Hochfunktionale Depression: Symptome, Ursachen und Tipps

Wer eine hochfunktionale Depression hat, zeigt nicht die typischen Anzeichen einer klassischen Depression – Betroffene bewältigen ihren Alltag und empfinden Lebensfreude. Dadurch wird die Erkrankung allerdings meist erst bemerkt, wenn der Leidensdruck bereits enorm groß ist. Woher die Depression kommt und was gegen sie hilft.

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Wenn ein Mensch nach außen hin glücklich wirkt, wie alle anderen zur Arbeit geht und auch sonst den Alltag souverän meistert, hinterfragt kaum jemand die psychische Gesundheit. Auch Betroffene denken dann oft, sie haben alles im Griff und fragen nicht nach Hilfe. Doch, wenn im Inneren gleichzeitig die Erschöpfung, Verzweiflung und Traurigkeit zunimmt, kann das auf eine hochfunktionale Depression hinweisen. Wie sich diese noch äußert, welche Ursachen es gibt und was Betroffenen helfen kann.

Frau am Laptop
Betroffene einer hochfunktionalen Depression sind meist nach außen erfolgreich bei der Arbeit, doch innerlich wächst die Verzweiflung Foto: iStock/damircudic

Ab wann hat man eine Depression?

Durchschnittlich leiden fünf Millionen Menschen in Deutschland an einer Depression. Zu den typischen Symptomen dieser psychischen Erkrankung zählen unter anderem Niedergeschlagenheit, dauerhafte Erschöpfung, Schlaflosigkeit und Appetitverlust. Doch was viele nicht wissen: eine Depression kann sich auch anders äußern. So ist die Dunkelziffer der Betroffenen vermutlich noch viel höher.

Dazu kommt, dass sich noch immer viele nicht trauen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Handelt es sich um eine versteckte Depression, entwickelt sich diese außerdem schleichend und wird oft erst spät erkannt. Generell werden psychische Krankheiten häufig spät bemerkt, weil die Symptome nicht immer eindeutig sind. So auch bei der larvierten Depression, die sich durch körperliche Beschwerden äußert – und bei der hochfunktionalen Depression, die nahezu unbemerkt verlaufen kann.

Hochfunktionale Depression: Definition und Diagnose

Die Krankheit ist bisher nicht in den Diagnosekriterien (ICD 10) aufgeführt. Sie wird jedoch den Diagnosen atypische Depression und Dysthymie zugeordnet, die folgendermaßen definiert sind:

  • Atypische Depression: Die Niedergeschlagenheit kann durch Momente der Freude unterbrochen werden, die durch äußere Umstände entsteht. Häufige Symptome: Erhöhtes Schlafbedürfnis, vermehrter Appetit, Kritikempfindlichkeit, Angst vor sozialer Zurückweisung, Gefühle von Taubheit, Schweregefühl in den Gliedmaßen. Das Leben wird oberflächlich weitergeführt, doch innerlich fühlen sich Betroffene ausgelaugt.

  • Dysthymie: Eine chronische Depression, die mindestens zwei Jahre andauert. Die Symptome treten im Vergleich zu einer klassischen Depression in abgeschwächter Form auf, halten aber länger an. Betroffene klagen über wechselhafte Stimmungsbilder – nachdem sie mehrere Wochen in einem normalen Zustand verbracht haben, treten Phasen mit depressiven Verstimmungen auf.

Das gemäßigte Auftreten der Symptome kann einer hochfunktionalen Depression zugeordnet werden, genauso wie das oberflächliche Weiterleben trotz innerlicher Erschöpfung. Vor allem in dieser Kombination ist es für Außenstehende sowie für Betroffene oft schwierig, die Erkrankung frühzeitig zu erkennen.

Hochfunktionale Depression: Erfahrungen zeigen höhere Betroffenheit einer Personengruppe

Psychische Erkrankungen können jede:n treffen. Laut der WHO sind weltweit fast eine Milliarde Menschen betroffen. Inbesondere seit der Corona-Pandemie hat sich die Zahl noch einmal erhöht, bereits in ihrem ersten Jahr sind die Fälle von Depressionen und Angststörungen um 25 Prozent gestiegen. Dabei sind nicht nur Erwachsene betroffen – auf der ganzen Welt leiden auch etwa 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen an einer psychischen Erkrankung. Selbstmord ist die vierthäufigste Todesursache bei Personen zwischen 15 und 29 Jahren.

Allein in Deutschland leiden über 5 Millionen Menschen an einer Depression. Geschlechtsspezifisch sind 11,3 Prozent der Frauen und 5,1 Prozent der Männer erkrankt. Die Anzahl der Betroffenen und insbesondere die der Männer wird jedoch noch höher geschätzt, weil sich noch immer viele nicht trauen, über ihre emotionale Verfassung zu sprechen. Aus dem diesjährigen Deutschland-Barometer der Stiftung Deutsche Depressionshilfe geht hervor, dass es im Schnitt 20 Monate dauert, bis sich depressive Menschen Hilfe suchen. Und auch dann ist keine sofortige Besserung in Sicht – denn die Wartezeiten auf einen Therapieplatz betragen hierzulande rund drei bis neun Monate.

Daher ist es umso wichtiger, die ersten Anzeichen einer hochfunktionalen Depression ernst zu nehmen. Die folgenden Eigenschaften geben erste Anhaltspunkte, ob eine Erkrankung vorliegen könnte.

Hochfunktionale Depression: Erste Anzeichen

Vor allem in Zeiten von Homeoffice und der Möglichkeit fast alles online, statt in der realen Welt lösen zu können, bleiben psychische Erkrankungen oft und lange unbemerkt. Wenn Betroffene dann wie bei einer hochfunktionalen Depression noch nach außen hin wirken, als hätten sie alles im Griff, verzögert sich das Erkennen noch weiter. Daher ist es besonders wichtig, Menschen nicht nur oberflächlich, sondern auch hinter ihrer Fassade zu betrachten.

Die folgenden Anzeichen können auf eine hochfunktionale Depression in ihrer Anfangsphase hindeuten:

  • Ständige Gereiztheit ohne ersichtlichen Grund

  • Höherer Alkoholkonsum

  • Medikamenteneinnahme

  • Schleichender Rückzug von sozialen Aktivitäten wie Hobbys

Hochfunktionale Depression: Alle Symptome im Überblick

Wenn die Krankheit unentdeckt und damit auch unbehandelt bleibt, kann es im Verlauf zu vielen weiteren Symptomen kommen. Diese können sich wie bei anderen psychischen Erkrankungen auch, individuell unterscheiden. Betroffene einer hochfunktionellen Depression zeigen in vielen Fällen folgende Merkmale:

  • Erschöpfung

  • Hoffnungslosigkeit

  • Erhöhtes Schlafbedürfnis

  • Heißhungerattacken

  • Geringes Selbstwertgefühl

  • Schwierigkeit, mit Kritik umzugehen

  • Versagensängste

  • Bedürfnis nach Perfektionismus

  • Reizbarkeit

  • Konzentrationsschwierigkeiten

  • Entscheidungsprobleme

  • Gefühl innerer Leere

Zudem können auch körperliche Symptome wie eine erhöhte Infektanfälligkeit, ein Druckgefühl in der Brust, Magen-Darm-Probleme, Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen und Taubheitsgefühle in den Armen und Beinen vorkommen.

Hochfunktionale Depression: Test als erster Hinweis auf eine Erkrankung

Wie bei vielen anderen Krankheiten kursieren auch bei einer hochfunktionalen Depression Selbsttests im Internet. Doch dabei ist Vorsicht geboten: Solche Tests können zwar erste Hinweise auf eine Erkrankung geben, doch das Ergebnis gilt nicht als Diagnose. Wer sich in den oben aufgeführten Symptomen wiedererkennt, sollte einen Arzt oder eine Ärztin bzw. eine Psychotherapiepraxis aufsuchen, die auch direkt die Ursachen erforschen und Behandlungsmöglichkeiten vorschlagen können.

Hochfunktionale Depression: Diese Ursachen können dahinterstecken

Genau wie die Symptome können auch die Ursachen einer hochfunktionalen Depression von Person zu Person unterschiedlich sein. Häufig gibt es auch nicht nur einen Grund für die Erkrankung, sondern mehrere Ursachen gleichzeitig. Möglich sind folgende:

  • Hohes Stresslevel

  • Finanzielle Probleme

  • Zukunftsängste

  • Belastende Kindheitserlebnisse oder Traumata (z.B. Missbrauch, Gewalterfahrungen)

  • Einschneidende Lebensereignisse (z.B. Trennung oder Tod eines geliebten Menschen)

  • Substanzabhängigkeit (Alkohol, Medikamente)

  • Körperliche Erkrankungen und chronischer Schmerz

Hochfunktionale Depression: Beziehung kann in der Folge leiden

Weil sich Betroffene oft selbst nicht als krank betrachten, suchen sie sich erst sehr spät Hilfe. In der Zwischenzeit kann es zu unangenehmen Folgen kommen. So verschlimmern sich die Symptome häufig immer weiter, bis Betroffene es nicht mehr schaffen, das tägliche Arbeitspensum aufrechtzuerhalten. Meist ziehen sie sich dann nach und nach von sozialen Aktivitäten wie Hobbys zurück, um etwas Druck abbauen zu können.

Auch die sozialen Kontakte können in der Folge einer hochfunktionalen Depression leiden. So führen die Symptome wie Reizbarkeit und die Schwierigkeit mit Kritik umzugehen häufiger zu Auseinandersetzungen in der Beziehung oder zu Schwierigkeiten im Arbeitsumfeld.

Hochfunktionale Depression: Behandlung

Der erste und gleichzeitig wichtigste Schritt ist die Krankheitseinsicht. Grundsätzlich gibt es dann ähnliche Behandlungsmöglichkeiten wie bei einer klassischen Depression. Die folgenden drei können einzeln, aber auch kombiniert angewendet werden:

1. Hochfunktionale Depression: Therapie als individuelle Hilfe

Wer die Diagnose hochfunktionale Depression erhält, kann eine Therapie machen. Am besten bewährt hat sich die kognitive Verhaltenstherapie, in der sich Betroffene Kompetenzen zur Stressbewältigung aneignen und den Umgang mit negativen Gedanken lernen. Der Vorteil einer Psychotherapie: Sie berücksichtigt die individuelle Biografie und Lebenssituation.

2. Hochfunktionale Depression: Medikamente als Unterstützung

Bei einer medikamentösen Behandlung ist es wichtig, diese nicht ohne ärztlichen Rat zu beginnen. Denn die Einnahme von Medikamenten ist nicht in jedem Fall sinnvoll oder nötig. Grundsätzlich gelten Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Moclobemid (aus der Gruppe der MAO-Hemmer) als wirksam bei atypischen Depressionen.

Bei der Einnahme können jedoch Nebenwirkungen auftreten – so führen MAO-Hemmer beispielsweise zu einem Anstieg des Blutdrucks. Daher sollte antidepressiv wirkende Medizin immer nur auf ärztliche Empfehlung eingenommen werden.

3. Hochfunktionale Depression: Den Lebensstil verändern

Wer an einer hochfunktionalen Depression leidet, sollte Stress vermeiden und genügend Pausen in den Alltag integrieren. Es kann helfen, die Arbeitsstunden zu reduzieren und sich Hilfe mit dem Kind, Haustier oder etwaigen Besorgungen zu suchen. So lernen Betroffene, Verantwortung abzugeben. Außerdem kann es helfen, feste Abläufe einzuführen: Zubettgeh- und Aufstehzeiten, Spaziergänge an der frischen Luft oder andere sportliche Aktivitäten. Auch eine ausgewogene Ernährung mit dem Verzicht auf Alkohol hat einen positiven Einfluss auf die Psyche.

Hochfunktionale Depression: Sich anderen öffnen, statt allein zu bleiben

Am wichtigsten bleibt jedoch, sich bei den ersten Anzeichen nicht zu verstecken – denn wenn die Symptome bereits stark ausgeprägt sind, wird es immer schwieriger und langwieriger, die Erkrankung zu behandeln. Wer den Verdacht auf eine hochfunktionale Depression hat, sollte sich daher nicht scheuen, einer vertrauten Person davon zu erzählen oder psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Depression: Wo finde ich Hilfe?

Wenn Sie sich ständig erschöpft und traurig fühlen oder unter Schlafproblemen leiden, kann dies auf eine Depression hindeuten. Spätestens nach zwei Wochen Niedergeschlagenheit ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen. Auf der Website der Deutschen Depressionshilfe finden Sie verschiedene Anlaufstellen. Dort sind auch Adressen für Notfälle gelistet. Bei konkreten Suizidgedanken ist es wichtig, die nächstgelegene Klinik mit psychiatrischer Notaufnahme aufzusuchen.

Bei akuten Sorgen oder Ängsten können Sie jederzeit anonym die Telefonseelsorge unter den Telefonnummern 0800/111 0 111 oder 116 123 anrufen.

Wenn Sie nicht selbst betroffen sind, aber depressive Symptome bei anderen bemerken, erhalten Sie auf der Website der Deutschen Depressionshilfe konkrete Handlungsempfehlungen. Besteht eine konkrete Suizidgefahr ist es wichtig, sofort den Rettungsdienst unter 112 oder die Polizei zu verständigen.