Hohe Corona-Dunkelziffer bei Kindern: Das sind die Gründe

Kinder gelten nicht als Treiber der Corona-Pandemie. Laut einer neuen Studie des Helmholtz Zentrums München gibt es jedoch eine hohe Corona-Dunkelziffer bei Kindern. Wie hoch die Zahlen wirklich sind und was die Erkenntnisse im Kampf gegen Corona bedeuten.

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Kinder und Jugendliche tragen nach bisheriger Annahme wenig zum Infektionsgeschehen bei – doch ein neuer Messansatz von Forschern des Helmholtz Zentrums München enthüllt nun eine hohe Corona-Dunkelziffer bei Kindern: In einer Studie wurde nachgewiesen, dass in Bayern sechsmal mehr Kinder mit SARS-CoV-2 infiziert waren, als offiziell gemeldet.

Neues Analyseverfahren bringt höhere Testgenauigkeit

Die Wissenschaftler unter der Leitung von Prof. Anette-G. Ziegler haben in ihren Untersuchungen einen neuen Ansatz zur Antikörper-Messung von SARS-CoV-2-Viren entwickelt und angewandt. Bisher genutzte, wenig spezifische Antikörpertests führen häufig zu falsch-positiven Ergebnissen. Die neue Methode ist zweistufig: Sie testet sowohl gegen die Rezeptor-Bindungsdomäne als auch gegen Nukleokapsid-Proteine des Virus – und damit zweifach-positiv, was zu Ergebnissen mit einer 100-prozentigen Spezifität und einer 95-prozentigen Sensitivität führt. 

Hohe Corona-Dunkelziffer bei Kindern bestätigt

Mit dem neuen Messverfahren wurden die Daten der in Bayern bereits durchgeführten Fr1da-Studie neu bewertet. Dabei war zwischen Januar und Juli 2020 das Blut von knapp 12.000 Kindern und Jugendlichen zwischen ein und 18 Jahren auf Antikörper gegen SARS-CoV-2-Viren untersucht worden.

Nun konnte eine deutlich höhere Infektionsrate bei Kindern nachgewiesen werden:

  • 0,87 Prozent hatten zwischen April und Juli zweifach-positiv Antikörper im Blut – und damit sechsmal mehr, als das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Ernährung (LGL) an positiven Tests in der Altersgruppe registriert hatte.
  • Den Angaben zufolge waren 111 der 0- bis 6-Jährigen und 182 der 7- bis 18-Jährigen pro 100.000 Einwohner coronapositiv. Die Studie hat aber nun aufgedeckt, dass in Wirklichkeit 870 Kinder pro 100.000 Einwohner betroffen waren.

Die Hälfte der Kinder zeigt keine Symptome

47 Prozent der untersuchten Kinder waren asymptomatisch. Zudem hatte etwa ein Drittel derjenigen, die mit einem positiv getesteten Familienmitglied zusammenleben, Antikörper im Blut. Auch das ist ein Indiz dafür, dass die Übertragungsrate höher liegt als bisher gedacht.

Bisher wurden Kinder wenig getestet:

  • Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) zählen die 0- bis 4- und 5- bis 14-Jährigen zu den am wenigsten getesteten Altersgruppen (Stand 27.10.2020) – obwohl der Anteil der positiven Tests hier in letzter Zeit deutlich zugenommen hat.
  • Den Spitzenplatz an positiv Getesteten nehmen die 15- bis 34-Jährigen ein. Wie groß der Anteil der Jugendlichen bis 18 Jahre davon ist, bleibt unklar. Deutlich wird jedoch, dass die Infektionsanfälligkeit mit zunehmendem Alter steigt.

Forscher empfehlen, Kinder auf Antikörper zu testen

Zwar lassen sich Antikörper gegen SARS-CoV-2-Viren erst nach einer bis vier Wochen nachweisen – das aktuelle Infektionsgeschehen kann damit also nicht beurteilt werden. Markus Hippich vom Helmholtz Zentrum, Erstautor der Studie, betont jedoch: „Unsere Studie liefert wichtige Ergebnisse, die die Diskrepanz zwischen gemeldeten Virusinfektionen und Antikörperaufkommen offenlegen.“ Es genüge nicht, nur auf das Virus selbst zu testen, wenn knapp die Hälfte der Kinder keine typischen COVID-19-Symptome entwickle.

Prof. Ziegler ergänzt, dass nationale Antikörper-Testprogramme den Ländern zuverlässige Daten liefern könnten: „Sie könnten ihnen dabei helfen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und die Auswirkungen regionaler und landesweiter COVID-19-Maßnahmen zu überprüfen.“ So kann die Aufdeckung der hohen Corona-Dunkelziffer bei Kindern durch die Studie ein weiterer Baustein im Kampf gegen die Pandemie sein.

Quellen:
Mehr Infektionen als bekannt: Neue Studie zeigt Relevanz bevölkerungsweiter SARS-CoV-2-Antikörpertests auf in: helmholtz-muenchen.de
Laborbasierte Surveillance von SARS-CoV-2 in: ars.rki.de