HIV-positiv – und jetzt?
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Es ist neun Jahre her, dass die sonst so agile, topfitte Alexandra Wöger dachte: Irgendwas stimmt nicht mit mir: „Ich schwitze, habe geschwollene Lymphknoten und 17 Kilo Gewicht verloren.“ Die Ärzte waren ratlos, überwiesen sie in die Aachener Universitätsklinik. Dort machte man einen HIV-Test.
„Sie sind HIV-positiv“, sagte die Ärztin. Ihre prognostizierte Lebenserwartung: 10 bis 15 Jahre.“ Als Erstes habe ich ausgerechnet, wie alt mein Sohn dann wäre. Marcus war damals erst fünf! Dann fuhr ich zu meinen Eltern und erzählte es ihnen. Ich sah meinen Vater zum ersten Mal weinen.
Vom Ehemann betrogen
Skeptisch machte sie die Reaktion ihres Ex-Mannes. „Ich rief ihn von unterwegs an, er sagte nur: 'Das kann nicht sein!'“ Etwas an seinem Tonfall kam ihr merkwürdig vor. Bis heute hat Norbert nicht zugegeben, dass er Alexandra betrogen hat. Doch sie ist überzeugt: „Er war mir untreu, hat mich mit dem Virus infiziert. Seinetwegen bin ich HIV-positiv. Er hat es aber immer wieder abgestritten. Schließlich hab' ich mich scheiden lassen. Heute lebt er mit einem Mann zusammen.“
Die Zeit nach der Diagnose erlebte Alexandra wie in Trance. Sie lag in der Uniklinik auf der Isolierstation, um die Dosis der Medikamente einzustellen, die für ein stabiles Immunsystem sorgen und den Ausbruch von Aids verhindern. „Im Zimmer nebenan lag ein Afrikaner mit Aids im Endstadium, völlig abgemagert. Ich dachte nur: Dieses Schicksal steht mir auch bevor.“
HIV-positiv bedeutet nicht gleich Aids-krank
Es war ein Nachtpfleger, der Alexandra beruhigte: Eine positive HIV-Infektion müsse nicht zwangsläufig zum Ausbruch der tödlichen Immunschwächekrankheit führen. Manche würden mit dem HI-Virus sogar uralt – weil Aids überhaupt nicht ausbrechen würde. „In dieser Nacht schlief ich das erste Mal wieder.“ Dann begann die Behandlung. „Acht Wochen lang war mir schwindelig und speiübel.“ Seit die Dosis reduziert wurde, verträgt Alexandra ihre Medikamente besser, leidet nur selten unter Haarausfall, Durchfall oder Gelenkschmerzen. „Ansonsten habe ich überhaupt keine Beschwerden.“
Alexandra erzählte ihren Freunden sehr schnell von der Krankheit. „Die Reaktionen waren toll. Alle waren da, wenn ich sie brauchte. Niemand hat mich gemieden, nur weil ich HIV-positiv bin.“ Sie beschloss aber, ihrem Sohn zunächst nichts zu erzählen.
Neun Jahre lang kämpft sie jetzt schon jeden Tag um ihre Gesundheit – und ihr Leben. Sie ernährt sich gesund, macht regelmäßig Sport. „Ich habe meinen Frieden mit der Krankheit geschlossen“, sagt Alexandra. Sie hält Vorträge, engagiert sich in der Aufklärung. „Aber die Angst, dass Aids ausbrechen könnte, ist natürlich unterschwellig immer da.“ Bei jedem Infekt, jedem Fieber denkt sie: Kommt es jetzt durch? Was wird mit Marcus? Doch zum Glück ist das bisher noch nicht passiert.
HIV-positiv - wie sage ich es meinem Kind?
Erst vor Kurzem beschloss Alexandra: Jetzt ist Marcus alt genug. Und weihte ihn ein. Dazu griff sie zu einem Trick: „Ich meldete mich für das Marathonprojekt B42 an. Dabei nehmen Menschen mit HIV nach einjährigem Training an einem Lauf teil.“ Durch diese Höchstleistung wollte Alexandra ihrem Sohn beweisen, wie fit sie ist – ihm die Sorge nehmen, sie sei dem Tod geweiht. Es funktionierte: „Als ich es Marcus erzählte, umarmte er mich und sagte: ,Ach, Mama, das hättest du mir viel früher sagen können!'“
Am Valentinstag 2010 ging für Alexandra ein großer Wunsch in Erfüllung. Sie lernte einen netten Mann kennen – übers Internet. „Wir gingen zusammen ins Kino. Am nächsten Morgen beim Joggen arbeitete es in meinem Kopf: Wann sage ich's ihm bloß?“ Alexandra tat es sofort. Sie rief Michael (40) an und klärte ihn über ihre Situation auf. „Danach dachte ich: Okay, von dem höre ich nie wieder, der will sich nicht anstecken.“ Aber es war nicht so. Michaels Sorge war, dass er sich gerade in eine Frau verliebte, die vielleicht bald sterben würde.
HIV-positiv: Schutz mit Kondomen
Um ihm Ängste zu nehmen, ging Alexandra mit Michael zu ihrem Internisten, der ihre stabilen Immunwerte erklärte. „Danach nahm Michael mich in den Arm und küsste mich. Seitdem sind wir ein Paar. Natürlich schützen wir uns beim Sex mit Kondomen. Anfangs hatte ich Angst, ich könnte ihn infizieren. Aber neue Studien belegen, dass Menschen mit so guten Immunwerten wie ich kaum eine Gefahr darstellen, das Virus zu übertragen.“
Heute hat Alexandra sich damit arrangiert, mit dem Virus leben zu müssen. Ihr größter Wunsch? „Dass sich niemand mehr für seine HIV-Infektion schämen muss.“