Corona: Ursache für Gehirnprobleme gefunden

Forschende aus Großbritannien haben im Rahmen einer Studie herausgefunden, warum Corona das Gehirn schädigen kann. Eine Gruppe ist besonders gefährdet.

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Dass Corona für Schäden im Gehirn sorgen kann, ist schon länger bekannt. Wissenschaftler:innen vom King’s College in London haben nun in einer neuen Studie die Ursache für die Probleme entdeckt. Welche Symptome können auftreten? Und wer ist besonders betroffen?

Eine schwere Corona-Infektion schädigt Nervenzellen

Wer schwer an COVID-19 erkrankt, leidet oftmals an Gedächtnisproblemen, Hirnnebel oder Verwirrung bis hin zum Delir. Die Forschenden haben die Ursache für diese Symptome nun in ihrer Studie beschrieben, die in der Fachzeitschrift Molecular Psychiatry veröffentlicht wurde.

Demnach verursacht das Virus eine unberechenbare Immunreaktion, durch die vermehrt Nervenzellen absterben. Dies habe Auswirkungen „auf die Regeneration in der Hippocampus-Region des Gehirns, die für Lernen und Gedächtnis entscheidend ist," heißt es. Zwar sind die Ergebnisse vorläufig, dennoch nehmen die Studienautor:innen an, dass Corona neurologische Probleme auslösen kann, ohne dass das Virus das Gehirn selbst infiziert hat.

Corona: Protein schädigt Gehirn

Die britischen Expert:innen untersuchten das Blut von 36 COVID-Erkrankten, die während der ersten Corona-Welle im Krankenhaus behandelt wurden. Sie entdeckten, dass die Menge eines Proteins namens IL-6 bei Infizierten 15-mal höher war als normal. Dieses Protein wird von Immunzellen freigesetzt, um andere Immunzellen zu aktivieren.

So löst IL-6 die Freisetzung von zwei verwandten Immunproteinen, IL-12 und IL-13, aus. Dieser Prozess hat laut Dr. Alessandra Borsini, Erstautorin der Studie, „tiefgreifende“ Auswirkungen auf die Bildung neuer Gehirnzellen.

Besondere Gefahr eines Delirs nach Corona

Die Forschenden fanden zudem heraus, dass der Anstieg von IL-6 bei Patient:innen mit Delir – auch Delirium – noch dramatischer war: Bei ihnen fand sich eine 6-fach höhere Menge des Proteins als bei anderen COVID-Erkrankten.

In weiteren Laboruntersuchungen stellte sich heraus, dass dass die Proteine im Blut der von einem Delir Betroffenen vermehrt Neuronen absterben ließen, während sich die Bildung neuer Gehirnzellen verringerte. Vermutlich sind die dadurch verursachten Schäden die Ursache für das Delirium.

Was ist ein Delir?

Ein Delir oder auch Delirium ist ein Zustand akuter Verwirrung. Bei älteren Menschen tritt es häufig auf, wenn zum Beispiel das Hirn schlechter durchblutet wird, der Stoffwechsel sich verändert oder der oder die Betroffene einfach an einem Flüssigkeitsmangel leidet. Die Symptome eine Delirs treten plötzlich auf und äußern sich unter anderem in Störungen der Wahrnehmung, des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Motorik oder auch durch Schwitzen und Bluthochdruck.

Bei älteren Patienten bleibt das Corona-Symptom oft unentdeckt

Bereits vor zwei Jahren hatten die britischen Wissenschafler:innen in einer Studie die Daten von Corona-Infizierten unter die Lupe genommen. Damals entdeckten sie, dass ein Delir vor allem bei älteren und gebrechlichen Menschen auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 hindeutet – und schon früh ein wichtiger Anhaltspunkt für eine Erkrankung sein könnte.

Untersucht wurden zwei Kohorten mit Betroffenen über 65 Jahren: eine stationäre Kohorte aus 322 Patienten, die in der Klinik versorgt wurden, sowie eine ambulante Kohorte mit 535 Infizierten, die über eine App ausgewählt wurden.

Die Untersuchung ergab, dass gebrechliche Menschen deutlich öfter ein Delir entwickelten. Bei der ambulanten Untersuchungsgruppe zeigte jeder dritte gebrechliche Patient ein Delir, aber keine typischen Corona-Symptome wie Fieber oder Husten. Jeder fünfte gebrechliche Infizierte aus der stationären Kohorte hatte außer dem Delir gar keine weiteren Corona-Symptome.

Corona: Zeichen eines Delirs unbedingt ernst nehmen

Ärzte und Pflegende sollten insbesondere bei älteren, gebrechlichen Patient:innen sehr wachsam sein, falls es plötzliche Anzeichen für ein Delir gibt. Denn diese Gruppe, wie auch chronisch kranke Menschen, hat ein deutlich erhöhtes Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken. Umso wichtiger ist es, eine Corona-Infektion schnell zu diagnostizieren und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Diese Patient:innen müssen nicht unbedingt unter den typischen Anzeichen wie Fieber, Husten oder Abgeschlagenheit leiden: Delir ist ein frühes Corona-Symptom, das oft unentdeckt bleibt – aber vor allem bei Patient:innen ab 65 Jahren deutlich in den Fokus rücken sollte, da die Gefahr, an einer Demenz zu erkranken, bei einem Delir sehr groß ist.

Gehirnschäden durch Corona: Medikamente könnten vorbeugen

Die Forschenden vom King’s College hoffen nun, dass ihre Erkenntnisse dazu beitragen, den Betroffenen möglichst frühzeitig helfen zu können. So könnten die IL-6-Proteine durch Medikamente, die als Janus-Kinase-Inhibitoren bekannt und schon gegen Corona im Einsatz sind, blockiert werden. So würde die Gefahr von Gehirnproblemen durch Corona wie einem Delir und dessen Folgen möglicherweise reduziert werden.

Quellen:

Neurogenesis is disrupted in human hippocampal progenitor cells upon exposure to serum samples from hospitalized COVID-19 patients with neurological symptoms in: nature.com Ist Delir bei Älteren ein früher COVID-19-Hinweis? In: ÄrzteZeitung Probable delirium is a presenting symptom of COVID-19 in frail, older adults: a cohort study of 322 hospitalised and 535 community-based older adults in: Age and Ageing Alter: Akute Verwirrtheit (Delir) in: neurologen-und-psychiater-im-netz.org