Hypochondrie: Wann ist die Angst vor Krankheiten krankhaft?

Wer unter Hypochondrie leidet, wird häufig als Simulant abgestempelt. Dabei hat man als Hypochonder reale Ängste auszustehen, die zu einer großen Belastung im Alltag werden können. Bei der Hypochondrie handelt es sich um eine Störung, die behandelt werden muss.

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Die gelegentliche Angst, es könnte etwas Schlimmes hinter eigentlich harmlosen Beschwerden stecken, kennen viele. Kommt es nur hin und wieder dazu, handelt es sich dabei noch nicht um eine Störung. Bei der Hypochondrie wird die Angst vor Krankheiten jedoch selbst zur Krankheit; die Angststörung kann den Alltag der Betroffenen bestimmen und zur großen Belastung werden.

Hypochondrie: Definition

Die Bezeichnung „Hypochondrie“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Gegend unter den Rippen“. Kennzeichen einer Hypochondrie laut Definition ist die Überzeugung, an einer oder mehreren unerkannten Erkrankungen zu leiden; einhergehend mit einer gesteigerten Körperwahrnehmung als Krankheitszeichen.

Angst vor Krankheiten: Symptome der Hypochondrie

Eine teils panische Angst vor Krankheiten gehört zu den Symptomen der Hypochondrie. Betroffene, auch Hypochonder genannt, beschäftigen sich übermäßig mit der Möglichkeit, eine ernsthafte Erkrankung zu haben oder zu bekommen. Häufig gehört beispielsweise die ständige Angst vor Krebs zur Hypochondrie oder allgemein die Angst vor einer schlimmen Diagnose.

Viele Betroffene suchen immer wieder bestimmte Körperstellen ab, auch Body Checking genannt, recherchieren im Internet oder gehen häufig zu Ärzt:innen. In schweren Fällen kann die Hypochondrie Panikattacken auslösen. Bei pathologischer Krankheitsangst liegen diese Merkmale längere Zeit vor und stellen für die Betroffenen eine starke Beeinträchtigung des Lebens dar.

Es gibt zwei Arten von Hypochondern: Die einen sind davon überzeugt, an einer bestimmten Krankheit – wie zum Beispiel HIV – zu leiden, die anderen bemerken immer wieder eine Vielzahl an Symptomen, die auf unterschiedliche Krankheiten hinweisen können. Bei beiden Formen ist die Angst vor Krankheiten und die Angst vor dem Tod quälend – diese Ängste können ihnen häufig auch durch wiederholte Arztbesuche nicht genommen werden.

Typische Merkmale: So erkennt man Hypochonder

Bei der krankhaften Angst vor Krankheiten sind die Symptome auch für Angehörige oft gut erkennbar. Folgende Verhaltensweisen gelten als Merkmale von Hypochondern:

  • Body Checking (Absuchen bestimmter Körperteile)

  • Doctor Hopping (Aufsuchen verschiedener Ärzte)

  • Übertriebene Internet-Recherche (auch Cyberchondrie genannt)

Cyberchondrie: Ständig Angst vor Krankheiten durch das Internet

Eine bestimmte Form der Hypochondrie kristallisierte sich in den vergangenen Jahren heraus: Die Cyberchondrie. Der Begriff ist eine Wortkombination aus „Cyber“ und „Hypochondrie“ und bezieht sich darauf, dass Krankheitsängste ganz gezielt durch das Internet ausgelöst oder verstärkt werden. Das Problem: Es gibt unzählige, teils sehr unspezifische körperliche Beschwerden, die allesamt auf diversen Quellen aus dem Internet verschiedenen Krankheiten zugeordnet werden.

Durch das Recherchieren im Internet wird die ständige Angst vor Krankheiten verschärft. Für viele Hypochonder sprechen dann unspezifische Symptome wie etwa Kopfschmerzen oder Schwindel ganz klar für eine bestimmte Erkrankung. In vielen Fällen sind sie auch durch ärztliche Untersuchungen, bei denen diese Diagnose ausgeschlossen wurde, nicht davon abzubringen.

Hypochondrie-Therapie: Die Angst vor Krankheiten überwinden

Wer seine Angst vor Krankheiten überwinden möchte, sollte sich medizinische Hilfe holen. Als besonders wirksame Hypochondrie-Therapie hat sich die sogenannte kognitive Verhaltenstherapie erwiesen. Hierbei lernen Betroffene, destruktive Denkmuster aufzulösen. Sie üben, körperliche Empfindungen neu zu bewerten und trainieren zudem, mit einem gewissen Maß an Unsicherheit zu leben und nicht jedes vermeintliche körperliche Symptome abklären zu lassen.

„Bei der kognitiven Verhaltenstherapie üben wir mit den Betroffenen, den Fokus nicht ständig auf bestimmte Körperteile zu richten“, erklärt Psychotherapeutin Carolin Wolters von der Ambulanz für Krankheitsangst der Universität zu Köln. „Bei belastenden Symptomen erarbeiten wir alternative Erklärungen, z. B. ‚Mein Herz klopft schnell, weil ich mich eben angestrengt habe‘ statt ‚Etwas stimmt nicht mit meinem Herzen‘. Zudem lernen Betroffene, die Angst besser auszuhalten und nicht dauernd zum Arzt zu gehen.“

Voraussetzung für den Erfolg einer solchen Therapie ist ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Patient:in und Therapeut:in. Die Betroffenen müssen sich ernst- und angenommen fühlen, um Fortschritte bei der Behandlung zu machen. Nur so können sie ihre ständige Angst vor Krankheit und Tod überwinden.

Bei einer Panikattacke durch die Hypochondrie helfen verschiedene Strategien gegen Panikattacken wie etwa Atemübungen, die Betroffene einüben sollten, um im Ernstfall vorbereitet zu sein. Diese Methoden können den Alltag von Menschen mit Angststörungen enorm erleichtern.

Hypochondrie-Test zur Selbsteinschätzung

Wer das Gefühl hat, immer Angst vor Krankheiten zu haben, kann mit dem Hypochondrie-Test eine erste Einschätzung erlangen, ob die eigenen Symptome noch als unbedenklich betrachtet werden können, oder ob es sich bereits um die Angststörung Hypochondrie handeln könnte. Aber: Der Test ersetzt in keinem Fall eine ärztliche Diagnose.

Es ist wichtig für Betroffene und Angehörige, dass sie die Hypochondrie als Angststörung sehen – nicht etwa als Schwäche oder schlechten Charakterzug. Charakteristisch für diese Angststörung ist eben die Angst vor Krankheiten und nicht etwa vor Spinnen oder Höhen. Entsprechend sollten Betroffene immer ernstgenommen werden und eine angemessene Behandlung gegen ihre Hypochondrie erhalten.

Quellen:

Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage (2004), Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin

Krankheitsangst: Keine Bagatelle, in: aerzteblatt.de

Unsere Expertin: Psychologische Psychotherapeutin Carolin Wolters, Ambulanz für Krankheitsangst der Universität zu Köln, www.krankheitsangst.koeln