Herdenimmunität bei Corona: 5 Gründe, warum sie unmöglich ist
Neben der Corona-Impfung ist die Herdenimmunität eine der Hoffnungen, die Pandemie in naher Zukunft zu beenden. Aber geht das überhaupt? Diese 5 Gründe erklären, warum Herdenimmunität unmöglich ist.
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Um die Corona-Pandemie zu beenden, hoffen viele auf die viel zitierte sogenannte "Herdenimmunität". Vor allem zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 war die Hoffnung groß, dass die Bevölkerung eines Tages ausreichend „durchseucht“ sein würde und diese Herdenimmunität neben den nun zur Verfügung stehenden Impfstoffen bei der Bekämpfung des Virus wirksam sein könnten. Die Bedingungen haben sich aber geändert. Diese 5 Gründe erklären, warum wir eine Herdenimmunität vermutlich nie erreichen werden.
Was ist eigentlich eine Herdenimmunität und wie wird sie erreicht?
Eine Herdenimmunität wird als Stadium definiert, in dem eine ausreichende Anzahl an Menschen immun gegen einen Erreger sind. Ziel ist es, dass der Erreger Sars-CoV-2 nicht mehr einfach von Wirt zu Wirt springen kann. Ob für diese Immunität nun 60, 70, 80 oder mehr Prozent der Bevölkerung immun sein sollte, hängt vom Erreger ab. Außerdem gibt es seitens der Wissenschaft keine einheitlich definierte Zahl. Es wird noch diskutiert, wann die Herdenimmunität gegen das Coronavirus erreicht werden könnte. Klar zu sein scheint hingegen, dass diese Herdenimmunität durch eine hohe Anzahl an Menschen, die die Erkrankung durchgemacht haben, allein nicht erreicht werden kann. Impfungen sind deswegen ein wichtiger Bestandteil, um sich vor einer Infektion zu schützen.
Das Robert Koch-Institut und Angela Merkel haben aufgrund der hier dominierenden Delta-Variante eine Immunisierung der Bevölkerung durch eine Corona-Impfung von mindestens 85 Prozent in der Altersspanne von 12 bis 49 Jahren gefordert, um das Infektionsgeschehen in Deutschland zukünftig im Griff halten zu können.
Die Hoffnung, dass wir die Herdenimmunität erreichen, wird immer unrealistischer. Im Februar änderte der unabhängige Datenwissenschaftler Youyang Gu die Bezeichnung seines COVID-19-Prognosemodells von „Path to Herd Immunity“ in „Path to Normality“.
Wegen der verbreiteten Impfzurückhaltung, dem Auftauchen neuer Mutanten und der für Kinder noch nicht zur Verfügung stehenden Impfung wird die Herdenimmunität womöglich nie erreicht werden. Viele Wissenschaftler teilen diese Meinung und sehen die Corona-Pandemie auf dem Weg zu einer Endemie, die uns als Krankheit ähnlich wie die Grippe immer begleiten wird.
Diese 5 Gründe sprechen gegen die Erreichung der Herdenimmunität in der Corona-Pandemie
Warum die Frage nach der Herdenimmunität für die Zukunft überhaupt so wichtig ist? Das zeigen diese 5 Gründe.
1. Delta, Eta, Gamma: Die Corona-Mutationen machen eine Herdenimmunität unmöglich
Längst kämpfen wir nicht mehr gegen das eine Coronavirus an. Es tauchen ständig neue Varianten von Sars-CoV-2 auf, die ihre Eigenschaften verändern. Sie werden zunehmend ansteckender und resistenter gegen Impfstoffe. So geschehen auch bei der Delta-Variante, die sich zunächst in Indien ausbreitete und nun auch in Deutschland dominierend ist. Das Problem: Die bestehenden Impfstoffe wirken womöglich nicht gegen alle Varianten.
So lieferte Brasilien ein trauriges Beispiel dafür: In der Stadt Manaus soll der Rückgang von COVID-19 zwischen Mai und Oktober 2020 auf Herdenimmunitätseffekte zurückzuführen sein. Bis Juni 2020 sollen mehr als 60 Prozent der Bevölkerung infiziert worden sein. Eigentlich hätte das zum Schutz der Bevölkerung ausreichen müssen. Im Januar jedoch kehrte Corona als Mutante P1 in die Stadt zurück und führte zu massiven Neuinfektionen, die allein durch diese Variante des Virus ausgelöst wurden.
2. Keine Herdenimminität bei Sars-COV-2, weil auch Geimpfte ansteckend sind
Gerade die Corona-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna sollen besonders wirksam bei der Verhinderung von Symptomen und einem schweren Krankheitsverlauf sein. Ob sie die geimpften Menschen schützen, sich trotzdem zu infizieren und das Virus auf andere zu übertragen, ist noch nicht ausreichend erforscht. Das Problem: Immer mehr sogenannte "Impfdurchbrüche" werden bei den neu entstehenden Corona-Varianten vermerkt. Das bedeutet, dass trotz Impfung die Betroffenen sich dennoch infizieren können.
Wenn geimpfte Personen weiterhin ansteckend sein könnten, hätte das Konsequenzen für die Herdenimmunität. Nur wenn der Impfstoff die Übertragung blockiert, kann diese Immunität erreicht werden, oder, indem die gesamte Bevölkerung geimpft wird. Das Beispiel England zeigt, das dies beinahe unmöglich ist. Nach Anstieg der Delta-Variante zeigte sich hier, dass sich auch Geimpfte infizierten - einige davon erlitten sogar einen schweren Verlauf.
3. Herdenimmunität nicht erreichbar, da die Corona-Impfstoffe global ungleich verteilt sind
Während in Israel im Frühjahr 2021 weltweit führend bei der Impfung seiner Bevölkerung ist, hinken verschiedene Staaten in Europa hinterher. Ganz zu schweigen von der Versorgung von Ländern der Dritten Welt mit Impfstoffen gegen SARS-CoV-2. Da eine perfekte weltweite Verteilung der Impfstoffe unwahrscheinlich ist, verlieren wir den Wettlauf gegen die Mutationen des Virus.
Zudem wähnen sich Menschen in einer trügerischen Sicherheit, wenn eine hohe Prozentzahl der Bevölkerung bereits geimpft ist. Bestes Beispiel ist Israel. Mitte März war schon rund 50 Prozent der Bevölkerung im Land vollständig mit zwei Dosen geimpft. Nun wollen sich zunehmend weniger junge Menschen dort impfen lassen und müssen mit „Gratis-Bier“ und ähnlichen Aktionen zum Impfen geworben werden.
Doch auch wenn diese Maßnahmen fruchten sollten, haben die Nachbarländer Israels wie Syrien, Libanon oder Ägypten einen Großteil ihrer jeweiligen Bevölkerung noch nicht geimpft. Gefahr droht also auch jenseits der Landesgrenzen.
4. COVID-19: Immunität hält nur begrenzt
Am Beispiel Wuhan ist zu sehen, dass eine durchgemachte Infektion mit dem Virus keine Garantie für die Entwicklung von ausreichenden Antikörpern bietet. Impfstoffe könnten einen höheren Schutz bieten. Die Datenlage ist hierzu noch nicht ausreichend. Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen sich geimpfte Personen dennoch erneut mit Sars-CoV-2 infizieren.
Auch die Frage, wie lange die Immunität durch eine Impfung anhält, ist noch nicht sicher. Sie scheint mit der Zeit schwächer zu werden. Erste Hinweise lassen sich jedoch aus Untersuchungen mit genesenen Corona-Patienten entnehmen. Eine kürzlich veröffentliche Studie des kalifornischen La-Jolla-Instituts für Immunologie hat festgestellt, dass zumindest fünf Monate nach dem Einsetzen der Symptome noch Antikörper und T-Zellen nachweisbar waren.Einer der größten Impfstoff-Hersteller Biontech hat nun aufgrund neuer Virus-Mutationen bereits die Zulassung für eine dritte Impfung in den USA beantragt. Auch in Europa soll die Zulassung für eine weitere Verabreichung der Dosis bald erfolgen. So könnte die Impfschutz-Dauer und auch der Schutz an sich auch gegen die neu entwickelten Virus-Varianten erhöht werden.
Für eine verlässliche Prognose wären jedoch weitere Modellierungen notwendig. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Impfstoffproduktion weiter unter Zeitdruck ist und dass die Impfstoffe nicht zu 100 Prozent wirksam sind.
5. Superspreader-Events: Geimpfte Personen verhalten sich nicht mehr vorsichtig
Die Einschränkung sozialer Kontakte und das Tragen von Masken sowie die Einhaltung von Hygienemaßnahmen tragen in dieser Phase der Pandemie dazu bei, dass die Ausbreitung des Virus und seiner Mutationen eingedämmt werden, während die Impfung zunehmend mehr Menschen schützt. Solange jedoch die Mehrzahl der Bevölkerung noch nicht geimpft ist, müssen sich alle Personengruppen weiterhin vorsichtig verhalten. Wie schnell sich Veranstaltungen bei Nichteinhaltung zu einem Super-Spreading-Event entwickeln können, zeigen aktuell mehrere Beispiele. So müssen in Celle nun unlängst nach einer Abi-Feier mindestens 300 Menschen in Quarantäne. In Hamburg wurde ein Bar-Besuch zum Auslöser einer großen Massen-Isolation.
Da nicht klar ist, ob Geimpfte das Virus oder noch ansteckendere Varianten verbreiten, sind die Schutzmaßnahmen weiterhin elementar, um die Verbreitung des Virus zu drosseln.
Auch wenn wir die Herdenimmunität bei Corona wahrscheinlich nie erreichen werden, scheinen Impfungen und Social Distancing dazu beizutragen, dass schwere Verläufe und Todesfälle abnehmen. Corona wird uns wohl noch eine Weile beschäftigen. Diese 5 Gründe, warum eine Herdenimmunität in der Corona-Pandemie unmöglich ist, verdeutlichen, dass wir mit einer neuen Realität zu tun haben, in der wir uns auf eine länger andauernde Endemie einstellen sollten.
Quellen:
Fünf Gründe, warum Herdenimmunität wahrscheinlich unmöglich ist, in: spektrum.de
Wuhan zeigt: Herdenimmunität nicht durch Infektionnen erreichbar, in: mdr.de
Wie lange hält der Impfschutz?, in: pharmazeutische-zeitung.de