Die Wahrheit über die Grippeimpfung

Grippe-Impfung besonders für junge Menschen
Die Grippeimpfung ist bei jüngeren Menschen sinnvoll: Bei ihnen schlägt der Impfstoff am besten an, verringert so die Zahl der Erkrankten und schützt damit auch Ältere Foto: Fotolia
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Ist eine Grippeimpfung der beste Schutz vor Influenza? Oder wiegt uns der kleine Pieks in falscher Sicherheit? Professor Dr. Gerd Glaeske, Arzneimittelwirkungs-forscher an der Universität Bremen, klärt über Impfungen auf.

Prof. Glaeske, die Ständige Impfkommission (STIKO) rät, dass sich alle über 60-Jährigen die Grippeimpfung geben lassen sollten. Waren Sie deshalb schon beim Arzt?

Prof. Dr. Gerd Glaeske leitet die Abteilung Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung an der Universität Bremen
Prof. Dr. Gerd Glaeske leitet die Abteilung Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung an der Universität Bremen Foto: privat

Prof. Glaeske: Nein, ich halte das für wenig sinnvoll – und ich bin 68 und lasse mich nicht impfen. Wie wir jetzt wissen, fällt der Grippeschutz bei Senioren eher gering aus: Je nach Alter oder Gesundheitszustand liegt der in manchen Fällen bei nur 50 Prozent. Deshalb nützt es uns allen mehr, wenn sich vor allem Kinder und Jugendliche die Grippeimpfung geben lassen. Bei ihnen wirkt der Impfstoff besser, deshalb stecken sich weniger Menschen an, und so sind auch die Älteren geschützt. Außerdem sind offenbar andere Schutzmaßnahmen entscheidender: regelmäßiges Händewaschen, Türklinken abputzen und engen Kontakt vermeiden.

Aber ohne Grippeimpfung muss man laut Robert-Koch-Institut mit 5000 bis 15 000 Grippe-Toten rechnen.

Mit Angst hat man noch nie jemanden überzeugt. Dafür braucht man Argumente. Und schaut man sich die Zahlen genau an, dann finden wir nur ein paar Dutzend Menschen, die wirklich am Virus gestorben sind. Bei dem Rest sind Folgeerkrankungen die Ursache. Deshalb finde ich die Panikmache mit diesen hohen Zahlen kontraproduktiv. Viel wichtiger ist es aufzuklären, was eine Grippeimpfung leisten kann. Es nützt uns allen mehr, wenn sich besonders Kinder und Jugendliche impfen lassen. Schließlich gibt es für sie schon eine Grippeimpfung ganz ohne Pieks. Denn vor einiger Zeit wurde für die Zwei- bis 17-Jährigen ein neuer Impfstoff zugelassen, der wie ein Nasenspray funktioniert.

Habe ich denn einen hundertprozentigen Schutz, wenn ich mich impfen lasse?

Nein, den kann niemand versprechen. Aber mittlerweile gibt es Grippeimpfungen, die zu 95 Prozent schützen. Aber nur, wenn man alle Impf-Termine wahrnimmt – das vergessen aber viele. Und dann kann man es gleich lassen.

Was halten Sie von der Windpocken-Impfung – die von der STIKO empfohlen wird?

Eine Impfung sämtlicher Säuglinge macht keinen Sinn. Das ist sogar zum Nachteil aller, wie Studien aus den USA zeigen. Seit der Einführung der Impfung 1995 steigt dort die Zahl der Gürtelrose-Erkrankungen rapide an. Denn beide Krankheiten werden durch das Variella-Zoster-Virus ausgelöst. Und dagegen sind wir am besten geschützt, wenn wir die Windpocken einmal überstanden haben und immer wieder mit erkrankten Kindern in Kontakt kommen. Das nennt man Booster-Effekt, so wird das Gedächtnis unseres Immunsystems trainiert. Eine Impfung ist deshalb nur bei Kindern mit einer Vorerkrankung wichtig oder bei Erwachsenen, die nie Windpocken hatten.

Wichtige Impfungen

Wundstarrkrampf: Die Tetanus-Impfung sollte alle zehn Jahre aufgefrischt werden. Denn durch kleine Wunden können Bakterien eindringen, die gefährliche, sogar tödliche Krämpfe auslösen.

Keuchhusten-Kinderlähmung-Diphtherie: Der Impfschutz verhindert, dass Kleinkinder mit den teils lebensgefährlichen Erkrankungen angesteckt werden. Die Dreifach-Spritze hält zehn Jahre vor.

Mumps-Masern-Röteln: Diese Kinderkrankheiten verlaufen bei Erwachsen deutlich schwerer; in der Schwangerschaft schadet das Rötelnvirus dem Ungeborenen. Den Impfschutz alle zehn Jahre überprüfen!



Welche Impfungen sind denn Ihrer Meinung nach nun wirklich sinnvoll?

Im Großen und Ganzen liegt die STIKO mit ihren Empfehlungen schon richtig. Die meisten Impfungen im Kindesalter sind notwendig und sollten immer wieder aufgefrischt werden. Denn grundsätzlich ist das eine sinnvolle Art der Vorbeugung – gerade wenn die Erkrankung selbst nur schwer behandelbar ist. Vor einer Impfung sollten Sie mit Ihrem Arzt Risiko und Nutzen abwägen. Es gibt aber auch Patienten, bei denen braucht man nicht zu diskutieren – auch nicht über die Grippeimpfung: Bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenproblemen oder einem geschwächtem Immunsystem ist eine Impfung immer wichtig.