung in den USA.
„MMS“ zur oralen Einname: Auch deutsche Behörden alarmiert
Auch in Deutschland wird vor der Einnahme von Chlordioxid gewarnt. Die Verbraucherzentrale mahnt Käufer:innen an, die Einnahme „sofort zu stoppen“. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät von einer Einnahme von „MMS“ dringend ab.
Bei schwerwiegenden Beschwerden und unheilbaren Krankheiten suchen viele nach einer Möglichkeit, die Gesundheit auf irgendeine Weise doch noch positiv zu beeinflussen. In diesem Fall ist es klar, dass man besonders empfänglich ist für sogenannte Heilversprechen – gerade dann, wenn die Not am größten scheint. Dennoch ist unbedingt davon abzuraten, gesundheitsschädliche Mittel wie „Miracle Mineral Supplement“ einzunehmen, da die Wirkung von MMS nicht erwiesen, die Schäden durch eine Chlordioxid-Vergiftung jedoch groß sind - das zeigt auch der dramatische Anstieg der Notrufe im Zusammenhang mit Chlordioxid.
- BfR rät von der Einnahme des Produkts „Miracle Mineral Supplement“ („MMS“) ab, in: bfr.de
- verbraucherzentrale.de
- FDA warnt erneut vor MMS, in: deutsche-apotheker-zeitung.de
- Wie manche Impfskeptiker ihre Kinder mit Chlorbleiche gefährden, in: br.de
- Impfgegner stirbt an Corona - weil er sich nur mit Chlordioxid behandeln lassen wollte, in: rtl.de