Erotomanie: Wenn Menschen wahnhaft lieben

Bei Erotomanie handelt es sich um die wahnhafte Liebe zu einer Person und die krankhafte Vorstellung, diese sei ebenfalls unsterblich in einen verliebt – nur leider weiß die betreffende Person davon nichts. Das Phänomen der ausgeprägten Liebe zu einer in den meisten Fällen unerreichbaren Person tritt häufig als Begleiterscheinung einer psychischen Störung auf.

Frau mit Erotomanie himmelt ihren Schwarm an
Bei einer Erotomanie hat sich eine Person unsterblich und krankhaft in einen anderen Menschen verliebt und glaubt gleichzeitig, dies beruhe auf Gegenseitigkeit Foto: iStock/Mixmike

Was ist Erotomanie?

Der Begriff der Erotomanie ist recht einfach zu erklären – doch für die tiefere Bedeutung und den psychologischen Hintergrund muss man wesentlich weiter ausholen. “Eros” kommt aus dem Griechischen und kann im Deutschen mit Liebe, Begehren und Verlangen wiedergegeben werden. Der griechische Ausdruck Manie meint Raserei, Wut, Wahnsinn – in jedem Fall eine Aktivität, die sich weit über dem Normalniveau befindet. Diejenige Person, die sich unsterblich und krankhaft in einen anderen Menschen verliebt und gleichzeitig glaubt, dies beruhe auf Gegenseitigkeit, nennt man einen Erotomanen.

Symptome für Erotomanie

Es beginnt mit einem leichten Gefühl des Glücks, erste Schmetterlinge im Bauch künden davon, dass man sich verliebt hat. Nun möchte man nichts lieber, als dem/der Auserwählten nahe zu sein, das Glück zu genießen und ebenfalls geliebt zu werden. Wo bei gesunden Menschen oft der Anfang einer Beziehung steht oder Liebeleien sich doch in Luft auflösen, weil das starke Gefühl vom Gegenüber nicht erwidert wird, geht für den Erotomanen der Liebeswahn erst los.

Die unerschütterliche Liebe zu einer Person, die weit außerhalb des Erreichbaren liegt, wächst unaufhörlich – sie breitet sich wie eine schwere Decke über das Leben des Erotomanen, der an nichts anderes mehr denken kann. Gesten der/des Auserwählten werden fehlgedeutet, Signale missverstanden, wobei der Betreffende selbst meist keinen blassen Schimmer von den krankhaften Gefühlen seines Verehrers hat. Doch das hindert den wahnhaft Verliebten nicht daran, sich weiter einzubilden, die Zuneigung beruhe auf Gegenseitigkeit. Im Gegenteil, der Erotomane glaubt meist sogar, er selbst werde von jener Person ebenso wahnsinnig geliebt.

Abwehrversuche und Strategien, sich aus dem Fokus des Erotomanen zu lösen, werden von diesem jedoch als Koketterie betrachtet, als Spiel, sich seiner unwiderstehlichen Anziehungskraft – oft auch sexuell – entziehen zu wollen, um die Lust und Begierde nur noch stärker anzuheizen.

In der Konsequenz versucht der Erotomane, auf immer neue Art und Weise mit seinem Objekt der Begierde in Kontakt zu treten. Von Liebesbriefen über Telefonanrufe bis hin zu direktem Kontakt ist dem wahnhaft Verliebten jedes Mittel recht, der verehrten Person seine “Liebe” zu beweisen – durchaus auch über Familienangehörige oder Mitarbeiter. Immer unter der Annahme, er selbst werde von diesem Menschen ebenfalls geliebt. Dabei entwickelt sich der Wahn mit der Zeit weiter und kann – wie im Fall von Stalking – auch gefährlich werden und bei Zurückweisung oder verletztem Ehrgefühl sogar tödlich enden.

Erotomanie betrifft häufig Frauen zwischen 40 und 60 Jahren

Erotomanie tritt gehäuft bei Frauen ohne Partner zwischen 40 und 60 Jahren auf. Meist richtet sich die Begierde laut dem Nervenarzt Prof. Dr. med Volker Faust auf nur ein bestimmtes “Opfer” – dabei bleibt es üblicherweise auch. Experten sprechen in diesem Fall von primärer Erotomanie. Geliebt werden hier oft ältere Männer, die sich in einer höheren Position und einer besseren finanziellen Situation befinden. Nicht selten sind dies berühmte Persönlichkeiten.

Erotomanie als Begleiterscheinung

Es kommt eher selten vor, dass Erotomanie als alleiniges Krankheitsbild auftritt. Denn in den meisten Fällen ist sie eine Begleiterscheinung einer mehr oder weniger heftigen psychischen Störung. Laut Prof. Faust gehen häufig seelische Störungen wie Psychosen und sogar Schizophrenie mit dieser wahnhaften Verliebtheit einher. Aber auch organische Erkrankungen wie eine Hirnblutung können der Auslöser für derartige Wahnvorstellungen sein. Hier spricht man von sekundärer Erotomanie.

Übrigens: Sexuelle Aspekte sind bei der Erotomanie eher zweitrangig. Meist würde dem Erotomanen im Zweifel auch eine platonische Beziehung zu seinem “Opfer” reichen.

Behandlung von Erotomanie

Erotomanie als Begleiterscheinung von Psychosen wird oft mit sogenannten Neuroleptika (Medikamente, die eine antipsychotische Wirkung haben) und Phasenprophylaktika (Stimmungsstabilisierer) behandelt. Letzteres wird eingesetzt, um einen Rückfall in die – teils mit Schizophrenie verbundene – Wahnvorstellung zu verhindern. Faust rät außerdem zu einer parallellaufenden sensiblen psychotherapeutischen Behandlung des Betroffenen. Der seelisch äußerst instabile Patient sei vorsichtig von seiner Illusion zu lösen, um ihm beim Ausweg aus den teils grotesken Lebensumständen zu helfen, in die er sich hineinmanövriert hat.

Faust schlussfolgert in seinem Exzerpt “Psychosoziale Gesundheit – Von Angst bis Zwang” zu Erotomanie: “Ob ein Liebeswahn häufig oder selten ist bzw. nur selten erkannt oder von allen Betroffenen möglichst verheimlicht wird, er ist auf jeden Fall für die Beteiligten eine schwere Bürde, ganz besonders für den Patienten selber. Und ein Patient, d. h. ein seelisch Erkrankter, ist das Liebeswahnopfer in der Regel.”

Quellen: