Cochlea-Implantat für stark Schwerhörige

15 Millionen Menschen in Deutschland hören schlecht. Jedem zehnten davon könnte ein Cochlea-Implantat helfen. Erfahren Sie hier, wie das Implantat wirkt und welche Verhaltensregeln Schwerhörigen das Verstehen erleichtern.
Schon als junge Frau bekam Petra N. Probleme mit den Ohren. Einen ersten Hörsturz verarbeitete sie zwar noch gut, doch mit den Jahren wurde ihre Hörbehinderung langsam immer stärker. Das veränderte das Leben der heute 54-Jährigen vollkommen: Sie zog sich immer mehr zurück, traf sich schließlich nicht einmal mehr mit ihren Freundinnen. Denn Gespräche konnte sie bald überhaupt nicht mehr verstehen.
Cochlea-Implantat unter der Kopfhaut
Erst jetzt wurde ihr klar, wie wichtig gutes Hören im Alltag ist. Deshalb stimmte sie sofort zu, als ihr der behandelnde Ohrenarzt zu einem sogenannten Cochlea-Implantat (CI) riet. Dieses Gerät übernimmt grob gesagt die Aufgabe der Haarzellen im Ohr. Das Cochlea-Implantat wird unter die Kopfhaut des Patienten gesetzt und reicht bis ins Innenohr. Es wandelt gesprochene Worte und andere Töne in elektrische Signale um, die dann vom Hörnerv ins Gehirn weitergeleitet werden. „Voraussetzung für ein CI ist ein intakter Hörnerv“, sagt deshalb Privatdozent Dr. Thomas Klenzner aus Düsseldorf. Ist diese Bedingung erfüllt, kann ein Cochlea-Implantat fast allen Menschen helfen, denen ein normales Hörgerät kein ausreichendes Verstehen sichert. Dazu gehören auch viele gehörlos geborene Kinder.
Mit dem Cochlea-Implantat wieder hören lernen
Sehen Sie einen Schwerhörigen immer an, wenn Sie mit ihm reden. So kann er die Wörter von Ihren Lippen abschauen. Verdecken Sie nicht Ihren Mund und kauen Sie während des Redens kein Kaugummi. Benutzen Sie klare und möglichst kurze Sätze.
Auch Schwerhörige können einiges für besseres Verstehen tun: Weisen Sie andere immer auf Ihren Hörverlust hin. Fragen Sie sofort nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. Wenn Sie selbst deutlich und langsam reden, tut das auch Ihr Gegenüber.
Sprechen Sie mit einem Schwerhörigen deutlich, aber nicht übertrieben und nicht zu schnell. Außerdem sollten Sie nicht zu laut sprechen. Große Lautstärke ist für viele Schwerhörige unangenehm oder sogar schmerzhaft – speziell wenn sie Hörgeräte tragen.
Erwachsenen, die schon vor dem Spracherwerb schwerhörig waren, wird dagegen in der Regel von einem Cochlea-Implantat abgeraten. Für sie ist das Erlernen eines lautsprachlichen Verstehens kaum möglich. Erwachsenen oder Jugendlichen aber, die erst im Laufe ihres Lebens das Hörvermögen verloren haben, kann ein solches Implantat helfen. Allerdings müssen auch sie nach dem Einsetzen des Cochlea-Implantats das Hören erst wieder neu lernen. Liegt der Gehörverlust erst kurz zurück, geht das meist schnell und die Betroffenen können schon nach kurzer Zeit wieder Gesprächen folgen.
Das Cochlea-Implantat wird justiert
Bei anderen Patienten kann es dagegen Monate oder Jahre dauern. Sie müssen lernen, die neuen Reize zu verarbeiten. Außerdem müssen Cochlea-Implantat-Träger ihr Implantat über mehrere Tage hinweg einstellen lassen. Jede der 22 Elektroden wird dann nachjustiert. So ergibt sich nach und nach ein immer natürlicheres Hören. Und auch in der Folgezeit müssen die Betroffenen einmal jährlich ins Hörzentrum, um das Implantat überprüfen zu lassen.
Hörtest noch während OP
Eingesetzt wird das Cochlea-Implantat immer unter Vollnarkose. Hinter dem Ohr wird ein Schnitt gemacht und dann in die Schädeldecke eine kleine Vertiefung gefräst, in der das Implantat Platz findet. Schließlich wird ein Kanal zum Mittelohr gefräst, über den dann mikrochirurgisch die Elektrode in das Innenohr geschoben wird. Ob das Implantat auch funktioniert, wird noch während der OP mit speziellen Geräten getestet.
Mitten im Hörtraining
Auch Petra N. hat sich für diese Operation entschieden. Jetzt steckt sie bereits seit einer Woche mitten im Hörtraining. Mittlerweile kann sie schon wieder ganze Sätze verstehen. „Nur wenn sich Störgeräusche untermischen oder mehrere Menschen gleichzeitig reden, habe ich noch leichte Probleme“, sagt sie. „Aber das wird sich mit etwas Übung auch bald geben“, ist sie zuversichtlich.
So funktioniert das künstliche Ohr
Die speziellen Implantate sind nach der Hörschnecke im Innenohr benannt. Denn die heißt auf Latein cochlea. Die Geräte helfen Hörgeschädigten, wenn herkömmliche Methoden nicht ausreichen. Sie bestehen aus einer Spule, die unter der Kopfhaut sitzt, und Elektroden, die bis zum Hörnerv verlaufen. Das eigentliche Hörgerät wird mit einem Magneten außen an der Kopfhaut befestigt. Es enthält ein Mikrofon, einen Sprachprozessor, also eine Art kleiner Computer, und Batterien. Es nimmt den Schall auf und leitet ihn über Spule und Elektroden an den Hörnerv weiter. Die geschädigten Teile des Innenohres werden so einfach umgangen. Das Cochlea-Implantat kann in spezialisierten HNO-Kliniken eingesetzt werden. Cochlea-Träger können telefonieren, Musik hören und ganz normal an Unterhaltungen teilnehmen.
Kontakt und Hilfe
Gemeinnütziger Verein: Zahlreiche Infos und qualifizierte Beratung finden Sie bei diesem gemeinnützigen Verein von Betroffenen, Ärzten, und Technikern
Deutsche Cochlear Implant Gesellschaft
Rosenstraße 6
89257 Illertissen
Tel.: 073 03/9 28 43 13
www.dcig.de
Selbsthilfe: Nützliche Tipps und Kontakt zu Selbsthilfegruppen finden Sie unter www.schnecke-online.de
Hörzentrum:
Versorgung hochgradig Schwerhöriger
Univ.-HNO-Klinik Düsseldorf
Moorenstr. 5
40225 Düsseldorf
Tel.: 02 11/8 11 75 76