Die richtige Verhütung: Welche Methode eignet sich am besten für mich?
Unser Experte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Herr Prof. Dr. med. Kai J. Bühling aus dem UKE, erklärt nicht nur, welche Verhütungsmethoden für Frauen in welchem Alter die richtigen sind – sondern auch, welche positiven Auswirkungen und Gesundheitsrisiken bei der Anwendung zu erwarten sind.
Was ist die beliebteste Verhütungsmethode von Frauen?
Die in Deutschland am häufigsten verwendete Verhütungsmethode ist die Pille, etwa ein Drittel aller Frauen im fruchtbaren Alter verhüten damit. Weitaus seltener werden der Vaginalring (der genauso wie die Pille wirkt) sowie die Drei-Monats-Spritze verwendet. Ebenfalls verhältnismäßig selten verwendet werden die sogenannten langwirksamen reversiblen Verhütungsmethoden, wie Kupfer- und Hormonspirale als auch das Verhütungsstäbchen.
Warum vertrauen so viele Frauen auf die Pille?

Der Grund für die Beliebtheit der „Pille“ ist vermutlich, dass es zunächst so einfach erscheint. Täglich eine Pille reicht schon aus. Dass die tägliche Einnahme auch ein Nachteil ist und das Vergessen der häufigste Grund für ein Versagen dieser Verhütungsmethode, ist vielen Frauen gar nicht bekannt. Dabei wird vermutlich jede Frau schon die eine oder andere Pille vergessen haben.
Welche positiven Auswirkungen hat die Pille auf die Gesundheit?
Die Pille hat positive Effekte auf die Haut, verringert die Blutungen und vermindert auch eventuelle Blutungsschmerzen. Durch die zumeist regelmäßigen 4 bis 7-tägigen Pausen treten auch monatliche Blutungen auf. Im Gegensatz zur Volksmeinung sind diese aber nur kosmetischer Natur.
Dann belügt mich die Pille also?
Im Grunde genommen, spielt uns die Pille etwas vor. Die monatlichen Blutungen haben also überhaupt keine Bedeutung und zeigen nicht an, dass hormonell „alles in Ordnung ist“.
Welche schwerwiegenden Nebenwirkungen und Gesundheitsrisiken wurden unter der Pille beobachtet?
Vermutlich sind es die Gelbkörperhormone, die das Krebsrisiko für Brustkrebs minimal erhöhen. Allerdings ist die Häufigkeit von Brustkrebs in der jungen Altersgruppe so gering, dass diese Erhöhung schwer nachzuweisen ist und gleichzeitig natürlich damit auch keine so große praktische Rolle spielt. Bei den östrogenhaltigen Pillen ist allerdings das Thrombose und Schlaganfall-Risiko wichtig und unbedingt mit der Patientin zu besprechen. Frauen, die in der Familie eine Risikoerhöhung haben oder aber selbst schon eine Thrombose hatten, dürfen keine östrogenhaltige Pille einnehmen (wohl aber eine östrogenfreie). Auch hat sich gezeigt, dass Frauen mit Migräne ein erhöhtes Schlaganfallrisiko haben, was wiederum durch die östrogenhaltige Pille weiter erhöht ist. Auch hier sind Östrogene nicht erlaubt, das gleiche gilt für das Rauchen bei Frauen ab 30/35 Jahren. Die Rate an Depressionen ist vermutlich nicht erhöht, klare Studien dazu gibt es aber nicht. Was allerdings nachgewiesen ist, ist dass die sexuelle Lust unter der Pille abnimmt; das liegt einfach an der Unterdrückung der weiblichen Hormone.

Ist es sinnvoll, gelegentlich eine Pillenpause zu machen?
Die Pillenpause wurde früher häufig empfohlen, jetzt hat man davon aber Abstand genommen. Da das Thromboserisiko während der ersten Monate am höchsten ist, ist auch von einer Pause abzuraten, wenn sie nur kurz ist.
Welches Verhütungsmittel ist für Frauen in welchem Alter das Richtige?
Letztlich sollte sich jede Frau vom Frauenarzt beraten lassen. In Deutschland gibt es ja erfreulicherweise die meisten Möglichkeiten, sie werden aber nicht genutzt. So verhüten in Deutschland nur 5-8% aller Frauen mit einer Hormonspirale, in Schweden sind dies weit über 20%. Viele Frauen denken auch, dass man die Spirale erst anwenden sollte, wenn man geboren hat. Dies ist allerdings eine Mär, die sich seit vielen Jahren hält und sich auf eine sehr hohe Infektionsrate einer Kunststoffspirale zurückführen lässt, die in den 70er Jahren in den USA verwendet wurde. Die heutigen Spiralen führen nicht zu einem erhöhten Infektionsrisiko. Dieses wird allein durch das Sexualverhalten – und auch den Infektionsschutz mit einem Kondom – bestimmt.
Welche hormonelle Langzeitverhütung gibt es und für wen eignet sie sich?
Der große Vorteil der Langzeitverhütungsmethoden liegt darin, dass man sie nicht vergessen kann. Das Vergessen ist nämlich der größte Risikofaktor für ein Versagen. Für die hormonelle Langzeitverhütung stehen mehrere Verfahren stehen zur Auswahl:
- Der Verhütungsring: Der Kunststoffring wird in der Scheide platziert und kann dort 3-4 Wochen liegen bleiben. Er gibt kontinuierlich Östrogene und Gestagene ab, die wie die Pille wirken. Dass heißt auch, dass der Verhütungsring nicht lokal wirkt, wie manche denken, sondern die Hormone auch dem Körper zuführt, nur eben über einen anderen Weg als die Pille es macht. Die Kontraindikationen und Risiken sind daher die gleichen wie bei der Pille.
- Das Verhütungsstäbchen: Das Verhütungsstäbchen wird unter die Haut am Oberarm eingesetzt und gibt dort kontinuierlich und über 3 Jahre ein Gestagen ab, das den Eisprung unterdrückt. Es ist östrogenfrei und hat daher kein erhöhtes Thrombose- oder Schlaganfallrisiko.
- Die Hormonspiralen: Eine Hormonspirale, so auch das neue Verhütungsschirmchen, gibt die Hormone direkt in die Gebärmutter ab. Nur ein Bruchteil gelangt in den Blutkreislauf. Die Verhütung erfolgt daher lokal: 1. wird der Gebärmutterhalsschleim verdickt 2. die Gebärmutterschleimhaut ausgedünnt. Dies verhindert, dass Spermien in und durch die Gebärmutter wandern können und somit auch die Befruchtung einer Eizelle. Der Zyklus läuft nämlich weiter. Durch die Ausdünnung der Gebärmutterschleimhaut haben viele Frauen keine oder einen nur verringerte Monatsblutung. Jede Verhütungsmethode kann Nebenwirkungen hervorrufen. Die häufigste angegebene Nebenwirkung bei dem Verhütungsschirmchen sind Zwischenblutungen, sehr selten auch einmal ein Unterbauchdruck. Allerdings sind die meisten Anwenderinnen mit dem Blutungsverhalten komplett zufrieden.
Anders ist es bei der Kupferspirale, die aufgrund Ihrer Wirkung auf die Gebärmutterschleimhaut Blutungen eher verstärkt.
Was halten Sie von natürlichen Verhütungsmethoden?
Die natürlichen Verhütungsmethoden sind natürlich attraktiv, einerseits sind sie komplett Hormon- oder Fremdkörperfrei, andererseits klingt „natürlich“ schon sehr positiv. Man muss allerdings festhalten, dass diese Methoden die Sicherheit der aufgeführten Verhütungsmethoden nicht erreichen. Die meisten Frauen wünschen allerdings eine sicherere Verhütung, weshalb ich von den natürlichen dann doch eher Abstand nehme. Für Frauen, denen das Eintreten einer Schwangerschaft verhältnismäßig egal ist – z.B. nach dem ersten Kind – sind diese Methoden natürlich in Erwägung zu ziehen.
Wie schnell kann man nach Absetzen der Verhütung wieder schwanger werden?
Bei eigentlich allen Verhütungsmethoden, so auch bei der intrauterinen Verhütung, ist nach Absetzen oder Entfernung (Verhütungsstäbchen) eine Schwangerschaft sofort möglich und tritt auch häufig ein. Nur die 3-Monatsspritze kann über einen Zeitraum von über 1 Jahr nachwirken, weshalb ich sie auch nur selten einsetze.
Was versteht man unter einer Notfallverhütung?
Ist „es“ doch mal passiert, gibt es mehrere Möglichkeiten der Notfallverhütung:
- Die Pille danach mit dem Gelbkörperhormon ist sehr zuverlässig, hat allerdings in den ersten 24 Stunden die größte Zuverlässigkeit. Sie verhindert den Eisprung, sofern dieser noch nicht im Gange ist, gleichzeitig verdickt sie vermutlich den Gebärmutterhalsschleim und verändert die Gebärmutterschleimhaut. Häufigste Nebenwirkung ist Übelkeit.
- Die „ellaone“ blockiert die Rezeptoren für das Gelbkörperhormon und hemmt ebenfalls den Eisprung, allerdings sogar, wenn er schon begonnen hat. Daher ist ellaone die sicherere Alternative, sie kann auch innerhalb von 5 Tagen gegeben werden.
- Die Kupferspirale kann ebenfalls innerhalb von 5 Tagen gegeben werden. Sie verhindert durch ihre Wirkweise – eine nicht infektiöse Entzündung durch das Kupfer – die Einnistung einer eventuell befruchteten Eizelle. Vorteil ist, dass sie nach der Einlage liegen bleiben kann und dann weiter verhütet.
Kommt man trotz der Pille in die Wechseljahre bzw. verzögert die Pille die Wechseljahre?
Die Einnahme der Pille hat keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der letzten Blutung, der Menopause. Sie kann aber durch die Hormonwirkung eventuelle Wechseljahressymptome, die ja der letzten Blutung um einige Jahre vorausgehen, behandeln. Es gibt auch Pillen, die natürliches Östrogen enthalten und daher besonders für Frauen dieser Altersgruppe geeignet sind.

Welche Verhütungsmittel stehen grundsätzlich in den Wechseljahren zur Verfügung?
Grundsätzlich können Frauen auch in den Wechseljahren schwanger werden, wenngleich die Chancen gering sind. Die meisten langjährig arbeitenden Frauenärzte hatten schon einmal eine unerwünschte Schwangerschaft bei einer über 50-jährigen. Zwar enden diese zu eigentlich 100% in einer Fehlgeburt, das Erlebnis ist aber für die meisten Frauen äußerst negativ. Je nach Leidensdruck und Sorge hiervor ist auch die Verhütung auszurichten. Da das Thrombose- und Schlaganfallrisiko mit dem Alter ansteigt, bemüht man sich gerade bei der älteren Frau um eine Verhütungsmethode mit möglichst geringem Risiko, d.h. östrogenfrei. Liegen keinerlei Risikofaktoren (Übergewicht, Rauchen, familiäres Thromboserisiko) vor, können auch ganz normale „Pillen“ gegeben werden, wobei die mit natürlichen Östrogenen häufig bevorzugt werden.
Welche Missverständnisse, die im Zusammenhang mit dem Thema Verhütung stehen, begegnen Ihnen in Ihrer Hormonsprechstunde am häufigsten?
Erstaunlich ist teilweise die Diskrepanz zwischen sexueller Aufklärung im Sinne von sexuellen eigenen Erfahrungen, Angucken pornographischer Filme und den Kenntnissen des eigenen Körpers. So denken manche Frauen, dass die Pille in der Pause nicht wirkt, oder, dass die Blutung einer „Entschlackung“ dient. Zur Funktionsweise der Verhütungsmethoden abseits der Pille gibt es häufig auch Missverständnisse. Man muss erklären, dass der Vaginalring in der Scheide, die Spiralen aber in der Gebärmutter liegen.
Was war Ihr interessantester Fall während Ihrer Hormonsprechstunde?
Interessant ist eigentlich jeder Fall, da jede Patientin individuelle Sorgen und Bedürfnisse hat. Das spannende an meinem Fachgebiet ist ja, dass wir aus einer Vielzahl von Behandlungsmethoden, sei es zur Verhütung oder zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden, auswählen können. Dabei steht immer die individuelle Beratung der Patientin im Vordergrund.
Im Interview: Prof. Dr. med. Kai J. Bühling
Herr Prof. Dr. med. Kai J. Bühling ist seit 2007 Konsiliarius der Klinik und Poliklinik für Gynäkologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und Leiter der Hormonsprechstunde. Aufgrund seiner langjährigen klinischen Erfahrung an der Berliner Charité gehört er zu den Schwerpunktherausgebern der „CME Praktische Fortbildung Gynäkologie, Geburtsmedizin und Gynäkologische Endokrinologie“ – Deutschlands auflagenstärkster reiner Fortbildungszeitschrift für Frauenärzte.
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