Ein fremdes Kind stillen: Gesundheitlich unbedenklich?
Ein fremdes Kind stillen – ist das eigentlich gefährlich? Da eine 26-jährige Britin im Krankenhaus nicht selbst stillen konnte, suchte sie die Hilfe anderer Mütter über Facebook. Gleich fünf Frauen wechselten sich daraufhin damit ab, den kleinen Rio (10 Monate) zu stillen. Kinderärztin Dr. med. Nadine McGowan erklärt am Praxisfall, ob es gesundheitliche Risiken gibt.
Das sagt die Kinderärztin Dr. med. Nadine McGowan
Früher war das Stillen durch Ammen gerade in den höheren gesellschaftlichen Schichten eigentlich völlig normal. Die Gründe waren recht vielfältig: Beispielsweise reichte die Muttermilch bei manchen Frauen einfach nicht, oder aber – und das war häufig in den „besseren Kreisen“ der Fall – die Mutter wollte schlicht nicht stillen.
Fünf Ersatzmütter für ein Baby
In einem aktuellen Fall musste sich die 26-jährige Britin Ronja Wiedenbeck wegen Zysten am Eierstock stationär behandeln lassen. Aufgrund der starken Schmerzen wurde sie unter Morphium gesetzt – und konnte deshalb ihren Sohn Rio nicht mehr stillen. Denn Medikamente wie Morphium können über die Muttermilch an das Baby weitergegeben werden. Rio weigerte sich aber, aus Tassen oder Fläschchen zu trinken. Daher suchte die junge Frau Hilfe im Internet: Bei einer Facebookgruppe namens „Yummy Mummies“ beschrieb Wiedenbeck ihren Fall und fragte, ob vielleicht eine der Mütter mehrmals am Tag vorbeikommen könnte, um Rio zu stillen. Die Reaktion: Fast 1.000 Mütter boten sich an und schon eine Stunde nach dem Facebook-Post war eine von ihnen im Krankenhaus. Rio nahm die Milch sofort an, insgesamt kümmerten sich fünf „Ersatzmütter“ im Wechsel um den Jungen, bis Wiedenbeck aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Die einzigen Voraussetzungen: Die Mütter mussten ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen und durften mit Rio nie allein sein, wenn sie ihn stillten.

Ein fremdes Kind stillen – ist das ungesund?
Ich persönlich finde es ohne ärztliche Absprache bedenklich, wenn Mütter ein fremdes Kind stillen. Denn es gibt einige Erkrankungen wie HIV, das Zytomegalievirus (Humes Herpes-Virus 5 oder auch CMV) oder auch Hepatitis, die durch das Stillen auf das Kind übertragen werden könnten. Diese sollten also definitiv vorher bei der Mutter ausgeschlossen sein, die die Muttermilch spendet. Auch verschiedene Medikamente sind nicht stillkompatibel – entsprechend sollte unbedingt abgeklärt werden, ob und wenn ja, welche Medikamente die Spenderin einnimmt. Wenn eine der Mutter bekannte Person, zum Beispiel eine Freundin, nach vorheriger ärztlicher Abklärung für das Kind Muttermilch spendet, sehe ich persönlich es unproblematischer, als wenn eine fremde Mutter das Kind stillen würde. Aber letztendlich sollte jede Frau in Absprache mit einem Arzt für sich entscheiden, ob sie lieber die Muttermilch einer bekannten Person verwenden möchte oder ob es für sie in Ordnung ist, wenn eine Fremde die Muttermilch spendet. Davon, das Kind direkt an der Brust der Spenderin trinken zu lassen, würde ich eher abraten – das ist aber meine persönliche Meinung. Ich halte es für sicherer, die abgepumpte und pasteurisierte Spendermuttermilch zu verfüttern, so wie es in Muttermilchbanken geschieht.
Was sind Muttermilchbanken?
Derzeit gibt es in Deutschland 13 Kinderkliniken, die über Muttermilchbanken verfügen. Die Muttermilch wird dort untersucht und pasteurisiert. Durch die hohen hygienischen Anforderungen ist vielen Kliniken die Betreuung einer Muttermilchbank zu aufwendig und zu teuer. Für Mütter, die stationär mit einem Frühchen oder einem kranken Säugling behandelt werden, ist die gespendete Milch kostenlos. Die Milch kann auch erworben werden – allerdings sind die Kosten aufgrund des hohen Aufwands mit etwa 50 Euro pro Liter recht hoch. Spenden kann grundsätzlich jede Mutter, nachdem anhand einer Blutuntersuchung eventuelle Krankheiten ausgeschlossen werden konnten. Dabei existiert allerdings eine Mindestabgabemenge. Außerdem sollte der eigene Säugling nicht älter als vier Monate sein – in ihrer Zusammensetzung ist die Muttermilch bis zu diesem Alter ideal für Frühchen.