Gesunde Menschen halluzinieren Gerüche
Der Duft von Kaffee, der Geruch des Partners, die Meeresbrise, die uns um die Nase weht – ein gesunder Mensch kann etwa 20 bis 30 Duftqualitäten unterscheiden. Doch können wir uns Gerüche auch einbilden? Einer neuen Studie zufolge ist das Phänomen nicht unbekannt: Immerhin 6,5 Prozent der Menschen leiden unter einer sogenannten „Phantosmie“.

Gerüche wecken Erinnerungen und Gefühle, aktivieren so unser Gedächtnis, unsere Emotionen und Triebe wie Hunger, Durst oder Sexualität. Wenn der Geruchsinn stark eingeschränkt ist oder sogar ganz fehlt, machen wir uns Gedanken. Doch müssen wir uns auch sorgen, wenn wir etwas riechen, was gar nicht da ist? Das Team um Kathleen Bainbridge vom National Institute on Deafness and Other Communication Disorders ist dieser Frage nachgegangen.
Die Wissenschaftlerin hat eigenen Angaben zufolge die erste repräsentative Umfrage durchgeführt, um die Verbreitung des Phantomgeruchs zu untersuchen. Das Ergebnis der Daten von über 7.000 Studienteilnehmern: Jeder 15. Mensch nimmt Düfte wahr, die in der Realität gar nicht vorhanden sind. Die Ergebnisse wurden im Online-Fachmagazin JAMA Otolaryngology-Head and Neck Surgery veröffentlicht.
Phantosmie wird auch als olfaktorische Halluzination oder Phantomgeruch bezeichnet. Menschen, die von diesem Zustand betroffen sind, glauben typischerweise, dass sie Düfte wie Gas, Rauch oder Schmutz riechen, auch wenn diese gar nicht existieren.
Frauen halluzinieren häufiger
Die Probanden, die von 2011 bis 2014 an einer nationalen Gesundheitsstudie teilgenommen hatten, beschrieben die Phantomgerüche als chemisch, faulig oder verbrannt. Frauen im Alter von 40 bis 59 Jahren waren von der Sinnestäuschung häufiger betroffen als Männer. Während rund zehn Prozent der Teilnehmerinnen die unangenehmen Gerüche wahrnehmen konnten, waren es bei den Männern nicht einmal fünf Prozent.
Was sind die Ursachen für Phantosmie?
Als Grund vermuten die Wissenschaftler Fehlsignale, die an das Gehirn gesendet werden. Phantomgerüche könnten mit einer Störung in jenem Hirnbereich einhergehen, der Geruchssignale verarbeitet. Auch ein Zusammenhang mit überaktiven Geruchsrezeptoren in der Nasenhöhle ist denkbar.
Manchmal verschwinden die Geruchshalluzinationen von selbst, einige Menschen leiden hingegen ihr ganzes Leben darunter. Auch wenn immerhin elf Prozent der Betroffenen einen Arzt aufsuchen – eine gesicherte Behandlung gibt es nicht.
Halluzinationen – welches sind die häufigsten Formen?
Bei akustischen Halluzinationen hören die Betroffenen Geräusche, die nicht vorhanden sind. Dazu gehören zum Beispiel Musik, Stimmen, Geflüster, ein Pfeifen, Sausen oder Heulen.
Optische (visuelle) Halluzinationen zeigen sich durch Blitze, Schatten oder Zickzacklinien. Darunter fallen jedoch auch vielschichtige Bilder wie Menschen, die sich bewegen.
In anderen Fällen schmecken Betroffene etwas, das nicht da ist (gustatorische Halluzinationen), zum Beispiel halten sie alles, was sie essen, für bitter, sauer oder salzig.
Bei Halluzinationen, die den Tastsinn betreffen (taktile Halluzinationen), wird unterschieden zwischen Leibeswahrnehmungen (zum Beispiel das Gefühl, die eigenen Organe wären zu groß für den Körper), Täuschungen des Fühlens (etwa nicht vorhandene Berührungen, aber auch Hitze von außen oder der Eindruck nasser Füße) und Halluzinationen, die in einem Zusammenhang mit äußeren Einflüssen stehen. Ein Beispiel wäre die Überzeugung, dass die Gegenwart anderer Menschen Schmerzen auslöst.
Die Erklärung: Regionen des Gehirns, die mit dem Gedächtnis des jeweiligen Sinns verknüpft sind (zum Beispiel visuelles Gedächtnis, akustisches Gedächtnis), werden übermäßig stark aktiviert. Nerven sind dabei leicht zu irritieren oder übererregbar. Die Folge: Eindrücke könnten mit anderen verwechselt werden.
Wie viele gesunde Menschen sind von Halluzinationen betroffen?
Von mehr als 31.000 mental gesunden Menschen gaben 5,2 Prozent an, bereits eine optische Halluzination erlebt zu haben. Wahnvorstellungen traten bei 1,3 Prozent der Befragten auf. Bei einem Drittel blieb es bei einem einmaligen Ereignis, ein weiteres Drittel führte an, von mindestens zwei bis fünf Erscheinungen betroffen gewesen zu sein.
Quelle: https://jamanetwork.com/journals/jamaotolaryngology/article-abstract/2696525