Corona-Einfluss auf die Psyche: Diese Menschen kommen besser durch die Krise
In letzter Zeit hört und liest man vermehrt von der „Dritten Welle“: Die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Psyche. Nun liegt eine repräsentative Studie vor, die diesen Zusammenhang systematisch untersucht hat und dabei vor allem der Frage nachgegangen ist, welchen Personengruppen es besser gelingt, die Krise zu bewältigen.

Die Corona-Pandemie stellt eine große Belastungsprobe für die Psyche dar. Allerdings leiden nicht alle Menschen gleich stark unter der Krise und ihre Folgen. Die AXA zeigt nun in einer groß angelegten, repräsentativen Studie, welche Personengruppen besser mit den Belastungen zurechtkommen. Nicht nur die Lebensumstände spielen dabei eine Rolle, sondern auch ein bestimmtes Persönlichkeitsmerkmal.
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Psyche: „Die dritte Welle“
Bisher standen die Folgen Corona-Pandemie für die Wirtschaft und das Gesundheitssystem im Fokus der Aufmerksamkeit, doch nun rückt immer mehr der Zusammenhang zwischen Corona und der Psyche in den Vordergrund. Die Nationale Akademie für Wissenschaften Leopoldina schreibt in ihrer jüngsten Stellungnahme zur Corona-Pandemie, dass „psychische Belastungen in der Pandemie zugenommen haben, mit potentiell langfristigen Folgen für die Gesundheit.“
Die FAZ wird deutlicher, sie spricht von einer „unbemerkten dritten Welle“ und zitiert in diesem Kontext einen Harvard-Professor, der ein „‘Tsunami‘ schwerer psychischer Leiden“ prognostiziert. Und auch die AXA wählt einen vielsagenden Titel für eine Zusammenfassung ihrer Studie: „Die unsichtbare dritte Welle – Corona nimmt Einfluss auf die Psyche“. Die Ergebnisse der Studie zeigen jedoch, dass dieser Einfluss nicht bei allen Menschen gleich groß ist.
Diese Personengruppen trifft die Corona-Krise besonders hart
Vor allem Menschen, die bereits vor der Krise an psychischen Erkrankungen litten, haben es in der Corona-Krise schwer: „Ernsthaft psychisch Erkrankte hatten drei Mal häufiger (45 Prozent) das Gefühl, in der Corona-Krise die Kontrolle über das eigene Leben verloren zu haben“. Aber auch andere Personengruppen sind stärker von den Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehen betroffen, wie die Studien-Ergebnisse nahelegen:
- Junge Menschen sind stärker in ihrer Freizeitgestaltung eingeschränkt, als ältere Menschen.
- Menschen mittleren Alters sind besonders auf ein sicheres Einkommen angewiesen.
- Die Doppelbelastung durch Schließungen von Kitas und Schulen trifft in der Tendenz eher Frauen als Männer.
Introvertierte haben es in der Corona-Krise leichter
Neben sozialdemografischen Merkmalen, wie das Alter und das Geschlecht, spielt scheinbar auch die Persönlichkeit für die Bewältigung der Krise eine große Rolle. Demnach würden Extrovertierte, vor allem jene höherer Altersgruppen, stärker unter den Corona-Einschränkungen als Introvertierte leiden.
Als Ursachen werden Unterschiede in der Krisen- und Problembewältigung genannt. Auf der einen Seite stehen Strategien der Ablenkung und Verdrängung, auf der anderen der Wunsch, sich mehrfach täglich über Nachrichtendienste und -portale sowie über soziale Netzwerke, über die Corona-Lage zu informieren.
„Introversion“ und „Extraversion“ sind zwei entgegengesetzte Persönlichkeitsmerkmale, die beschreiben, ob die eigene Wahrnehmung und die Aufmerksamkeit tendenziell nach innen oder nach außen gerichtet ist. So beschäftigen sich Introvertierte stärker mit ihrem Innenleben, bevorzugen wenige enge Bezugspersonen und brauchen viel Zeit für sich, um neue Energie zu schöpfen.
Für Extravertierte ist hingegen der Austausch mit anderen Menschen essentiell für ihr psychisches Wolfbefinden – längeres Alleinsein ist für sie belastend. Sie ziehen gerade aus der sozialen Interaktion neue Energie und brauchen viel Aktivität und Abwechslung. Ist das nicht möglich – wie es während des Lockdowns der Fall war – fällt es ihnen anders als Introvertierten typischerweise schwer, „etwas mit sich anzufangen“.
"Kümmerer" sehen der Zukunft positiver entgegen
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Menschen, die sich um andere Personen kümmern (Kinder und ältere Menschen), blickten laut der Studie positiver in die Zukunft. Auf 76 Prozent dieser Personengruppe treffe dies zu, bei den „Nicht-Kümmerern“ seien es hingegen nur 63 Prozent. Obwohl sich die mentale Gesundheit der „Kümmerer“ verschlechtert habe, ziehen rund die Hälfte von ihnen etwas Positives aus der Krise – sie haben ihnen „geholfen herauszufinden, was man im Leben wolle“.
Entstigmatisierung psychischer Krankheiten durch Corona-Krise
Die Auswirkungen der Krise auf die Psyche beinhalten aber auch einen positiven Aspekt. Denn die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Krise zu einer Sensibilisierung für mentale Gesundheit geführt haben könnte – vor allem bei jungen Erwachsenen. Rund 45 Prozent der Befragten zwischen 18 und 24 Jahren hätten angegeben, sich nun stärker mit ihrem psychischen Wohlergehen zu beschäftigen. In der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen hätten dem 40 Prozent zugestimmt, bei den 35- bis 44-Jährigen seien es noch 38 Prozent gewesen.
Die intensivere Beschäftigung mit der eigenen Psyche trage „zu einer Entstigmatisierung des Krankheitsbilds“ bei, so das Fazit der AXA. In diesem Zusammenhang wird dafür plädiert, „die aktuelle Krise als Chance für einen offenen Umgang mit psychischen Problemen zu verstehen.“
Quellen:
Die „dritte Welle“ der Pandemie rollt unbemerkt, in: faz.net
AXA Studie: Die unsichtbare dritte Welle - Corona nimmt Einfluss auf die Psyche, in: presseporal.de
Appell an Bund und Länder: Leopoldina fordert klare und einheitliche Corona-Regeln für Herbst und Winter, in: leopoldina.org