Dieser Trick erleichtert Legasthenikern das Lesen
Lesen ist für Kinder mit Legasthenie eine enorm schwierige und anstrengende Aufgabe. Texte sind für sie eine verwirrende Aneinanderreihung einzelner Buchstaben, die sich kaum zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen lassen. Doch eine bestimmte Methode kann betroffenen Kindern das Lesen erleichtern, wie eine Studie jetzt zeigt.
Verloren in einem Dschungel sinnlos durcheinandertanzender Buchstaben: So fühlen sich etwa fünf Prozent der Kinder, wenn sie in die Schule kommen und lesen lernen sollen. Die Legasthenie prägt für viele Betroffene den gesamten Lebensweg – in Schule und Beruf bleiben sie aufgrund ihrer Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) teilweise weit hinter ihren kognitiven Fähigkeiten zurück.
Legasthene Kinder müssen erheblich mehr Zeit und Kraft aufwenden als andere, um einem Text einen Sinn zu entlocken und kommen darum im Unterricht häufig nicht mit – obwohl sie bezüglich ihrer Intelligenz locker mit ihren Mitschülern mithalten könnten. „Ein Kind mit Legasthenie muss seinen Blick länger auf die Worte richten, um den Text zu verstehen“, erklärt Professor José Angelo Barela. „Folglich ist die Lesegeschwindigkeit langsamer.“
Können farbige Folien das Lesen erleichtern?
In einer aktuellen Studie erprobten Barela und sein Team an der São Paulo State University eine schon länger bekannte, aber noch kaum erforschte Methode für Kinder mit LRS: Farbige Folien (z.B. Irlen-Folien), die über den Text gelegt werden und so das Lesen erleichtern sollen.
Der Hintergrund: In Studien beobachteten Wissenschaftler, dass legasthene Kinder visuelle Informationen verzögert aufnehmen und ineffektiv verarbeiten. Wenn sie lesen, sind die Bereiche im Gehirn, die für die Sprachverarbeitung zuständig sind, deutlich weniger aktiv als bei nicht betroffenen Kindern.
Studien konnten zeigen, dass beim Lesen durch Farbfilter die entsprechenden Gehirnareale stärker aktiviert werden als beim Lesen ohne Farbfilter. Als Grund haben Wissenschaftler unterschiedliche Vermutungen – darunter die Theorie, dass eine Verringerung des Kontrasts das Textbild „ruhiger“ gestaltet und den Lese-Stress im Gehirn mindert. Eine andere Theorie lautet, dass Menschen mit LRS eine erhöhte Sensibilität gegenüber Licht bestimmter Wellenlängen haben und diese Wellenlängen beim Lesen durch Farbfolien „abgeschirmt“ werden.
Um zu überprüfen, ob die Methode tatsächlich eine Verbesserung der Leseleistung bewirken kann, ließen die brasilianischen Forscher 36 neun- bis zehnjährige Kinder Texte an einem Bildschirm lesen. Die Hälfte der Kinder litt an Legasthenie, die andere Hälfte nicht.
Die Texte waren durch einen gelben Filter, einen grünen Filter oder ohne Filter zu sehen. Die Forscher entschieden sich dafür, nur zwei der insgesamt zwölf Filterfarben zu verwenden, um die jungen Probanden nicht mit zu langen Testreihen zu überfordern.
Mit grünem Filter lesen Kinder mit LRS am schnellsten
Die Lesegeschwindigkeit der Kinder wurde mit einem speziellen Gerät gemessen – einer Art Brille, die die Bewegungen beider Augen individuell aufzeichnet. Während die Farbfilter bei den Kindern ohne LRS keine Veränderung der Lesegeschwindigkeit bewirkten, zeigten sich bei den legasthenen Kinder Unterschiede: Beim Lesen mit dem grünen Filter fixierten sie einzelne Wörter im Schnitt für 500 Tausendstelsekunden – beim Lesen mit gelbem oder ohne Filter verlängerte sich diese Zeit auf 600 Tausendstelsekunden. Kinder ohne Legasthenie fixierten die Wörter im Schnitt für 400 Tausendstelsekunden – egal, ob mit oder ohne Farbfilter.
Die Autoren betonen jedoch, dass die Studie nicht beantworten kann, ob der grüne Farbfilter auch das Leseverständnis der Kinder verbessert – dies müsse in weiteren Untersuchungen geklärt werden.
Quelle:
Razuk, Milena, et al. (2018): Effect of colored filters on reading capabilities in dyslexic children, in: Research in developmental disabilities.