Corona: Darum könnte Afrika zur Brutstätte neuer Mutationen werden

Wissenschaftler:innen warnen vor dem Infektionsgeschehen in Afrika. Wird es nicht unter Kontrolle gebracht, verbreiten sich dort Virusvarianten, die auch für Europa eine Gefahr darstellen könnten. Wie hoch ist die globale Gefahr dadurch?

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Ob bei einer Corona-Infektion eine Mutation vorliegt, lässt sich durch eine Genomsequenzierung feststellen. Dieses Verfahren wird in Afrika erst seit einigen Monaten durchgeführt. Zuvor waren Genomsequenzierungen wegen fehlender Ressourcen und Fachkräftemangel nicht möglich. 
Die ersten Ergebnisse sind besorgniserregend: Wissenschaftler warnen davor, dass in Afrika entstandene Corona-Mutationen zu einem globalen Problem werden könnten. Dieser Warnung liegt eine afrikanische Studie mit über 14.500 sequenzierten Genomen des Coronavirus zugrunde. 

Genomsequenzierungen weisen globales Problem nach

Wie schnell sich Corona-Mutationen weltweit verbreiten können, hat zuletzt die Virusvariante Delta B.1.617.2 gezeigt. Ende 2020 in Indien entdeckt, gelang ihr der Sprung nach Europa, wo sie innerhalb weniger Wochen das Infektionsgeschehen dominierte – auch in Deutschland. 

Ein internationales Team um Professor Tulio de Oliveira von der Universität Stellenbosch bei Kapstadt hat nun das Infektionsgeschehen in Afrika mit Blick auf die Mutationen des Coronavirus untersucht. Die Expertinnen und Experten analysierten für ihre Studie die Daten von genau 14.504 Genomen, die auf dem Kontinent gesammelt und bis zum 5. Mai 2021 in der Datenbank der Wissenschaftsinitiative GISAID (Global Initiative on Sharing All Influenza Data) gespeichert worden waren. Die Ergebnisse zeichnen die Verbreitung unterschiedlicher Corona-Virusvarianten in Afrika nach. 

Beta-Mutation früher in Südafrika als gedacht

Eine der verbreitetsten Virusvarianten in Afrika ist Beta. De Oliveira und sein Team konnten nachweisen, dass B.1.351 nicht – wie bisher angenommen – im Oktober 2020 erstmals in Südafrika auftrat, sondern schon im August. Im November wurde die COVID-19-Mutation dann in den Nachbarländern Botswana und Mosambik nachgewiesen, von wo aus sie sich in ganz Afrika verbreitete.

Ein interessanter Nebenaspekt der Studie: In Europa konnte sich die Virusvariante Beta bisher nicht durchsetzen. Das RKI zählt die Mutation in Deutschland zwar zu den Variants of Concern (VOCs), also zu den besorgniserregenden Virusvarianten. Ihr Anteil unter den Gesamtinfektionen ist allerdings verschwindend gering: In KW 25 wurden drei Fälle bundesweit gemeldet, in KW 26 keine. Warum Beta sich in Afrika so rasant verbreitet, in Europa aber nicht, konnten die Wissenschaftler:innen nicht erklären.

Virusvariante Eta: Nicht aus Großbritannien, sondern aus Afrika?

Weltweit werden nicht nur Variants of Concern so umfassend wie möglich dokumentiert, sondern auch sogenannte Variants of Interest (VOIs). Die aktuelle afrikanische Studie konnte dabei nachweisen, dass die VOI Eta nicht wie bisher angenommen im Dezember 2020 in Großbritannien das erste Mal auftrat, sondern schon im November in Nigeria. B.1.525 hat sich seitdem in weiten Teilen Nigerias und im benachbarten Ghana ausgebreitet. 
In Deutschland ist Eta kein Problem: Ihr Anteil unter den Gesamtinfektionen lag laut RKI in den ersten 25 Kalenderwochen bei 0,7%, ohne Tendenz auf eine drohende stärkere Ausbreitung. 

Afrika: Brutstätte neuer Mutationen?

Weitere VOIs, die de Oliveira und sein Team untersucht haben, sind für Europa und für Deutschland zwar nicht relevant. Dennoch weist die Studie den Wissenschaftler:innen zufolge auf eine mögliche Bedrohung hin. Professor de Oliveira fasst zusammen: 
"Wenn das Virus weiterhin auf dem afrikanischen Kontinent mutiert, wird das zu einem globalen Problem werden."

Niedrige Impfquote als Risikofaktor

In ihrer Studie unterstreichen Professor de Oliveira und sein Team die Gefahr, die von der niedrigen Impfquote in Afrika ausgeht. In den meisten afrikanischen Ländern sind weniger als 1% der Bevölkerung gegen SARS-CoV-2 geimpft, weil schlichtweg zu wenig Impfstoff zur Verfügung steht. Allein die Touristenregionen Seychellen (72%), Marokko (44,9%) und Tunesien (25,6%) weisen solide Impfquoten auf. Unter Ungeimpften verbreitet sich Corona leichter und kann so auch leichter mutieren. Das könnte dazu führen, dass Afrika in Zukunft zur Brutstätte neuer Mutationen wird. 

Quellen:
A year of genomic surveillance reveals how the SARS-CoV-2 pandemic unfolded in Africa, in: science.org
Detailed analysis by African scientists of SARS-CoV-2 published in Science, in: sun.ac.za/
SARS-CoV-2: Afrika könnte zur Brutstätte neuer Varianten werden, in: aerzteblatt.de
Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland, in: rki.de