Das Coronavirus ist über 20-mal im Körper eines Mannes mutiert

Fünf Monate litt ein 45-jähriger US-Amerikaner an Corona, dann ist er an der Infektionskrankheit gestorben. In dieser Zeit ist das Coronavirus über 20-mal im Körper des Mannes mutiert. Welche Vorerkrankung dabei eine entscheidende Rolle spielte.

Illustration eines mutierten Corona-Virus in Blau-Grün
In den USA wurde jetzt der Fall eines Mannes bekannt, bei dem SARS-CoV-2 20-mal mutiert ist – Grund ist wohl eine schwere Vorerkrankung Foto: iStock/peterschreiber.media
Auf Pinterest merken

Wissenschaftler aus den USA haben einen Corona-Infizierten 154 Tage bis zu seinem Tod begleitet. Die ganze Zeit über trug der 45-Jährige die Infektion in sich – wie sich herausstellte, ist das Coronavirus über 20-mal im Körper des Mannes mutiert. Die Forscher vermuten, dass seine Autoimmunkrankheit dem Virus ideale Bedingungen bot.

Die Corona-Infektion dauerte fünf Monate

In einem Bericht, der im New England Journal of Medicine erschienen ist, beschrieben die Wissenschaftler rund um den behandelnden Arzt Dr. Jonathan Li vom Massachusetts General Hospital in Boston den Fall: Demnach kam der Mann mit hohem Fieber in die Klinik. Der Patient hatte eine schwere Vorerkrankung: das Antiphospholipid-Syndrom (APS). Dabei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die häufig auftritt und oft neurologische Komplikationen sowie wiederkehrende Thrombosen und Embolien mit sich bringt. 

In der Klinik wurde COVID-19 diagnostiziert. Schon nach fünf Tagen konnte der 45-Jährige wieder nach Hause – entgegen der Erwartungen war SARS-CoV-2 aber weiter in seinem Körper aktiv. Fünf Monate lang wurde der Patient immer wieder mit verschiedenen Symptomen – vor allem Hypoxämie (Sauerstoffmangel im Blut) und Atemnot, aber auch Müdigkeit und Bauchschmerzen – eingeliefert. Nach 154 Tagen verstarb der Mann.

Forscher entdecken: Das Coronavirus ist über 20-mal mutiert

Im Laufe der fünf Monate wandten die Ärzte die verschiedensten Maßnahmen zur Behandlung der COVID-Erkrankung an. So setzen sie das Mittel Remdesivir ein und gaben dem Patienten auch Regeneron – den Antikörper-Cocktail, den der amerikanische Ex-Präsident Trump während seiner Corona-Erkrankung erhalten hatte. Zudem wurde der Mann künstlich beatmet. Dennoch ist er an der Infektionskrankheit gestorben.

Während der 45-Jährige immer wieder positiv auf Corona getestet wurde, untersuchten die Wissenschaftler das Erbgut des Virus per Sequenzierung. Hierbei stellte sich heraus, dass SARS-CoV-2 immer wieder Mutationen bildete: Über 20 Varianten wurden im gefunden. So hat das Virus den Körper ausgetrickst – die gebildeten Antikörper konnten die Mutationen nicht ausreichend bekämpfen. Noch erschreckender ist die Erkenntnis, dass die Mutationen im Körper des Verstorbenen Ähnlichkeiten mit anderen derzeit grassierenden Varianten aufweisen: So gibt es Gemeinsamkeiten mit der britischen und der südafrikanischen Mutation. 

Auch britischer Krebspatienten litt lange am Coronavirus

Ein ähnlicher Fall wird aus England berichtet: Hier veröffentlichten Fachleute des University College in London einen Artikel in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Nature über einen 70-Jährigen. Der Mann war an Krebs erkrankt und musste sich einer Chemotherapie unterziehen. In der Folge war sein Immunsystem geschwächt. Als er sich mit SARS-CoV-2 infizierte, erkrankte er schwer. Die stationäre Behandlung dauerte mehr als drei Monate – auch er erhielt Remdesivir und dazu Antikörper-Plasma von Genesenen – doch der Mann ist trotzdem gestorben.  

Die Sequenzierung der Proben aus dem Nasen-Rachenraum des Patienten ergaben, dass sich das Coronavirus vor allem zwischen Tag 66 und 82, nach der Gabe des Plasmas, veränderte.  Es bildeten sich unter anderem sogenannte „Escape-Mutationen“ – Flucht-Varianten, auf die das Immunsystem nicht vorbereitet ist. Studienleiter Prof. Dr. Ravindra Gupta von der Universität Cambridge sagte, es sei ein „Wettstreit zwischen verschiedenen Virusvarianten“ entstanden, Grund sei wohl die Plasma-Gabe.

Autoimmunkrankheit als Chance für das Coronavirus?

In beiden Fällen ziehen die Spezialisten das Fazit, dass Patienten mit einem geschwächten Immunsystem dem Corona-Virus optimale Bedingungen zur Mutation bieten. Bei Menschen mit einem gut funktionierenden Immunsystem hingegen ist die Bildung vieler Varianten unwahrscheinlich. Aber wer lange mit SARS-CoV-2 infiziert ist, trägt nach diesen Erkenntnissen ein höheres Risiko für Mutationen, die dann auch weitergegeben werden und neue, schwere Pandemieverläufe auslösen können. Risikopatienten wie der 45-Jährige, bei dem das Coronavirus über 20-mal im Körper des Mannes mutiert ist, müssen durch einen guten Schutz und Impfungen unbedingt besser geschützt werden.

Quellen: ​
Persistence and Evolution of SARS-CoV-2 in an Immunocompromised Host in: The New England Journal of Medicine
Corona-Studie beunruhigt: 45-Jähriger stirbt nach fünf Monaten mit Covid-19 - Virus mutierte mehrfach in: merkur.de
Wie SARS-CoV-2 mutiert – und weiter mutieren könnte in: Pharmazeutische Zeitung
SARS-CoV-2 evolution during treatment of chronic infection in: nature.com