Corona-Dunkelziffer: Experten gehen von viermal so viel Fällen aus

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen steigt seit Wochen trotz Teil-Lockdown kontinuierlich an. Doch ist die Lage möglicherweise noch ernster, als die offiziellen Zahlen der Gesundheitsämter es vermuten lassen? Das RKI geht davon aus, dass die Corona-Dunkelziffer vier- bis sechsmal höher sein könnte!

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Mit knapp 30.000 registrierten Infektionsfällen innerhalb eines Tages (Stand 11.12) erreicht Deutschland einen neuen Rekord-Wert. Schätzungen des RKI zur Corona-Dunkelziffer und eine Antikörper-Studie zeigen nun, dass sich das Virus in Deutschland viel stärker verbreitet haben könnte, als gedacht.

Corona-Dunkelziffer: WHO-Kriterien liefern Richtwerte

Ein Richtwert zur realistischen Einschätzung des Infektionsgeschehens liefern die Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Nicht nur die Zahl der Testungen ist dabei ein wesentlich Faktor, sondern auch die Positivrate. Sie beschreibt den Anteil der positiven Ergebnisse an der Gesamtzahl der durchgeführten Corona-Tests. Ist die Positivrate niedrig, kann nach Maßgabe der WHO von einer kleinen Dunkelziffer ausgegangen werden. Eine hohe Positivrate über fünf Prozent deutet hingegen darauf hin, dass die Diskrepanz zwischen gemeldeten und unentdeckten Fällen größer ist. Was die Testungen und die Positivrate angeht, steht Deutschland derzeit ziemlich schlecht da.  

Weniger Testungen, mehr positive Ergebnisse

Aufgrund der veränderten Teststrategie, wonach nur noch Erkrankte mit ausgeprägten Symptomen getestet werden sollen, sinkt die Zahl der Corona-Testungen seit Wochen. Während es Anfang November noch rund 1,6 Millionen waren, sind es nun rund vier Wochen später weniger als 1,3 Millionen. Gleichzeitig steigt die Zahl der positiven Ergebnisse an – den Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) zufolge liegt der Wert aktuell bei mehr als zehn Prozent. Zum Vergleich: Im Sommer betrug der Anteil der positiven Test-Ergebnisse weniger als ein Prozent. Zieht man die WHO-Kriterien heran, müsste es in Deutschland eine hohe Corona-Dunkelziffer geben.

Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, äußert jedoch Bedenken über die Gültigkeit der WHO-Kriterien. Gegenüber dem ARD-faktenfinder erklärte er, dass die Teststrategie hierzulande im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern auch jetzt noch „sehr umfassend“ sei. Von einer steigenden Positivrate könne daher nicht auf eine stetig wachsende Dunkelziffer geschlossen werden.

Corona-Dunkelziffer könnte vier- bis sechsmal höher sein

Das heißt aber nicht, dass das RKI von einer niedrigen Dunkelziffer ausgeht – Analysen hätten ergeben, dass der Faktor vier bis sechs beträgt. Das heißt: Ausgehend von der aktuellen Zahl der labortechnisch nachgewiesenen und registrierten Corona-Fälle (Stand 11.12, knapp 30.000) könnte die tatsächliche Zahl der Neuinfektionen zwischen 120.000 und 180.000 liegen.

Die Höhe der Dunkelziffer dürfte in den verschiedenen Altersgruppen unterschiedlich hoch sein. So werden ältere Menschen, vor allem in Alten- und Pflegeheimen häufiger getestet als Kinder. Das RKI schätzt, dass sich bisher zehn Prozent der Bevölkerung mit Corona infiziert hat – oft, ohne das zu wissen. Denn oftmals verläuft eine Corona-Infektion völlig ohne Symptome, insbesondere bei Kindern.

Studie ergibt hohe Corona-Dunkelziffer

Eine Antikörper-Studie des Tropeninstituts der Ludwig-Maximilian-Universität München erhärtet den Verdacht, dass die Zahl der Corona-Fälle in Deutschland wesentlich höher sein könnte. Für die Studie wurden zufällig 5.300 Menschen aus 3.000 Haushalten in München ausgewählt. Das Ergebnis: Der Zahl der Menschen, die Antikörper im Blut und sich somit mit dem Coronavirus angesteckt hatten, war mit 1,8 Prozent viermal höher als die von den Münchener Gesundheitsämtern übermittelten Infektionszahlen. Der ermittelte Faktor deckt sich mit den Schätzungen des RKI, was auf eine hohe Corona-Dunkelziffer hindeutet.

Quelle:

Wie groß ist das Dunkelfeld?, in: tagesschau.de

Gesamtergebnisse der ersten Erhebungsphase der Prospektiven COVID-19 Kohorte München (KoCo19), in: LMU Klinikum