Ein Burnout, der keiner war

Immer mehr Menschen leiden unter Burnout, doch eine eindeutige Diagnose ist sehr schwierig. Lesen Sie hier, wie sich ein vermeintlicher Burnout als eine ganz andere Erkrankung entpuppte.

Eine 38-jährige Lehrerin ist körperlich und psychisch völlig am Ende. Diagnose: Burnout. Sie steht kurz vor der Einlieferung in die Psychiatrie – bis Dr. Jörn Reckel die wahre Ursache aufdeckt. Hier berichtet er über die Fehldiagnose.

Erste Diagnose: massives Burnout-Syndrom

Völlig kraftlos und ausgelaugt kam eine 38-jährige Lehrerin zu mir in die Praxis. Bestürzt erzählte sie mir, dass ihr Arzt ihr einen mehrwöchigen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik verschrieben hatte. Die Begründung hierfür lautete: massives Burnout-Syndrom. Die Doppelbelastung von Beruf und Familie sei einfach zu viel gewesen. Ein Schock für die zweifache Mutter, die aufgrund ihrer chronischen Erschöpfung, der Konzentrationsstörungen und Depressionen schon seit einigen Wochen arbeitsunfähig war.

ExperteReckel: Toastbrot kann depressiv machen
Experte Dr. Reckel: "Eine Glutenintoleranz kann chronische Erschöpfung oder sogar Depressionen auslösen." Foto: privat

In ihrer Verzweiflung tat sie das, was eigentlich auch jeder Arzt tun sollte, bevor er eine Diagnose stellt: Sie analysierte den Verlauf ihrer Erkrankung von den ersten Auffälligkeiten an. Dabei wurde ihr klar, dass sich besonders in stressreichen Phasen in der Schule oder bei Auseinandersetzungen mit den Töchtern die Beschwerden verschlimmerten. Sie bemerkte aber auch, dass Magenprobleme sie die gesamte Zeit begleiteten, die sie bisher auf die Stressbelastung zurückgeführt hatte. Nun kam sie in der Hoffnung zu uns, über ein gestärktes Magen-Darm-System insgesamt wieder belastbarer zu werden. Zunächst klärten wir ab, ob die Bauchbeschwerden nicht doch organischen Ursprungs waren, denn eine psychische Ursache dürfen Ärzte eigentlich erst dann annehmen, wenn eine körperliche ausgeschlossen werden kann. Ich fragte die Patientin, ob sie in letzter Zeit Medikamente genommen hatte. Sie erzählte daraufhin, dass sie mehrfach Antibiotika gegen verschiedene Infekte verschrieben bekommen hatte. Uns fiel auf, dass die Bauchschmerzen nach deren Einnahme begannen. Außerdem empfand sie es als merkwürdig, dass während eines Asienurlaubs die Bauchbeschwerden nahezu verschwanden, sie wenige Tage nach der Rückkehr – noch in den Ferien – aber prompt zurückkehrten.

Eine Glutenintoleranz kann chronische Erschöpfung oder sogar Depressionen auslösen

Nachdem ich die Patientin eingehend befragt hatte, tastete ich ihren extrem geblähten Bauch ab und ließ außerdem eine Spezial-Stuhlprobe in einem Fachlabor analysieren. Daraufhin zeigte sich, was sich wirklich hinter dem sogenannten Burnout-Syndrom verbarg: eine Glutenintoleranz! Gluten ist ein schwer verdauliches Klebereiweiß aus Weizen, Roggen, Dinkel oder Hafer. Und eine Glutenintoleranz kann zusammen mit Fäulnis- und Gärungsvorgängen im Darm chronische Erschöpfung, Antriebsminderung, Konzentrationsstörungen und sogar Depressionen auslösen. Weil die Lehrerin im Asienurlaub keine getreidehaltige Kost aß, hatte sie dort auch kaum Beschwerden.

Deshalb lautete meine Verordnung: Glutenfreie Ernährung sowie eine Sanierung des massiv gestörten Darmmilieus mit milchsäurebildenden Bakterien. So konnten wir einen Psychiatrie-Aufenthalt verhindern. Mittlerweile hat sich die Patientin erholt, sie hat ihre Lebensfreude zurückgewonnen und auch wieder genügend Energie für ihre Familie und ihren Beruf.