Baby bewegt Bein nicht – Osteomyelitis?
Glücklicherweise kommt das, was ich neulich in der Praxis erlebt habe, selten vor. Es stellte sich eine Mutter mit ihrem knapp drei Wochen alten Säugling vor. Sie hatte das Gefühl, er bewege das rechte Beinchen nicht mehr. Wenn sie es bewegte, weinte das Baby. Das fiel ihr erst am Morgen auf – beim Baden am Vorabend war noch alles normal. Sonst ging es dem Kleinen gut, er trank normal, der Schlaf war nicht verändert, Fieber war bislang nicht aufgefallen.

Das sagt die Kinderärztin Dr. med. Nadine McGowan
Ich sah mir das Neugeborene genau an. Es stimmte: Das rechte Beinchen bewegte es freiwillig nicht. Sonst sah das Bein unauffällig aus, es war nicht dicker, wärmer oder röter als der Rest. Als ich vorsichtig versuchte, das Knie zu beugen, weinte das Kind sofort auf. Sonst wirkte es nicht akut krank. Fieber haben die ganz Kleinen oft noch nicht – selbst, wenn sie richtig krank sind, kann die Temperatur noch unter 38°C liegen.
Bei Säuglingen gibt es einige Warnzeichen, die einen Kinderarzt sofort hellhörig werden lassen
- Die Hautfarbe ist nicht mehr schön rosig, sondern eher blass-grau
- Die Rekapillarisationszeit ist erhöht (wenn man mit dem Finger über dem Brustbein drückt, soll die Stelle nach zwei bis drei Sekunden wieder rosig aussehen)
- Die Pulse in der Leiste sind eher schwach
- Die Fontanelle ist eingesunken
- Der Muskeltonus (die Muskelspannung) ist schlapp
- Das Baby mag nicht mehr trinken
Diagnose – was stimmt nicht mit dem Baby-Bein?

Bei meinem kleinen Patienten war keines der Warnzeichen erfüllt – außer der Temperatur, die bei 37,9°C lag. Insbesondere zusammen mit den Befunden am Bein gefiel mir das überhaupt nicht.
Ich dachte an eine Osteomyelitis, eine Entzündung des Knochens. Wörtlich bedeutet Osteomyelitis eigentlich, Entzündung des Knochenmarks, auch wenn meistens der Knochen selbst und die Knochenhaut mitbetroffen sind und nicht nur das Mark. Eine Osteomyelitis muss umgehend sicher diagnostiziert und behandelt werden – mit hochdosierten, knochengängigen Antibiotika im Krankenhaus.
Osteomyelitis muss im Krankenhaus behandelt werden
Denn leider ist es notwendig, dass zumindest anfänglich das Antibiotikum über die Vene verabreicht wird. Wenn Besserung eingetreten ist, kann man auf ein Antibiotikum zum Schlucken wechseln.
Ich sprach also mit der Mutter – keine einfache Aufgabe, schließlich ist ein notwendiger Krankenhausaufenthalt nichts, was man gern vermittelt. Im Krankenhaus wurde ein Röntgenbild vom Bein des Babys gemacht und ein MRT (Magnetresonanztomographie) durchgeführt – beide Befunde waren klassisch für eine Osteomyelitis im Oberschenkelknochen. Nach Abnahme von Blutkulturen, die im Verlauf eine Infektion mit Pneumokokken ergaben, wurde sofort mit einer intravenösen antibiotischen Behandlung begonnen.
Mittlerweile sind zehn Tage vergangen und die Mutter informierte mich heute darüber, dass es zwar schöneres gebe, als mit einem Säugling im Krankenhaus zu sein, der Kleine sich aber gut erhole und die Blutwerte schon eine deutliche Besserung zeigten. Noch ein bisschen Geduld und dann ist alles hoffentlich ganz überstanden!
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