Formel für weniger Neurodermitis-Beschwerden: Salz plus Sonnenlicht minus Stress

Aus der Serie: Neurodermitis

Die besten Therapien gegen Neurodermitis: Prof. Ockenfels, unser Spezialist für Hautkrankheiten, empfiehlt im Experteninterview erfolgversprechende Behandlungsmethoden.

Wie unterscheide ich Neurodermitis von trockener Haut?

Die Neurodermitis und trockene Haut hängen häufig eng zusammen. Die Haut des Neurodermitikers bildet nicht so viele Fettsäuren wie die gesunde Haut. Dasselbe Problem liegt bei der trockenen Haut vor: Sie ist spröde und schuppt sich. Entscheidend ist, ob zusätzlich Rötungen auftreten. Die Rötungen sind Hinweise auf eine Entzündung in der Haut. Dann sollte ein Dermatologe aufgesucht werden, der z. B. mithilfe eines Allergietests herausfinden kann, ob eine Neurodermitis vorliegt.

Warum erkranken immer mehr Kinder an Neurodermitis?

Weil wir in einer desinfizierten Welt leben. Immer weniger Kinder wachsen in ländlicher Atmosphäre auf, in der ihre Antikörper herausgefordert und entsprechend trainiert werden. Die Antikörper eines Kindes, das in einer gut behüteten Stadtwohnung lebt, müssen sich kaum gegen Parasiten wehren. Sie haben nichts mehr zu tun und wenden sich in Form von Allergien gegen das eigene Immunsystem. 90 Prozent aller Neurodermitis-Erkrankungen liegt eine Allergie zugrunde.

Kann die Neurodermitis auch im Erwachsenenalter das erste Mal auftreten?

Auf jeden Fall. Die veränderten Umweltbedingungen haben in den letzten Jahrzehnten zur gesteigerten Anzahl der Erkrankungen geführt, sowohl im Kindes- als auch im Erwachsenenalter. Bei letzteren ist Stress der Hauptauslöser von Neurodermitis.

Gibt es bestimmte Stoffe, die ich als Neurodermitis-Erkrankter nicht auf der Haut tragen sollte?

Reine Kunstfasern oder Schurwolle auf nackter Haut können die Haut stark reizen. Am hautfreundlichsten sind reine Baumwolle, Leinen und Seide. Auch manche Chemikalien, die zum Färben der Stoffe verwendet werden, sind nicht immer gut verträglich. Erkrankte sollten z. B. bei ihrer Unterwäsche – also bei der Kleidung, die unmittelbar mit der Haut in Kontakt steht – darauf achten, dass sie nicht gefärbt ist.

Was halten Sie von Kleidung aus Silber-Textilien, die vermehrt auch für Neurodermitiker angeboten wird?

Silber-Ionen haben eine antibakterielle Wirkung. Deshalb wird mit Silber beschichtete Kleidung vor allem in Krankenhäusern verwendet. Für den privaten Gebrauch empfehle ich eine solche Kleidung nicht. Ihr tatsächlicher positiver Nutzen für Neurodermitis-Erkrankte konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Selbst Cremes mit Silber-Ionen haben nicht unbedingt eine heilende Wirkung bei Neurodermitikern. Da steckt meiner Ansicht nach vor allem viel Geldmacherei dahinter – ohne großen medizinischen Nutzen.

Haben Sie besondere Empfehlungen, was gegen den Juckreiz bei Neurodermitis hilft?

Gut sind Ölbäder, die der erkrankten Haut die fehlenden Fettsäuren zurückgeben. Diese Wirkung hat auch Nachtkerzenöl, das man auf die betroffenen Hautstellen auftragen kann. Das intensive Eincremen mit harnstoffhaltigen Cremes hilft ebenfalls der Haut und lindert den Juckreiz. Allgemein verschafft auch Sonnenlicht den meisten Neurodermitikern Erleichterung.

Wie viel Sonne ist gesund für Betroffene?

Das ist sehr unterschiedlich. Grundsätzlich sollten über das Jahr nur 30 bis 40 Sonnenbäder genossen werden, wobei das nur ein Richtwert ist. Je nach Sonnenintensität genügt manchmal schon eine halbe Stunde, um als Sonnenbad zu zählen und ein zweiwöchiger Strandurlaub auf Mallorca im Juni zum Sonnenhöchststand macht einen großen Teil der Jahresdosis aus. In diesem Rahmen sollte jeder Neurodermitis-Patient selbst ausprobieren, ab welchem Umfang die Sonnenstrahlung bei ihm eine Wirkung zeigt. Bei manchen Patienten reichen sechs bis acht Sonnenbäder, andere benötigten 30 Lichtbestrahlungen, bis sich eine positive Wirkung einstellt. Das muss jeder Patient selbst ausprobieren.

Gibt es auch eine Alternative zum Sonnenlicht?

Sehr zu empfehlen ist eine Lichttherapie mit ausschließlich blauem Licht. So umgeht man die hautkrebsfördernde Wirkung des UV-Lichts, erzielt aber einen effektiven Therapieerfolg. Das Licht ist für gesunde Zellen durchsichtig, entzündete Zellen tötet es ab. Es ist also entzündungshemmend und stillt den Juckreiz.

Was halten Sie von der Therapie mit Kangal-Fischen: Der von einer Hautkrankheit Betroffene badet mit ihnen. Die Fische ernähren sich von Hautschuppen und knabbern sie deshalb ab.

Von dieser Hauttherapie hört man in letzter Zeit häufig, aber: Es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis für ihre Wirksamkeit. Vor allem sind Schuppen nicht das Hauptproblem des Neurodermitikers. Schuppen sind bei ihm eine Folge der trockenen Haut, unter ihnen liegt selten neue, gesunde Haut, sondern Entzündungen. Ein weiterer negativer Effekt: Der Feuchtigkeitshaushalt der Haut eines Neurodermitikers ist gestört. Ein tägliches mehrstündiges Bad entzieht der Haut zusätzlich Feuchtigkeit und ist deshalb nicht zu empfehlen.

Welche Wirkung hat Salz auf die erkrankte Haut?

Die Haut eines Neurodermitikers hat kleine Einrisse. Deshalb ist eine sehr hochprozentige Sole, die wässrige Lösung von Salzen, für ihn eher schlecht, da es dann zu extremen Hautreizungen kommen kann. Für Neurodermitiker ist eine Schwachsole mit ca. drei bis vier Prozent gelöstem Salz empfehlenswert.

Empfehlen Sie selbstgemachte Salzbäder für zuhause?

Es gilt zu beachten, dass das Salz alleine keine heilende Wirkung hat. Nur in Verbindung mit Bestrahlung tritt der positive Effekt von Salzbädern auf. Das Salzwasser lässt die Haut ein bisschen aufquellen, Hautschuppen können so vermehrt abgestoßen werden und das Licht kann die Haut besser durchdringen – und seine entzündungshemmende, juckreizstillende Wirkung entfalten. Das Bad im Salzwasser und das Sonnenbad gehören zusammen, um eine Heilung zu bewirken.

Im Interview: Prof. Dr. med. Hans Michael Ockenfels
Ärztlicher Leiter der Haut- und Allergiepraxis am Klinikum Hanau, Facharzt für Haut-  und Geschlechtskrankheiten, Forschungsschwerpunkte: Fotodermatologie und Schuppenflechte. Website: www.klinikum-hanau.de