Armutskrankheit breitet sich weiter in Deutschland aus

Die Zahl der Tuberkulosefälle in Deutschland nimmt seit 2012 jährlich zu – doch nicht alle Ärzte erkennen die Symptome der sogenannten Armutskrankheit. PraxisVITA erklärt, wie die tückische Erkrankung behandelt wird und warum sie sich wieder mehr ausbreitet.
Tuberkulose (TBC), auch als „Armutskrankheit“ bekannt, ist in Deutschland weiter auf dem Vormarsch. Laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) stieg die Zahl der Krankheitsfälle von 5.852 im Jahr 2015 auf 5.915 Fälle im Jahr 2016. Es ist zwar nur ein leichter, aber dennoch ein besorgniserregender Trend nach oben. Denn erst 2012 hatte es einen Tiefststand von 4.112 Erkrankungen gegeben – seitdem nehmen die Fälle jedes Jahr zu.
Tuberkulose-Symptome werden vom Arzt oft zunächst nicht erkannt
Ausgelöst wird die Infektionskrankheit durch sogenannte Mykobakterien. TBC betrifft vor allem die Lungen, sie kann aber auch andere Organe befallen. Die ersten Symptome sind recht unspezifisch – Husten, Fieber, Nachtschweiß und plötzlicher Gewichtsverlust zählen dazu. Ein deutliches Zeichen für die Krankheit sind Veränderungen im oberen Lungenbereich. Das Problem: TBC kommt hierzulande nicht so häufig vor, dass Ärzte sie direkt erkennen und eine Röntgenuntersuchung der Lunge vornehmen. Zwar zählt Tuberkulose zu den Krankheiten, die zu den meisten Todesfällen führen – allein 2015 starben laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit rund 1,4 Millionen Menschen daran. Aber sie ist auch sehr ungleich verteilt und gilt vor allem als Problem von Entwicklungsländern. 2015 traten 60 Prozent der Krankheitsfälle in nur sechs Staaten auf, nämlich Indien, Indonesien, China, Nigeria, Pakistan und Südafrika. In den Industrienationen geriet TBC daher immer mehr in Vergessenheit.
Mehr Tuberkulosefälle durch Zuwanderung?
Aber was ist der Grund für die wachsende Zahl der Tuberkulosefälle? „Es gibt einen Zusammenhang mit der aktuellen Zuwanderung“, erklärt Lena Fiebig, die als Infektionsforscherin am RKI tätig ist. „Migration ist aber nicht die Ursache von Tuberkulose, das Bakterium ist es“, ergänzt sie. Wird Tuberkulose diagnostiziert, gehört es zum Standardverfahren, dass der Anlass der Diagnose notiert wird. „Daher wissen wir, dass ein großer Teil der höheren Fallzahlen Tuberkulosen entspricht, die bei gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen vor Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft diagnostiziert wurden“, so Fiebig weiter. Damit sei aber eben nicht nur die Aufnahme in Flüchtlingsquartiere gemeint – die gesetzliche Vorlage gelte beispielsweise auch bei Haftantritt in Gefängnissen. Zu den Risikogruppen für TBC gehören außerdem nicht nur Personen, die aus den besonders betroffenen Regionen kommen, sondern auch Drogenabhängige und Obdachlose.
Tuberkulose muss mit vier Antibiotika gleichzeitig therapiert werden. In der Regel wird über sechs Monate hinweg ambulant behandelt – die Kosten belaufen sich dabei auf rund 1.200 Euro. Allerdings entwickeln die tückischen Erreger immer mehr Resistenzen. Manche der Bakterienstämme sind sogar gegen mehrere Medikamente gleichzeitig unempfindlich. Laut dem RKI gab es 2016 rund 125 solcher multiresistenten Fälle – die Kosten stiegen dadurch auf bis zu 50.000 Euro pro Erkrankung.