Was ist eine depressive Verstimmung? Symptome, Ursachen und Behandlung

Nach Schätzungen entwickelt einer von fünf Menschen im Laufe seines Lebens eine Depression. Bei einer leichten Ausprägung der Beschwerden sprechen Mediziner:innen von einer depressiven Verstimmung. Alles zu Symptomen, Ursachen und wie sich eine depressive Phase überwinden lässt.

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Mit einer depressiven Verstimmung lässt sich der Alltag meist noch bewältigen, aber alles geht viel schwerer von der Hand als gewöhnlich. Abends findet man schlecht in den Schlaf und morgens wacht man gerädert auf. Die innere Anspannung führt zu Erschöpfung und richtige Freude kommt nur selten oder gar nicht mehr auf. Zu Beginn einer depressiven Phase bringen Betroffene die Symptome häufig nicht mit der eigentlichen Ursache in Verbindung. Vor allem atypische Verläufe machen es Betroffenen und Angehörigen schwer, die Anzeichen richtig zu deuten. Welche Symptome auf eine depressive Verstimmung hinweisen und welche Ursachen und Behandlungswege es gibt.

Kurzübersicht zu depressive Verstimmung
Eine depressive Verstimmung entsteht aus einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren Foto: Praxisvita/Vivian Mule

Depressive Verstimmung: 3 Fragen an einen Experten

Wie kann ich eine depressive Verstimmung erkennen, was ist die richtige Anlaufstelle und wie kann ich mit dem Stimmungstief umgehen? Unser Experte Dr. Hans-Peter Unger, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie a. D. und Buchautor, klärt auf.

Traurig oder depressiv verstimmt: Woran erkenne ich den Unterschied?

„Das Traurigsein – die Trauer – ist ein emotionaler Zustand, der in vielen Fällen durch den Verlust einer wichtigen Person, ausgelöst wird. Die Trauer gibt uns die Zeit, uns an den Verlust anzupassen, ihn zu verarbeiten. Wir fühlen uns niedergeschlagen, leiden an vermindertem Appetit und einem vermehrten oder verminderten Schlafbedürfnis. Aber: Auch wenn ich traurig bin, bleibe ich in der Lage, über meine traurigen Gefühle mit anderen zu sprechen. Der Kontakt zu anderen Menschen reißt nicht ab.

Wenn ich depressiv verstimmt bin, ziehe ich mich eher von anderen Menschen zurück. Je schwerer die depressive Verstimmung ist, desto weniger bin ich in der Lage, die Aktivitäten des täglichen Lebens wahrzunehmen.“

An welchen Arzt sollte ich mich dann wenden?

„In unserem Gesundheitssystem ist der Hausarzt der erste Ansprechpartner. Er kann schauen, ob es eventuell körperliche Ursachen für die depressive Verstimmung gibt. Auch kann der Hausarzt zum Beispiel bei einer leichten Depression durch ein Gespräch schon helfen, sich die eigene Situation klarzumachen. Er wird Sie dann in ein bis zwei Wochen wieder einbestellen. Manchmal löst sich in dieser Zeit von selbst etwas. Sollte beim zweiten Besuch die Stimmung genauso schlimm oder schlimmer sein, ist eine fachärztliche oder psychotherapeutische Behandlung einzuleiten.“

Kann ich auch selbst etwas gegen meine depressive Verstimmung tun?

„Zunächst ist es erst einmal notwendig, eine Depression zu erkennen. Wichtig ist der Versuch, sich selbst wieder etwas mehr zu aktivieren. Dabei helfen Spaziergänge, leichte sportliche Betätigungen und vor allem, wieder Kontakt zu anderen Menschen zu suchen. Das Gespräch mit anderen hilft, die eigene Situation besser zu verstehen. Dabei sollte ich mich aber nie unter Druck setzen, der kleinste Schritt ist ein Erfolg!

Die wichtigste Regel bei der Aktivierung ist: Der Betroffene darf weder sich selbst zu etwas zwingen noch durch andere zu etwas gezwungen werden. Entscheidend ist der Anreiz zur Aktivität. Der Betroffene selbst kann schauen, was ihm früher Freude bereitet hat, zum Beispiel ein bestimmtes Essen oder eine bestimmte Musik.“

Was ist eine depressive Verstimmung?

Man unterscheidet zwischen einer leichten, mittelschweren und schweren Depression. Als depressive Verstimmung wird eine leichte Depression bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine länger anhaltende Gemütsstörung, die mit einer Reihe von psychischen und körperlichen Symptomen einhergeht.  

Eine depressive Verstimmung ist meist von kürzerer Dauer als eine schwere Depression – aber nicht immer. Sie kann in Form einer mehrere Monate andauernden Winterdepression oder einer Sommerdepression auftreten oder chronisch werden. In diesem Fall sprechen Mediziner:innen von einer Dysthymie, bei er die depressiven Symptom über mindestens zwei Jahre bestehen bleiben.

Was sind bei einer depressiven Verstimmung häufige Symptome und Anzeichen?

Die Symptome einer depressiven Episode unterscheiden sich nicht von denen einer schweren Depression. Der Unterschied liegt in der Ausprägung der Beschwerden. Die Leitsymptome der Gemütsstörung sind Niedergeschlagenheit, Erschöpfung und Antriebslosigkeit. Betroffene schlafen schlecht, sie kommen nur schwer aus dem Bett und haben weniger Energie als gewöhnlich. Zudem kommt es häufig zu einem Grübelzwang, wobei Ängste und Sorgen dominieren.

Die Symptome einer depressiven Verstimmung im Überblick

  • Niedergeschlagenheit/gedrückte Stimmung

  • Anhedonie – Freude und Vergnügen kann gar nicht oder nur eingeschränkt empfunden werden

  • Erschöpfung

  • Antriebslosigkeit

  • Interessenverlust

  • innere Unruhe

  • Gefühl innerer Leere

  • Schlafstörungen oder vermehrtes Schlafbedürfnis

  • Weinen ohne Grund

  • Appetitlosigkeit oder Heißhunger, vor allem auf Süßes

  • Vernachlässigung von sozialen Kontakten/Rückzug

  • Lustlosigkeit

  • Schwächegefühl und Schwindel

  • Verlangsamte Reaktionen

  • Konzentrationsschwäche

  • Angstgefühle

Doch nicht immer kommt eine depressive Verstimmung so deutlich zutage, da sie sich zunächst auch  nur durch körperliche Symptome zeigen kann. Für eine versteckte Depression sind psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden und Libidoverlust typisch. Das Symptombild einer hochfunktionalen Depression kann ebenfalls von den klassischen Symptomen abweichen – aber nur nach außen hin: Betroffene sind leistungsfähig im Job und gehen sozialen Aktivitäten nach, dennoch fühlen sie sich im Inneren angespannt und ausgelaugt.

Aus diesem Grund kann es mitunter schwierig sein, eine Depression beim Partner oder bei Angehörigen zu erkennen. Im besonderen Maße gilt das für Männer. Denn oft zeigt sich eine Depression beim Mann mit Symptomen, die nicht mit einer Gemütsstörung in Verbindung gebracht werden können. Dazu zählen unter anderem Wutausbrüche und eine geringe Impulskontrolle.

Was sind bei einer depressiven Verstimmung die Ursachen?

So vielfältig wie die Ausprägungen, sind auch die möglichen Ursachen einer depressiven Verstimmung. Allen gemeinsam ist, dass die Gehirnbotenstoffe (vor allem Serotonin und Noradrenalin) aus dem Gleichgewicht geraten sind. Auslöser dafür können verschiedene Faktoren sein.

Einen wichtigen Einfluss auf die Stimmung haben hormonelle Veränderungen: Depressive Verstimmungen treten nicht selten in der Schwangerschaft auf, vor allem in der Frühschwangerschaft, sowie nach der Geburt – vom sogenannten Babyblues sind zwischen 50 und 80 Prozent der Mütter betroffen. Viele Frauen leiden zudem unter einer depressiven Verstimmung, wenn sie in die Wechseljahre kommen. Verantwortlich dafür ist in erster Linie der starke Östrogenabfall.

Auch die Melatonin-Produktion spielt bei der Entstehung von depressiven Verstimmungen eine nicht unwesentliche Rolle. Der Körper schüttet das Schlafhormon bei Lichtmangel verstärkt aus, was im Herbst und Winter für Antriebslosigkeit, Müdigkeit und Energiemangel sorgt. Aber auch mehr Tageslicht kann eine depressive Phase auslösen, weil dann weniger Melatonin gebildet wird – das lässt Betroffene schlechter schlafen. Zwischen Schlafstörungen und Depressionen besteht eine Wechselwirkung: Wer Depressionen hat, leidet häufig unter Einschlaf- und Durchschlafstörungen. Umgekehrt kann dauerhaft schlechter Schlaf, z.B. infolge von Stress, zu einem Stimmungstief führen.

Depressive Verstimmungen sind zudem häufig eine Folge von Stress und schmerzhaften Ereignissen. So können etwa Depressionen nach einer Trennung, aufgrund eines hohen Arbeitspensums oder eines Todesfalls in der Familie entstehen. 

Grafik zu Stresssymptomen
Foto: Praxisvita

Doch eine Depression lässt sich in der Regel nicht auf eine einzige Ursache zurückführen. Nur bei körperlichen Erkrankungen lässt sich eine klare Ursachen ausmachen. So wird etwa bei einer Schilddrüsenunterfunktion eine depressive Verstimmung durch ein Mangel an Hormonen ausgelöst. Depressive Symptome können zudem aufgrund von neurodegenerativen Prozessen im Rahmen einer Demenz oder Parkinson auftreten.

Liegt keine organische Ursache vor, ist es meist ein Geflecht aus psychischen, körperlichen und sozialen Umständen, das ein Stimmungstief hervorruft. Dabei bestimmt vor allem die genetische Veranlagung die eigene Anfälligkeit (Vulnerabilität) für depressive Erkrankungen. Das erklärt, warum manche Menschen trotz belastender Lebensumstände psychisch gesund bleiben, während für andere Dauerstress oder Lichtmangel zu Risikofaktoren werden.

Die Ursachen und Auslöser einer depressiven Verstimmung im Überblick:

  • genetische Veranlagung

  • Schlafmangel

  • Erkrankungen wie Schilddrüsenunterfunktion oder Demenz

  • Hormonstörungen

  • Lichtmangel

  • Melatonin-Mangel

  • Stress

  • Überlastung

  • Einsamkeit

  • Trauer

  • traumatische Erlebnisse

Wann sollte man bei einer depressiven Verstimmung zum Arzt?

Die Stimmung unterliegt natürlichen Schwankungen – es gibt Tage, an denen man aufgrund äußerer Umstände niedergeschlagen, gestresst oder angespannt ist. Und auch Trauer als normale Reaktion auf eine Trennung oder einen Todesfall, erfüllt nicht die Kriterien einer Depression. Ärztlichen Rat sollte man hingegen suchen, wenn die gedrückte Stimmung keinen erkennbaren Auslöser hat, länger als zwei Wochen anhält und den Alltag spürbar beeinträchtigt. Bei Verdacht auf eine depressive Verstimmung ist der/die Hausärzt:in die erste Anlaufstelle.

Wie wird eine depressive Verstimmung diagnostiziert?

Zunächst erkundigt sich der Arzt bzw. die Ärztin in einem ausführlichen Gespräch (Anamnese), seit wann das Stimmungstief besteht und ob ein bestimmtes Ereignis zur depressiven Verstimmung geführt hat. Meist wird im Rahmen der Diagnose einer depressiven Verstimmung auch eine körperliche und neurologische Untersuchung durchgeführt und Blut abgenommen, um eine Erkrankung oder ein hormonelles Ungleichgewicht als Ursache der Beschwerden auszuschließen.

Lässt sich das Stimmungstief nicht durch organische Ursachen erklären, werden die Betroffenen bei Bedarf an einen/einer Psychotherapeut:in überwiesen. Denn erst durch eine sorgfältige Einschätzung lässt sich die passende Behandlung für die depressive Verstimmung und ihre Ursache finden.

Wie wird eine depressive Verstimmung behandelt?

Auch wenn eine leichte Depression den Alltag nicht so stark beeinträchtigt wie eine klinische Depression, ist es dennoch wichtig, sie frühestmöglich zu behandeln. Andernfalls kann sie in Form einer Dysthymie einen chronischen Verlauf nehmen oder in eine schwere Depression übergehen. Welche Therapiemaßnahmen die richtigen sind, hängt von den Ursachen ab. Liegt eine organische Erkrankung oder eine hormonelle Veränderung vor, müssen diese behandelt werden, damit die depressiven Symptome zurückgehen. Im Falle einer saisonalen Depression kann hingegen eine Lichttherapie Abhilfe schaffen.

Wenn der Auslöser der depressiven Verstimmung unklar ist, ist eine Psychotherapie empfehlenswert. Bewährt hat sich vor allem die kognitive Verhaltenstherapie. Ist chronischer Stress der Grund für die Niedergeschlagenheit, können in der Therapie Methoden und Strategien erlernt werden, die einen besseren Umgang mit belastenden Situationen ermöglichen und dabei helfen, Stress wirksam abzubauen. Zusammen mit dem/der Therapeut:in kann außerdem entschieden werden, ob die Depression eine Krankschreibung erfordert.

Bei einer leichten depressiven Verstimmung sind Medikamente in der Regel nicht notwendig. Doch nimmt die Schwere der Symptome zu, können Antidepressiva zum Einsatz kommen. Häufig werden sogenannte Selektive-Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) verschrieben. Diese sorgt dafür, dass im Gehirn mehr Serotonin verfügbar ist. Bleibt es bei leichten Beschwerden, sind pflanzliche Antidepressiva das erste Mittel der Wahl, allen voran Johanniskraut-Präparate. Sie zeichnen sich in der Regel durch eine gute Verträglichkeit aus, da sie keine schweren Nebenwirkungen auslösen.

Kann man eine depressive Verstimmung selbst behandeln?

Wer die Anzeichen einer depressiven Phase früh erkennt, sollte rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, um das seelische Gleichgewicht wiederzugewinnen. Ein wichtiger Bestandteil der Selbstbehandlung ist die Ernährung bei Depression. Viele Lebensmittel helfen dabei, die Glückshormone im Körper zu steigern. Daneben können bei einer depressiven Verstimmung Hausmittel dabei helfen, Symptomen wie innerer Unruhe, Anspannung und Schlafproblemen entgegenzuwirken. Präparate, Tee und Sprays mit Baldrian, Lavendel oder Hopfen sind hier besonders zu nennen.

Noch wichtiger ist jedoch die Lebensweise und das persönliche Stresslevel. Folgende Punkte können dazu beitragen, eine depressive Verstimmung zu überwinden.

  • Sport und Bewegung

  • Entspannung, zum Beispiel mittels Meditations- und Atemübungen

  • Gespräche und soziale Kontakte

  • ausreichend Licht, etwa durch tägliche Spaziergänge

  • eine gesunde Ernährung

  • ein gutes Zeit- und Selbstmanagement als Schutz vor Überlastung

  • ausgleichende Hobbys

Hinweis: Fehlt die Kraft, um sich selbst aus dem Tief zu befreien, sollte immer ein:e Ärzt:in aufgesucht werden. Denn in diesem Fall ist eine (mittel)schwere Depression wahrscheinlich, die sich nur mit professioneller Hilfe behandeln lässt.

Wie lässt sich einer depressiven Phase vorbeugen?

Nicht immer lässt sich einer depressiven Verstimmung vorbeugen, da man nicht auf jeden Auslöser Einfluss nehmen kann. Allerdings wirkt sich eine aktive Lebensweise, eine ausgeglichene Work-Life-Balance und ein enges soziales Netz positiv auf die psychische Gesundheit aus. Besonders wichtig zur Prävention einer depressiven Verstimmung ist Stressabbau – indem man sich ausreichend Zeit zur Entspannung nimmt und Dinge tut, die einem Freude bereiten, stärkt man seine Resilienz und sorgt dafür, dass man schwierige Zeiten unbeschadet durchsteht.

Quellen:

Depressive Störungen, in: msdmanuals.com

Depression, in: bundesgesundheitsministerium.de

Depression. Ursachen, Symptome & Therapie, in: oberbergkliniken.de

Volkskrankheit Depression, in: therapie.de