Freizeitstress? 3 Experten-Tipps für dauerhafte Erholung

Freizeitstress bedeutet Druck statt Erholung an arbeitsfreien Tagen. Das kann zu einem echten Problem werden. Was hilft, verrät unser Experte im Interview.

Frau mit zwei Wochenplanern
Wer seine Freizeit zu sehr verplant, hat keine Chance auf Erholung Foto: iStock/AndreyPopov
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Freizeitstress ist paradox: Statt sich vom Alltagsstress zu erholen, sind immer mehr Menschen von ihrer arbeitsfreien Zeit gestresst. Meist ist Stress in der Freizeit auf zwei unterschiedliche Ursachen zurückzuführen. Dr. Andreas Hagemann, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, hat uns drei schnelle und wirksame Methoden gegen Freizeitstress verraten.

Freizeitstress: Woher kommt das?

Grundsätzlich können zwei Arten von Freizeitstress unterschieden werden. Manche Menschen empfinden Freizeitstress, weil sie in ihrer arbeitsfreien Zeit zu viel erleben (wollen). "Wer am Feierabend und das ganze Wochenende ständig verplant und rundum ausgebucht ist, der fördert eher Erschöpfung als Entspannung", verdeutlicht Dr. Hagemann im Interview mit Praxisvita.

Andere wiederum wollen Entspannung in der Freizeit über Medienkonsum erreichen und triggern so Stressreaktionen im Körper. "Passives Sitzen vor einem Bildschirm fördert keinen Stressabbau, sondern erhöht das Stresslevel", so Dr. Hagemann. Statt Erholung entsteht so – oft unbemerkt – Freizeitstress.

Freizeit: Stress als Folge von Aktionismus

Ein Irrglaube, der sich in unserer Gesellschaft festgesetzt hat, ist, dass selbst die Freizeit produktiv gestaltet werden müsse. Alles wird zielgerichtet durchgeführt: Sport für den perfekten Körper, Freunde treffen, um das soziale Leben aufrecht zu erhalten, das richtige Buch lesen, um sich weiterzubilden, ja selbst meditieren hat einen Zweck. Dr. Hagemann hingegen rät eher dazu, "hin und wieder scheinbar unnütze oder überflüssige Dinge zu tun" und vor allem in der Freizeit keinem Leistungsdruck zu erliegen. "Wer alles perfekt machen und sowohl im Büro als auch auf dem Fußballplatz in der Freizeit immer der Beste sein möchte, der setzt sich unter Druck – und bewirkt auf Dauer das Gegenteil", so der Experte.

Psychologe rät: 3 Tipps gegen Freizeitstress

"Wie Studien zeigen, verlernen wir zunehmend unsere Freizeit zu genießen", erklärt Dr. Hagemann das Phänomen Freizeitstress. Um zurück in den Genuss zu finden, reicht es, an zwei Stellschrauben zu drehen: Wie wir uns unsere freie Zeit gestalten und womit wir sie füllen.

Die drei folgenden Tipps helfen dabei, Freizeitstress zu minimieren.

1. Akzente statt maximaler Auslastung

Wenn ein Termin den nächsten jagt, ist Freizeit genauso stressig wie der Job. Im übertragenen Sinn lässt sich sagen, dass Freizeit gut tut, wenn sie frei (gestaltet) ist. "Mein Tipp gegen Freizeitstress: Versuchen Sie nicht, das Maximum aus Ihrer freien Zeit herauszuholen, sondern setzen Sie Akzente durch einige ausgewählte Termine", betont Dr. Hagemann.

Bei diesen ausgewählten Terminen muss es nicht um Spektakuläres handeln. "Es sollten Momente sein, die Ihnen Spaß machen, die Sie unbeschwert genießen können."

Ein wichtiger Nebeneffekt von weniger Terminen in der Freizeit: Es entsteht mehr Raum für Spontanität. "Feste Termine rund um die Uhr nehmen uns die Luft zum Atmen. Besser und wohltuender ist es, öfter in den Tag hineinzuleben", rät Dr. Hagemann.

2. Benachrichtigungen aus, "Nicht stören" ein und entspannen

Das Smartphone ist gleichbedeutend mit ständiger Erreichbarkeit – ein Faktor, der im Job wie im Alltag für erheblichen Stress sorgt. Das muss allerdings nicht sein, denn mit ein paar einfachen Einstellungen wird das Handy freizeitfreundlicher. Dazu braucht es nicht einmal den Flugmodus.

Probieren Sie diese drei Einstellungen:

  • Schalten Sie die Benachrichtigungen für Social Media, E-Mails & Co. aus. So werden Sie nicht ständig darauf hingewiesen, dass Sie etwas verpassen könnten.

  • Stellen Sie WhatsApp-Chats lautlos, damit neue Nachrichten nicht auf dem Sperrbildschirm Ihres Handys angezeigt werden. Sie müssen die App aktiv öffnen, um Nachrichten zu lesen.

  • Aktivieren Sie die "Nicht stören"-Funktion, wodurch sich Töne, Vibrationen und Benachrichtigungen stumm schalten. Bei iOS wie bei Android kann diese Funktion individuell getimt werden, sodass sie beispielsweise jeden Abend um 19 Uhr anspringt und sich jeden Morgen um 7 Uhr automatisch deaktiviert.

3. Passiver Freizeitstress: Nicht berieseln lassen

Kennen Sie das? Nach einem langen Arbeitstag, Diskussionen mit den Kindern über nicht aufgeräumte Zimmer, Essen kochen und der Wäsche fehlt am Ende des Tages die Kraft, seine freie Zeit aktiv zu gestalten. So wird Freizeit vor allem unter der Woche auf der Couch vor dem Fernseher, dem Handy oder Computer verbracht, wo man sich berieseln lassen kann. Auf lange Sicht aber löst diese Art von Freizeit massiven Stress aus, betont Dr. Hagemann:

"Medienkonsum ist tückisch. Ohne es zu merken, verfliegen die Stunden, in denen wir passiv vor dem Bildschirm sitzen. Dies macht uns oftmals unzufrieden und fördert weder Stressabbau noch mentale Fitness. "

Hinzu kommt die Tatsache, dass wir auf der Couch sitzen und uns nicht bewegen. Durch Bewegung aber wird die Produktion von Glückshormonen – unter anderem Dopamin und Endorphine – im Körper angeregt "und somit das Gefühl für Glück und Freude", wie Dr. Hagemann unterstreicht.

Freizeitstress vermeiden: Handy weg

Hinter Freizeitstress steht häufig ein Gefühl, das in der modernen Gesellschaft mehr und mehr an Bedeutung gewinnt: FOMO. Das Akronym steht für "Fear Of Missing Out", also die Angst davor, etwas zu verpassen. Dieses psychologische Phänomen ist nicht neu, wird durch Social Media aber befeuert. FOMO schränkt unsere Fähigkeit, die Freizeit zu genießen, stark ein. "Dank Facebook, Instagram & Co. können wir scheinbar permanent etwas erleben – rund um die Uhr, komfortabel per Klick. Zu sehen, was Freunde und Bekannte so alles unternehmen, kann faszinierend und spannend sein, aber auch zu einem erheblichen Erlebnisdruck und damit zu Freizeitstress führen: Überfordert von der Vielfalt an Storys und Events, wächst die Angst, eventuell etwas zu verpassen und von den Erlebnissen der anderen ausgeschlossen zu sein", erklärt Dr. Hagemann das Problem.

Tatsächlich hilft es mit Blick auf Freizeitstress, das Smartphone zu regelmäßigen Zeiten aus der Hand zu legen. "Zu lernen, wieder für gewisse Zeiten ohne Handy auszukommen, schafft mehr persönliche Freiräume und fördert zudem den Stressabbau", unterstreicht Dr. Hagemann. Sein Tipp: Beim nächsten Waldspaziergang das Telefon zuhause lassen und so in kleinen Dosen üben, ohne Handy unterwegs zu sein.

Dr. Andreas Hagemann - Foto: Privatklinik Duisburg
Unser Experte

Dr. Andreas Hagemann ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er leitet als Ärztlicher Direktor die u.a. auf psychosomatische Schmerztherapien sowie Burnout und Stresserkrankungen spezialisierten Haku-Privatkliniken Eschweiler, Duisburg und Merbeck.