Corona: Immunthrombose schuld an schweren COVID-19-Verläufen?
Forschen vermuten, dass eine Immunthrombose schwere COVID-19-Fälle auslöst. Dabei ruft die körpereigene Abwehr als Antwort auf eine Corona-Infektion eine Verstopfung der kleineren Blutgefäße in der Lunge hervor.
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Bei der Suche nach einer Antwort darauf, warum manche COVID-19-Infektionen einen schweren Verlauf nehmen, fanden Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) eine mögliche Erklärung. Schuld sei eine Immunthrombose, die durch eine Überreaktion der körpereigenen Abwehr ausgelöst wird und bei der kleineren Blutgefäße in der Lunge verstopfen.
Immunthrombose: Verhängnisvolle Reaktionskette
Schon zu Beginn der weltweiten Corona-Pandemie stellten Forscher fest, dass das Coronavirus über so genannte ACE2-Rezeptoren in die Zellen des menschlichen Körpers eindringt, sie zerstört und sich dort vermehrt. Jetzt scheint klar zu sein: Das Andocken des Virus' kann eine verheerende Reaktionskette im Körper auslösen.
Dringt SARS-CoV-2 in die Zellen ein, wird das Endothel – die Zellschicht an der Innenfläche der Blut- und Lymphgefäße – beschädigt. Diese Beschädigung führt zu Entzündungen und in der Folge dazu, dass das Immunsystem bestimmte weiße Blutkörperchen, die neutrophilen Granulozyten, aktiviert und in höherem Maße produziert. Die neutrophilen Granulozyten schließen sich dann zusammen und bilden Netze (sogenannte Neutrophil Extracellular Traps, kurz NETs) in den Blutgefäßen. Die NETs sind im Grunde hochfunktional: Im Falle einer Entzündung im Körper nehmen sie Bakterien in sich auf, damit diese gezielter angegriffen und unschädlich gemacht werden können.
Doch wie das Team um Dr. med. Moritz Leppkes herausfand, bilden sich bei einer Corona-Infektion bestimmte neutrophile Granulozyten von geringerer Dichte, die verstärkt zur NET-Bildung neigen und dadurch die Mikrogefäße in der Lunge verstopfen. Infolge dieser – vom Immunsystem ausgelösten – Thrombose wird die Sauerstoffversorgung beziehungsweise der Gasaustausch des Körpers unterdrückt, wodurch es zu schweren COVID-19-Verläufen kommt.
Auswirkungen auf Corona-Behandlung
Ihre Erkenntnisse veröffentlichten die Forscher im Fachmagazin "EBioMedicine by The Lancet". Dort berichtete sie auch davon, wie sich ihre Ergebnisse auf eine mögliche Behandlung von COVID-19-Patienten auswirkt. So könne man in Zukunft die verstärkte Bildung der neutrophilen Granulozyten hemmen, damit sich die gefäßverschließenden NETs nicht so zahlreich bilden. Möglich ist dies beispielsweise durch die Medikamente Dexamethason und Heparin. Letzteres wird bereits als Thrombose-Vorsorgemittel verabreicht, könnte aber bei Corona-Patienten in einer höheren Dosis nötig sein.
Immunthrombosen sind kein Corona-Phänomen
Dr. med. Moritz Leppkes und sein Team untersuchten für ihre Studie COVID-19-Patienten, die auf der Intensivstation behandelt werden mussten. Das Phänomen einer Immunthrombose ist allerdings keins, das erst durch Corona entdeckt wurde: 2004 wurde die Immunüberreaktion erstmals dokumentiert.
Das Endothel kommt in allen Gefäßbetten vor
Das Endothel wird also beim Andocken des Coronavirus' beschädigt. Dadurch entstehen Entzündungen, wodurch die Immunabwehr aktiv wird und es zu einer Überproduktion der neutrophilen Granulozyten kommt.
Das Fatale: Das Endothel kommt nicht nur in der Lunge vor, sondern in allen Gefäßbetten des Körpers, wie Herz-, Hirn-, Lungen- und Nierengefässen sowie in den Gefäßen im Darmtrakt. Damit ist klar, dass SARS-CoV-2 nicht, wie zu Beginn der Pandemie angekommen, eine reine Lungenkrankheit ist.
Quellen:
FAU-Forschende ermitteln Vorgänge bei schweren SARS-CoV2-Verläufen. in: fau.de
COVID-19: Immunthrombose in den kleinen Blutgefäßen könnte schwere Verläufe erklären, in: aerzteblatt.de
Vascular occlusion by neutrophil extracellular traps in COVID-19, in: thelancet.com