Fehler bei Corona-Impfungen – STIKO-Chef macht Geständnis

Spricht die STIKO ihre Empfehlungen zu den Corona-Impfungen in Deutschland zu spät aus? STIKO-Chef Mertens stellt sich den Vorwürfen – und sorgt für zusätzliche Verwirrung. Alle Infos!

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Die Ständige Impfkommission gerät zunehmend in die Kritik. So kämen die STIKO-Empfehlungen zu den Corona-Impfungen nicht nur zu spät, sondern seien außerdem zu ungenau und nicht rein wissenschaftlich. 
Jetzt räumt STIKO-Chef Thomas Mertens Fehler während der Pandemie ein. Gleichzeitig sorgt der Ulmer Virologe für zusätzliche Verwirrung durch ein überraschendes Geständnis.  

STIKO: Zu langsam, vor allem beim Boostern

Während die vierte Corona-Welle Deutschland fest im Griff hat und vielerorts für astronomisch hohe Infektionszahlen sorgt, wird die Kritik an der STIKO immer lauter. Die im Kern ehrenamtliche, aus 18 Personen bestehende Expertengruppe arbeite empfindlich zu langsam und treffe teilweise verheerende Entscheidungen. Ein Beispiel ist die Impfempfehlung für Schwangere. Diese sprach die STIKO erst Mitte September aus, während die entsprechenden Impfempfehlungen in den USA und in Israel schon im Juni abgegeben worden waren.

Einer der größten Streitpunkte aber ist das Boostern. Die STIKO hatte erst ab Mitte November zu Auffrischimpfungen für alle ab 18 Jahren geraten. Davor galt die STIKO-Empfehlung nur für Personen über 70 Jahre. 
STIKO-Chef Thomas Mertens räumte jetzt im ARD-Politikmagazin "Panorama" ein, dass Entscheidungen wie diese "aus der heutigen Perspektive" zu spät gefallen seien. Es wäre "wahrscheinlich günstiger gewesen, mit dem Boostern früher anzufangen", so der Ulmer Virologe. 

Heftige Kritik aus Israel

Die vorsichtige Formulierung "wahrscheinlich günstiger" dürfte bei Ronnie Gamzu auf völliges Unverständnis stoßen. Der ehemalige Leiter des israelischen Impfprogramms äußerte sich zu Gast bei "Panorama" extrem kritisch über die später Booster-Empfehlung der STIKO. "Das war einfach total falsch", so der Experte. "Wir hatten klare Beweise, wir haben die Daten. Es gab keine wissenschaftliche Basis dafür zu sagen, die Auffrischungsimpfung bringe nur den über 65- oder über 70-Jährigen etwas. Wir haben gesehen, dass die Zahl der Antikörper auch bei 40-Jährigen zurückgeht."

Mertens reagierte auf die Vorwürfe mit dem Hinweis, dass man wissenschaftliche Daten nicht einfach auf unterschiedliche Länder übertragen könne. "Der Vergleich mit Israel ist an vielen Punkten nicht möglich", so Mertens.

Streit um Einflussfaktoren

Die Entscheidungen der STIKO fallen Kritikern zufolge nicht nur zu langsam, auch sind sie nicht rein wissenschaftlicher Natur. Ebenfalls am Beispiel der Booster-Empfehlung für über 70-Jährige erklärte Mertens, dass es eigentlich nicht Aufgabe der Expertengruppe sei, darüber zu befinden, "wie die Impfstoffe beschafft werden, wie die Impfstoffe verteilt werden. Das sind alles Dinge, die die STIKO überhaupt nicht betreffen".

Dennoch fließen Faktoren wie dieser in die STIKO-Empfehlungen mit ein. "Das sehen Sie an der Frage der Empfehlung der über-70-Jährigen", erklärte Mertens. "Da nicht absehbar war, dass wir in unserer Bevölkerung so schnell wie in Israel eine Durchimpfung vornehmen können, musste man auf jeden Fall zunächst die Menschen schützen, die auch ein hohes Risiko für schwere Erkrankung haben. Und das war der Hauptgrund für diese Empfehlung." An diesem Beispiel zeigt sich, dass nicht nur die Datenlage die STIKO-Entscheidung beeinflusst hat, sondern auch der Impffortschritt und das Impfangebot in Deutschland.   

Kinderimpfung: Mertens überrascht mit Geständnis

Die STIKO steht allerdings nicht nur wegen zurückliegender Entscheidungen im Blick der Öffentlichkeit. Mit Spannung erwartet wird die Empfehlung des Gremiums hinsichtlich der Kinderimpfungen in Deutschland. 

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hatte am 25. November empfohlen, den Kinderimpfstoff von Biontech/Pfizer zuzulassen. Ab dem 13. Dezember wird das mRNA-Vakzin in Europa verfügbar sein. Bis dahin will die STIKO eine Entscheidung getroffen haben. 

Zu Gast im "F.A.Z.-Podcast für Deutschland" sagte Mertens, er würde sein jetzt siebenjähriges Kind nach aktuellen Datenstand nicht impfen lassen. Zwar gebe es Daten aus der Zulassungsstudie, aber darüber hinaus wäre zu wenig über die Verträglichkeit des Vakzins bekannt. 

Die STIKO wolle abwägen, ob der Nutzen einer Impfung für Fünf- bis Elfjährige die möglichen Risiken übersteigt – immerhin hätten mehrere Untersuchungen ergeben, dass vor allem junge Kinder selten schwer an Corona erkranken. "Wenn die Krankheit für die zu Impfenden medizinisch gesehen keine schwerwiegende Rolle spielt, muss man umso sicherer sein, dass die Impfung auch auf Dauer gut verträglich ist", betonte Mertens. 

Der Virologe rechnet mit einer STIKO-Empfehlung zu Kinderimpfungen bis zum 11. Dezember.