Ansteckend trotz Impfung
US-Forscher haben eine besorgniserregende Entdeckung gemacht: Eine wichtige Impfung scheint zwar vor den Symptomen der Krankheit zu schützen, nicht aber davor, dass man zum Überträger wird.
Die Wissenschaftler im mächtigsten Land der Welt sind ratlos: In den letzten Jahren ist eine Krankheit zurückgekehrt, die dort lange fast als ausgerottet galt. Der Keuchhusten. 50 000 Fälle weist dort das nationale Register für das 2012 aus – eine ähnlich hohe Zahl gab es das letzte Mal 1955. Seit diesem traurigen Rekord ist die Krankheit, die besonders bei kleinen Kindern oft tödlich endet, wieder in den Fokus der US-Öffentlichkeit gerückt.
Keuchhusten breitet sich aus
Auch in Deutschland ist der Keuchhusten alles andere als besiegt. Von 100 000 Personen erkranken im Schnitt 40 – obwohl 95 Prozent der Kinder zur Zeit der Einschulung geimpft sind. Auch in den USA ist der Impfschutz alles andere als schlecht – trotz einer leichten Impfmüdigkeit, die sich dort wie in Deutschland in den letzten Jahren breit macht. Zwei Wissenschaftler stellen jetzt in einer neuen Studie eine besorgniserregende Vermutung auf: Geimpfte Personen sind unwissend Überträger der Krankheit.
Es ist eine gewagte These, die die Wissenschaftler Ben Althouse und Sam Scarpino vor Kurzem in der Fachzeitschrift BMC Medicine veröffentlichten: Menschen, die gegen Keuchhusten geimpft sind und darum selber keine Symptome zeigen, stecken Ungeimpfte – besonders Kleinkinder – an. Darum breitet sich die Krankheit trotz hoher Impfquote aus.
Der Impfstoff ist das Problem
Doch aus der Luft gegriffen ist die Vermutung nicht. Ursprung des Problems liegt im Keuchhustenimpfstoff selbst. In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts tauschte die US-Regierung den alten Impfstoff gegen einen neuen. Die Änderung: Zuvor wurden die ganzen, getöteten Bakterien der Art Bordetella pertussis genutzt. Das funktionierte sehr gut und ließ die Krankheit fast ganz verschwinden, führte aber in einigen wenigen Fällen zu Nebenwirkungen durch die Impfung, wie zum Beispiel eine geschwollene und gerötete Haut. Um diese zu verhindern, wurde ein neuer, sogenannter azellulärer Impfstoff, eingeführt. Er besteht nur aus einem Teil der Bordetella pertussis Bakterien. Auch in Deutschland wird dieser neue Impfstoff genutzt. Er führt nachweislich zu weniger Nebenwirkungen – möglicherweise aber zu einem hohen Preis.
Schon im Jahr 2014 konnte ein anderes Forscherteam an Affen zeigen, dass der Impfstoff die Symptome das Keuchhustens verhindert, nicht aber die Weitergabe der Krankheit. Ein Desaster für die Seuchenbekämpfung: Wer geimpft ist, weiß nichts von seiner Erkrankung, kann aber andere anstecken. Diese Vermutung konnten Scarpino und Althouse jetzt anhand von medizinischen Daten für die Bevölkerung in den USA und Großbritannien nachweisen. Es ist zu vermuten, dass es in Deutschland ebenfalls zutrifft.
Millionen Überträger
„Es laufen vermutlich Millionen Menschen mit einem leichten oder gar keinem Husten herumlaufen und verbreiten eine potenziell tödliche Krankheit“, sagt Studienautor Althouse. Das Schlimmste dabei: Eine oft empfohlene Praxis, das sogenannte Cocooning, bei der Eltern und Geschwister ihre Impfung auffrischen lassen, um Neugeborene zu schützen, ist dann sinnlos. „Es funktioniert einfach nicht, da man immer noch ansteckend ist!“, so Althouse.
Ein Argument gegen die Impfung sei das laut den Wissenschaftlern allerdings nicht. Ganz im Gegenteil: „Es sind die Symptome einer Keuchhusteninfektion, die einen umbringen“, so Scarpino. Davor schützt zurzeit am besten die Impfung. Bedenkt man, wie viele Menschen unwissend die Krankheit übertragen können, sollte es eher schnell dazu motivieren, die eigene Impfung auffrischen zu lassen. Dazu gilt: Babys in den ersten Wochen möglichst von größeren Menschenmengen fernhalten, also zum Beispiel auf U-Bahn-Fahrten verzichten.