Babyblues: So unterscheidet er sich von der Wochenbettdepression

Der Babyblues trifft die vielen betroffenen Mütter wie ein Schlag ins Gesicht: Statt der angekündigten Hochgefühle können sie in den Tagen nach der Geburt ihres Kindes nur Erschöpfung, Traurigkeit und Niedergeschlagenheit empfinden. Das ist enttäuschend, belastend und – und das ist die gute Nachricht – vollkommen normal. Die Babyblues-Symptome, die besten Tipps für Betroffene und Angehörige sowie die Abgrenzung von der Wochenbettdepression, erklärt von zwei Expertinnen auf dem Gebiet.

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Der Babyblues ist eine häufige Form der depressiven Verstimmung: 50 bis 80 Prozent der Mütter haben nach der Geburt ihres Kindes damit zu kämpfen. Verantwortlich für das vorübergehende Stimmungstief sind die massive Hormonumstellung nach der Schwangerschaft und die Anpassung an das neue Leben mit Kind. Auch schwierige oder enttäuschende Geburtserfahrungen können damit zusammenhängen. Die beiden Hebammen Jasmin Czech und Julia Brömsen, in den sozialen Medien bekannt als „Momallie“, sind Expertinnen auf dem Gebiet und wissen, was den betroffenen Müttern am besten hilft und ab wann die Symptome auf eine behandlungswürdige Wochenbettdepression hindeuten.

Eine Mutter hält ihr Baby im Arm
Mit dem Babyblues hat ein Großteil der jungen Mütter zu kämpfen Foto: iStock/FatCamera

Babyblues-Symptome: Woran erkennt man ihn?

„Der Babyblues ist eine ganz normale Situation“, beruhigt Hebamme Jasmin Czech. Dennoch sollte das Umfeld die Symptome kennen, um angemessen reagieren zu können. Dieses Umfeld ist es auch, dem in der Regel als Erstes Veränderungen an der jungen Mutter auffallen: „Meistens erkennen es erst die Außenstehenden, beispielsweise der Partner oder die Hebamme“, erklärt die Expertin.

„Die frisch gebackenen Mamas sind meist empfindlicher und reizbarer. Oft geht das mit einer schnell wechselnden Stimmung einher. Symptome können außerdem sein, dass sie leichte Schlafstörungen haben, zu Appetitlosigkeit neigen, manchmal sogar Konzentrationsprobleme haben oder auch in manchen Situationen aggressiv werden können. In manchen Fällen merken es die Mamas aber auch selber und wenden sich an ihre Hebamme.“

„Heultage“: Nach der Geburt herrscht Hormonchaos

Der Babyblues wird manchmal auch als „Heultage“ bezeichnet. Der Grund sind plötzliche Weinkrämpfe, die die betroffenen Mütter scheinbar aus dem Nichts überfallen können; und das ausgerechnet in der vom Umfeld so gepriesenen „glücklichen Kennenlernzeit“ mit dem oder der lang ersehnten neuen Erdenbürger:in.

Der Grund für den plötzlichen Stimmungseinbruch zu einer scheinbar so unpassenden Zeit ist die schlagartige und massive Umstellung des Hormonhaushalts der Mutter. Mit der Nachgeburt, also der Abstoßung des Mutterkuchens, stoppt plötzlich die Produktion der Schwangerschaftshormone. Denn die Plazenta hatte nicht nur die Aufgabe, das ungeborene Kind zu ernähren – sondern auch die, den Hormonhaushalt der Mutter konstant im „Schwangerschaftsmodus“ zu halten.

Das Unangenehme dabei: Unter anderem der plötzliche Absturz des Hormons Östrogen kann der Stimmung der jungen Mutter ordentlich zusetzen. Denn Östrogen hat neben vielen anderen Funktionen auch einen Einfluss auf die psychische Verfassung: So kurbelt es die Aktivität des Glückshormons Serotonin an und wirkt stimmungsregulierend. Fehlt mit einem Mal ein Großteil dieses „Stimmungsboosters“ im Gehirn, hat das die typischen Babyblues-Symptome zur Folge.

Babyblues: Wann setzt er ein?

„Der Babyblues tritt meist zwischen dem 3. und 5. Tag auf, aber auch am 10. Tag nach der Geburt kann er wieder auftreten“, erklärt Hebamme Czech. Der Grund dafür ist, dass der Sinkflug der Schwangerschaftshormone in diesem Zeitraum mit voller Wucht im Gehirn ankommt. Neben dem Abfall von Östrogen finden in dieser Zeit viele weitere Hormonumstellungen im Körper der frischgebackenen Mutter statt – all das kann Einfluss auf ihre psychische Verfassung haben.

Babyblues: Nach der Geburt ist alles anders (als erwartet)

Zu dem Hormonchaos kommt die massive Umstellung in der Lebenssituation, die trotz aller Vorbereitung immer plötzlich kommt und mit der Mütter (und auch Väter) unterschiedlich schnell zurechtkommen. Das Leben zu dritt ist ein ganz anderes als das Leben zu zweit und gerade in den ersten Wochen typischerweise mit vielen neuen Problemen, Sorgen und körperlichen Beschwerden verbunden. Was häufig zunächst ausbleibt, sind die erwarteten Hochgefühle und Glücksmomente des neuen Familienlebens, die man aus den Medien und Erzählungen aus dem Freundeskreis kennt. Das kann zu einer Art „Heimweh“ nach dem alten Leben führen. Doch auch hier gilt: Das ist ganz normal und Betroffene und ihre Angehörigen sollten keinen falschen Leistungsdruck aufbauen, um die Umstellungsphase abzukürzen – das funktioniert, wenn überhaupt, nur mit viel Verständnis aus dem Umfeld.

Schließlich haben Mütter, bei denen die Geburt anders als geplant verlaufen ist und beispielsweise mit Komplikationen verbunden war, ein höheres Risiko, am Babyblues zu leiden. Sie kämpfen häufig zu allem Übel mit Selbstvorwürfen und dem Gefühl, versagt zu haben, weil die Geburt ihres Kindes nicht „natürlich“ war oder sie sie nicht als so wundervoll erlebt haben, wie sie selbst oder ihr Umfeld das von ihnen erwartet haben.

Die Babyblues-Dauer ist begrenzt

Meist ist der Babyblues nach zwei Wochen überstanden. Sollten nach Ablauf dieser Zeit noch Beschwerden bestehen, sollten sich betroffene Frauen an ihren Arzt oder ihre Ärztin wenden. Dann ergibt es Sinn, abzuklären, ob ihre Symptome auf eine Wochenbettdepression hindeuten.

Auch, wenn der Babyblues erst nach drei Monaten oder noch später einsetzt, handelt es sich in der Regel nicht um die „Heultage“, sondern womöglich um eine depressive Erkrankung. Diese sollte schnellstmöglich diagnostiziert werden, um die Lebensqualität der Mutter schnell wieder zu verbessern und ihr und ihrem Baby die Möglichkeit zu geben, ungestört eine gesunde Bindung aufzubauen.

Babyblues: Was hilft betroffenen Müttern?

„Ein Babyblues ist in den meisten Fällen nicht behandlungsbedürftig. Denn oft klingen die Symptome von ganz alleine ab“, so Czech. „Wichtig ist beim Babyblues über die Gefühle und Empfindungen zu sprechen und am besten eine Bezugsperson zu haben. Man kann mit dem Partner, einer Freundin oder der Hebamme sprechen. Außerdem sollte man für viel Ruhe und Entspannung sorgen. Am besten also in diesen Tagen keinen übermäßigen Besuch erwarten.“

Hilfe bei der Babypflege kann für die junge Mutter entlastend sein. „Aber bitte nicht das Neugeborene immer an den Partner abgeben“, warnt die Expertin. „Denn das könnte eher kontraproduktiv sein! Hier ist es wichtig, die Bindung aufzubauen und trotzdem weiterhin die Mama zu sein. Das kann für die Zeit danach sehr hilfreich sein.“

Viel Hautkontakt ist dabei der Schlüssel. Beim Stillen wird zudem das Kuschel- und Wohlfühlhormon Oxytocin vermehrt ausgeschüttet. All das hilft beim Aufbau der Mutter-Kind-Bindung und kann die positiven Gefühle für das Baby stärken. Diese positiven Gefühle überlagern dann in den allermeisten Fällen nach einigen Tagen oder Wochen die negativen der „Heultage“.

Babyblues oder Wochenbettdepression: Was sind die Unterschiede?

Tun sie das nicht, handelt es sich vermutlich nicht um den Babyblues, sondern um eine sogenannte Wochenbettdepression. „Vergleicht man den Babyblues und die Wochenbettdepression, dann ist der Babyblues nicht behandlungsbedürftig, die Wochenbettdepression schon“, erklärt Hebamme Julia Brömsen. „Auch bei der Wochenbettdepression erkennen es meist die Außenstehenden. Die Frauen wollen es sich oft nicht selbst eingestehen. `Ich bin eine schlechte Mutter´ ist ein Satz, den man häufiger von betroffenen Frauen hört.“

Folgende Symptome weisen laut der Expertin auf eine Wochenbettdepression hin:

  • Schlafstörungen

  • Dauerhaftes Weinen

  • Trauer

  • Antriebslosigkeit und Schlappheit

  • Dauerhafte Müdigkeit

  • Panikattacken

  • Schuldgefühle

  • Beschädigtes Selbstwertgefühl

Diese negativen Gefühle können bis hin zu Selbstmordgedanken gehen, warnt Brömsen: „Bei einer Wochenbettdepression ist es gut sie früh zu erkennen und zu behandeln. Je eher, desto besser. Auch hier ist die Hebamme eine gute erste Ansprechpartnerin. Sie kann Betroffene an die richtige Stelle weiterleiten.“

Gibt es einen Babyblues vor der Geburt?

Einen Babyblues vor der Geburt gibt es nicht – denn die Schwangerschaftshormone beginnen ihren Sinkflug niemals schon vor der Geburt, sondern erst, wenn der Mutterkuchen abgestoßen wurde. Allerdings kommen sowohl Stimmungsschwankungen in der Schwangerschaft als auch Schwangerschaftsdepressionen vor. Während Ersteres durch die Hormonumstellung zu Beginn der Schwangerschaft relativ weit verbreitet ist, ist Letzteres eine ernstzunehmende Erkrankung, die zum Glück nur wenige Frauen betrifft. Wenn werdende Mütter über längere Zeit an Symptomen wie Traurigkeit, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen und Appetitlosigkeit leiden, sollten sie ihren Arzt oder ihre Ärztin darauf ansprechen – denn eine Schwangerschaftsdepression kann gut behandelt werden.

Babyblues beim Papa: Gibt es das?

„Auch bei Vätern kann eine gewisse depressive Verstimmung stattfinden“, so Expertin Brömsen. „Zwar tritt sie prozentual nur halb so oft auf wie bei Frauen, doch sollte man auch sie nicht außer Acht lassen. Oft leiden Männer unter der Wochenbettdepression der Frau und entwickeln dadurch selbst eine. Aber auch durch den Schlafmangel kann eine Verstimmung stattfinden. Auch hier ist es wichtig, sie zu erkennen und sie wenn nötig behandeln zu lassen.“

Bei frischgebackenen Vätern können auch die Umstellung vom gewohnten Alltag zum neuen Familienleben und die damit verbundenen Sorgen und Ängste ein vorübergehendes Stimmungstief verursachen. Unsicherheiten in Bezug auf die neue Vaterrolle, Sorgen aufgrund der neuen finanziellen Verantwortung und das plötzliche Bewusstsein, einen großen Teil der persönlichen Freiheit verloren zu haben, können dabei eine Rolle spielen.

Auch Väter sollten es von ihrem Umfeld unbedingt ernstgenommen und unterstützt werden, wenn sie nach der Geburt ihres Kindes unter Stimmungstiefs leiden. Beiden Elternteilen kann es helfen, schon im Vorfeld über das mögliche Auftreten solcher Probleme Bescheid zu wissen – und darüber, dass der Babyblues keine Krankheit ist, sondern bei sehr vielen Eltern schlicht zum Anpassungsvorgang an das neue Familienleben dazugehört.

Unsere Expertinnen

Die Hebammen Jasmin Czech und Julia Brömsen, in den sozialen Medien bekannt als „Momallie“, betreuen und beraten gemeinsam werdende Mütter von Beginn der Schwangerschaft bis zur Nachsorge im Wochenbett. Im Juli 2023 erscheint ihr Buch „100 Fragen an deine Hebamme“, in dem die beiden Expertinnen die wichtigsten Fragen rund um die Themen Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett beantworten.

Depression: Wo finde ich Hilfe?

Wenn Sie sich ständig erschöpft und traurig fühlen oder unter Schlafproblemen leiden, kann dies auf eine Depression hindeuten. Spätestens nach zwei Wochen Niedergeschlagenheit ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen. Auf der Website der Deutschen Depressionshilfe finden Sie verschiedene Anlaufstellen. Dort sind auch Adressen für Notfälle gelistet. Bei konkreten Suizidgedanken ist es wichtig, die nächstgelegene Klinik mit psychiatrischer Notaufnahme aufzusuchen.

Bei akuten Sorgen oder Ängsten können Sie jederzeit anonym die Telefonseelsorge unter den Telefonnummern 0800/111 0 111 oder 116 123 anrufen.

Wenn Sie nicht selbst betroffen sind, aber depressive Symptome bei anderen bemerken, erhalten Sie auf der Website der Deutschen Depressionshilfe konkrete Handlungsempfehlungen. Besteht eine konkrete Suizidgefahr ist es wichtig, sofort den Rettungsdienst unter 112 oder die Polizei zu verständigen.

Weitere Quellen:

Baby Blues and Postpartum Depression: Mood Disorders and Pregnancy, in: hopkinsmedicine.org

Postpartum depression, in: mayoclinic.org