Darum brauchen wir jetzt die Impfpflicht für Masern

Dass immer noch Menschen die Impfung gegen Masern verweigern und dabei auf die Freiheit der eigenen Entscheidung pochen, ist unerträglich. Denn: Sie schränken jene ein, die keine Wahl haben!
Sie begründen Ihre Nicht-Handlung oft mit dem Recht, über den eigenen Körper frei bestimmen zu können. Diese Freiheit ist rechtmäßig, wichtig und natürlich zu verteidigen. Doch im Fall der Masernimpfung ist die Haltung absurd. Denn: Meine Freiheit hört da auf, wo ich die eines anderen beschränke – und im schlimmsten Fall sogar sein Leben bedrohe.
Wer sich der Impfung verweigert, der schadet jenen, die keinen Schutz haben – und kriegen können. Das sind Babys, HIV-Infizierte oder Menschen, bei denen die Impfung nicht wirkt. Wären genug andere geimpft, dann stünden sie unter dem Schutz der sogenannten Herdenimmunität. Bei Masern wird diese erreicht, wenn etwa 95 Prozent der Bevölkerung immun sind. Dann kann sich die Krankheit nicht mehr ausbreiten – auch Menschen ohne Impfung sind geschützt.
Viele Impfskeptiker halten dagegen: Masern sind nicht so schlimm, man solle sie aushalten und der Natur seinen Lauf lassen. Stellt sich die Frage, ob sie das bei einem Beinbruch oder Herzinfarkt ähnlich sehen?
Die Masernimpfung rettet Leben

Moderne Medizin rettet Leben. Auch bei Masern. Die Zahlen sind eindeutig: Etwa einer von 1000 Masernkranken stirbt – weit mehr tragen schwere Hirnschäden davon. Etwa 15 Millionen Menschen wurden in Deutschland zwischen 2001 und 2012 gegen die Krankheit geimpft. Insgesamt gab es in dieser Zeit neun Todesfälle, die möglicherweise mit der Impfung in Verbindung standen. Aber: Bei acht dieser Fälle lagen auch andere Erkrankungen vor, die ebenfalls zum Tod geführt haben können. Wären alle dieser 15 Millionen Menschen an Masern erkrankt – wovon man ohne Impfung ausgehen kann –, dann müssten wir 15 000 Tote beklagen. Von der weit höheren Zahl an Menschen, die ihr Leben lang unter Folgeschäden leiden, ganz zu schweigen.
Nur aus einem einzigen Grund halten wir heute viele Krankheiten für harmlos: weil die Impfungen gegen sie so gut funktionieren. Wir sehen nicht mehr wie Menschen an Polio, Diphterie oder Masern sterben – und halten darum den Piks bei der Impfung für die größere Bedrohung.
Risiken falsch eingeschätzt

Die Ursache dafür ist ein psychologischer Effekt. Ein tief verwurzelter Denkfehler: Setze ich mich selber einem Risiko aus, dann halte ich es für weniger schlimm, als wenn es mir von außen auferlegt wird. Wir rauchen und fürchten uns vor Terroranschlägen. Wir essen täglich Fast Food, aber sorgen uns um Pestizide auf Pflanzen. Fast Food und Rauchen sind selbst gewählte Risiken. Wir fürchten die Folgen nur wenig. Trotzdem werden wir viel eher an ihnen sterben als an einem Terroranschlag oder durch die Pestizide auf unserem Gemüse. Ähnlich denken viele bei den Masern und der Impfung dagegen. Der Schaden durch die Impfung kommt von außen, an Masern stecke ich mich selber an. Nur ist es eben nicht ganz das Gleiche.
Solange ich mir mit meinem Verhalten nur selber schade, ist das mein gutes Recht. Gefährde ich hingegen andere, dann muss der Staat eingreifen, um diese zu schützen. Darum gibt es Gesetze, die verbieten, in öffentlichen Räumen zu rauchen oder betrunken mit dem Auto zu fahren. Sie schränken die Freiheit des Einzelnen ein, um die Allgemeinheit zu schützen. Was zurzeit bei den Masern passiert, ist, als würde man sagen: Wenn ihr nicht von Betrunkenen überfahren werden wollt, dann geht halt nicht auf die Straße. Das ist unhaltbar. Es muss ein Gesetz geben, das Menschen, die sich nicht selber schützen können, vor den Masern bewahrt. Am Wirksamsten wäre dazu die Impfpflicht.