Emotionales Essen: So können Sie es überwinden
Stress, Frust, Ärger – emotionales Essen kann viele Auslöser haben. Aber was kann man tun, um es zu überwinden? Je nach Auslöser und Ursache können verschiedene Maßnahmen dabei helfen, sich Stressessen abzugewöhnen.

Emotionales Essen spielt eine wichtige Rolle, wenn es um Ernährungsgewohnheiten geht. Denn ob dick oder dünn, leistungsfähig oder nicht: Die Wissenschaft weiß heute, dass die Ernährung zu 80 Prozent durch Stress in unserem Leben bestimmt wird. Für emotionale Esser ist Essen bei Belastung keine Seltenheit – und das führt allzu häufig zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
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Emotionales Essen: Stress als Dauerzustand
„Selbst banale Stresssituationen wirken sich massiv auf unseren Stoffwechsel aus“, weiß der amerikanische Ernährungspsychologe Marc David. „Er treibt uns zu Höchstleistungen und holt das Beste aus uns heraus. Allerdings hat Stress noch eine andere Auswirkung auf unseren Körper. Er verändert unseren Stoffwechsel massiv“, so der Experte.
Dabei ist Stress per Definition nichts anderes als jede tatsächliche oder eingebildete Bedrohung. „Probleme in der Beziehung oder die Sorge, zu einer Verabredung zu spät zu kommen, empfinden wir als ebenso bedrohlich wie die Befürchtung, man sei nicht attraktiv genug, um dem Gegenüber zu gefallen“, so Marc David. Anders formuliert: Wir sind mehr oder weniger ständig gestresst – und das führt zu emotionalen Essen.
So wirkt sich emotionaler Stress auf den Körper aus
Der Hauptdarsteller in unserem Stress-System ist der Botenstoff Cortisol. Er wird jedes Mal ausgeschüttet, wenn wir gestresst sind und vermeintlich Höchstleistung bringen müssen. In diesem Zusammenhang machte der Lübecker Wissenschaftler Professor Achim Peters jedoch eine faszinierende Entdeckung: Um sich gegen die ständige Cortisolflut zu schützen, reguliert das Gehirn unser Stress-System herunter. Wir werden sozusagen dauerhaft entspannter.
Diesen positiven Effekt bezahlt das Gehirn jedoch mit einer erhöhten Nachfrage nach Zucker. Die Folge: Jedes Mal, wenn wir gestresst sind, fordert unser Gehirn Nahrung – und zwar je süßer, desto besser. Wir werden zu einem emotionalen Esser. Und wir sind nicht allein. Laut einer Studie des US-Instituts „Psychology of Eating“ betrifft emotionales Essen drei von vier Menschen.
Emotionales Essen: Symptome
Die konkreten Auslöser für emotionales Essen können unterschiedlich sein, die Symptome sind aber gleich:
Das Essen geht nicht auf ein Hungergefühl zurück.
In der Regel steht das Essen im zeitlichen Zusammenhang mit dem Auslöser der negativen Gefühle.
Beim emotionalen Essen ist die Selbstbeherrschung gering – Betroffene essen mehr, als es gut für sie ist.
Nach dem Essen stellt sich kein Sättigungsgefühl ein.
Betroffene werden bereits während des Essens von Schuldgefühlen geplagt.
Stressessen: Risiko Übergewicht
Wenn Belastung und Stress dauerhaft durch Essen kompensiert werden, wirkt sich das zwangsläufig auf die Gesundheit aus. Denn das Risiko für Übergewicht steigt und damit zugleich auch das Risiko für Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Versuche, mithilfe einer Diät abzunehmen, scheitern in der Regel bei Menschen, die zu emotionalen Essen neigen. Denn eine Diät ist für den Körper nichts anderes als Stress, auf den das Gehirn automatisch mit dem Wunsch nach Zucker reagiert. Wenn aber Diäten genau das Gegenteil dessen bewirken, was man eigentlich wünscht, wie kann man trotz emotionalen Stresses abnehmen oder sein Gewicht zumindest halten? „Um einer Gewichtszunahme entgegenzuwirken, gilt es, die zentralen Stressfaktoren an ihren Wurzeln zu packen“, sagt Professor Peters. Wem das gelingt, der wird automatisch das Gewicht bekommen, das ihm genetisch vorherbestimmt ist.
Emotionales Essen stoppen: So gelingt es
Beim Kampf gegen die Stresskilos gilt es jedoch zunächst herauszufinden, zu welcher Sorte von emotionalen Essern man gehört. Verschiedene Tipps können anschließend typgerecht dabei helfen, sich das emotionale Essen abzugewöhnen und Stressessen zu stoppen.
Welche Typen von emotionalen Essern gibt es?
1. Essen als Belohnung
Belohnungs-Esser sind äußerst gewissenhafte Menschen. Sie weichen unangenehmen Aufgaben oder Problemen niemals aus, sondern gehen sie gezielt an und halten durch bis zum Schluss. In dieser Zeit sind sie durchaus stressresistent. Sobald die Arbeit jedoch erledigt ist, folgen sie dem Motto: „Wenn sonst schon keiner mitbekommt, was ich geleistet habe, gönne ich mir wenigstens selbst etwas Gutes.“
Das Tückische an dieser Form des emotionalen Essens: Um die Mahlzeit als Belohnung zu empfinden, muss sie besonders zuckerreich sein, damit die körpereigenen Glückshormone in maximale Höhen katapultiert werden. Doch das kann schnell zum Bumerang werden.
Oft wird Belohnungs-Essern geraten, sich statt mit Essen mit etwas anderem zu belohnen, etwa einem guten Film oder dem Anhören des Lieblingssongs. Das Problem ist, dass die Belohnung sofort erfolgen muss, wenn der Kopf danach verlangt, sonst wird sie vom Gehirn nicht mehr als Belohnung registriert. Zu lernen, emotionales Essen zu überwinden, geht daher nur mit eiserner Selbstdisziplin und Änderung der Glaubenssätze. Wer sich selbst nicht mehr belohnen muss, weil er sich und seine Leistung schätzt, muss nicht mehr zum Essen greifen.
2. Essen bei Wut
Einer der entscheidenden Botenstoffe für unser Glücksempfinden ist Serotonin. Steht zu wenig davon zur Verfügung, geraten wir deutlich leichter und schneller in Rage. Das Problem: Serotonin ist zugleich eine Art Schranke, die normalerweise dafür sorgt, dass wir nicht zu viel essen. Liegt also in unserem Körper ein Serotoninmangel vor, werden wir häufiger und leichter wütend. Psychischer Stress kann das Gefühl entstehen lassen, sofort etwas essen zu müssen. Dieser Impuls wird jedoch nicht gebremst, da die Serotoninschranke fehlt. Die Folge: Aggressive Esser nehmen rapide zu.
Greifen Sie zu gesunden Lebensmitteln, die schnell satt machen und sich positiv auf den Serotonin-Haushalt auswirken. Dazu zählen beispielsweise dunkle Schokolade, Nüsse, Bananen, Datteln und Lachs. So essen Sie zwar als Reaktion auf den emotionalen Stress, aber dafür gesund!
3. Frustessen
Es sind drei Gefühlswelten, die laut einer Untersuchung von Bruce Arnow, Professor an der Medizinischen Fakultät von Stanford, den größten Einfluss auf unser Essverhalten haben: Ärger, Frustration oder Sorgen und Ängste. Das gilt insbesondere, wenn diese Gefühle über Monate oder gar Jahre unser Leben bestimmen.
Im Extremfall führen sie zu immer heftigeren Ess-Attacken – auch Binge Eating genannt – in immer kürzeren Abständen. Denn Ängste gehören zu den stärksten Stress-Auslösern. Sie bauen den Hormonhaushalt radikal um. Wichtige Botenstoffe, die unseren Appetit im Gleichgewicht halten, werden dann nicht mehr ausreichend hergestellt.
Trinken Sie am Beginn einer Hunger-Attacke ein großes Glas Mineralwasser mit einem Magnesium-Zusatz (Apotheke), um Frustessen zu stoppen. Das füllt den Magen, und der Mineralstoff wirkt dämpfend auf das Stress-Netzwerk des Körpers. Sinnvoll ist auch die Kombination mit pflanzlichen Mitteln, die Ängste verringern wie etwa Lavendel oder Johanniskraut.
4. Der Harmonie-Esser
Harmonie-Esser lieben zwar Gesellschaft, bei Essenseinladungen aber geraten sie durch ihre Mitmenschen gefühlt unter Druck. „Harmonie-Esser wollen es ständig allen recht machen“, sagt die US-Psychologin Julie Exline. „Das gilt insbesondere beim Essen.“ Motto: Nur wenn ich schnell und reichlich esse, bin ich akzeptiert und gern gesehen. Kein Nachschlag wird ausgelassen und es wird immer aufgegessen. Keine Einladung zu Kaffee und Kuchen abgelehnt. Ein typisches Verhaltensmuster: Denn eine Ablehnung bedeutet für sie ebenso massiven Stress wie weniger zu essen als andere.
Nutzen Sie eine Ausrede. Beispielsweise können Sie ihrem Gastgeber gleich zu Beginn mitteilen, dass Ihr Arzt Ihnen verordnet hat, weniger oder nur bestimmte Dinge zu essen. Einen solchen gesundheitlichen Grund wird jeder nachvollziehen können.
5. Emotionaler Hunger durch Einsamkeit
Wissenschaftler haben tatsächlich einen direkten Zusammenhang zwischen Einsamkeit und unkontrolliertem Essverhalten nachgewiesen. Isoliert lebende Menschen nehmen durchschnittlich mehr Fett zu sich und haben unregelmäßigere Essenszeiten. Ein Grund dafür: „Einsamkeit ist ein massiver Stress-Faktor“, sagt die US-Medizinerin Lisa Jaremka. „Und dieser Zustand besteht oft dauerhaft über einen langen Zeitraum.“ Zugleich durchbricht eine Mahlzeit die Eintönigkeit im Leben. So wird Essen zu einem Ersatz für soziale Kontakte und somit zur Gewohnheit.
Bei Einsamkeit können schon kleine Veränderungen helfen: Ein Telefonat mit einem alten Freund oder ein Lächeln und eine Begrüßung auf dem täglichen Weg zum Einkaufen. In den allermeisten Fällen ist damit bereits der erste Schritt getan. Und die Folgenden werden immer leichter.
Essen bei Stress: 5 Tipps gegen Heißhunger-Attacken
Wer merkt, dass bei emotionalen Achterbahnfahrten und psychischer Belastung die Ernährung leidet und er immer wieder auf zucker- und fetthaltige Lebensmittel zurückgreift, für den können folgende Tipps eine erste Hilfe sein, um emotionales Essen aufzulösen.
Finden Sie heraus, was der Auslöser für Ihre Heißhunger-Attacke ist. Ist es Hunger, den Sie verspüren, oder stehen Sie im Moment einfach nur sehr unter Stress? Wollen Sie sich für eine bestimmte Situation besonders belohnen? Wenn Sie sich bewusst machen, in welcher Situation Sie sich befinden und welcher Ihr persönlicher Auslösereiz ist, fällt es ihnen leichter, Ihre Emotionen nicht mit Essen zu kompensieren.
Denken Sie darüber nach, wie Sie ihre Emotionen auf gesunde Weise verarbeiten können. Vielleicht hilft ein Gespräch mit einer Freundin. Oder Sie schreiben Ihre Gedanken und Gefühle in ein Tagebuch.
Organisieren Sie sich so, dass Sie im Notfall Ihre Emotionen kontrollieren können. Wie können Sie in welcher Situation anders reagieren? Welche Lösungsstrategien gibt es? Im besten Fall notieren Sie sich diese und lesen Sie noch einmal durch, wenn Sie merken, dass Sie in emotionales Essen zurückfallen. Auch ein Ernährungstagebuch kann Ihnen helfen, sich einen Überblick über das eigene Essverhalten zu verschaffen.
Achtsamkeitsübungen, Mediation oder Yoga wirken gegen die Hauptursache von emotionalem Essen, nämlich Stress. Denn sie helfen dabei, zu entspannen und das Bewusstsein für die eigenen (negativen) Gefühle zu schärfen. Dadurch kommen Sie gar nicht in die Situation, unbewusste, unverarbeitete Gefühle mit Essen kompensieren zu müssen.
Reden Sie über Ihre Gefühle. Emotionales Essen ist häufig ein Ventil für Probleme, die manchmal auch tiefer liegen können. Haben Sie das Gefühl, Ihr Essverhalten nicht in den Griff zu bekommen, holen Sie sich professionelle Hilfe bei Ernährungsberater:innen oder Therapeut:innen. So ist eine Verhaltenstherapie eine der effektivsten Maßnahmen, um emotionales Essen zu überwinden.
Selbst-Test emotionales Essen: Haben Sie ein gestörtes Essverhalten?
Häufig erkennen Betroffene die Ursache ihres unkontrollierten Essverhaltens nicht. Diäten bleiben dann in der Regel erfolglos. Dieser Test verrät Ihnen, ob Sie bereits erste Anzeichen dafür zeigen, dass Stress immer häufiger die Kontrolle über Ihr Hungergefühl übernimmt. Der Test ersetzt selbstverständlich keine eingehende Untersuchung durch einen Arzt oder eine Ärztin. Wer sein Essverhalten jedoch besser einordnen kann, kann emotionales Essen in Stresssituationen besser kontrollieren.
Quellen:
Sproesser, G., Schupp, H. and Renner, B. (2013). The Bright Side of Stress-Induced Eating. Psychological Science, 25(1), pp.58-65
Vögele, C. & Gibson, E. L. (2010). Mood, Emotions, and Eating Disorders. In W. S. Agras (Ed.), The Oxford Handbook of Eating Disorders (pp. 180-205). New York: Oxford University Press