Angst vor Kontrollverlust: Tipps zur Selbsthilfe
Viele Menschen haben Angst vor Kontrollverlust. Doch bei manchen ist die Furcht davor so stark ausgeprägt, dass sie in ihrem Alltag massiv eingeschränkt sind – und in der Folge sehr darunter leiden. Wann die Kontrollverlust-Angst krankhaft ist, welche Ursachen sie haben kann und was Betroffenen hilft, die Angst vor Kontrollverlust zu überwinden.
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Wir geben die Kontrolle ab, wenn wir in den Bus oder die Bahn steigen, wenn die Kinder groß werden und alleine losziehen oder bei der Arbeit der nächste Urlaub ansteht und die eigenen Aufgaben auf die Kolleg:innen verteilt werden. Manchen Menschen fällt es dabei leichter, die Verantwortung auf ihre Mitmenschen zu übertragen, als anderen. Was genau hinter der Angst vor Kontrollverlust steckt, in welchen Symptomen sie sich äußert und mit welchen Tipps es Betroffenen künftig besser gelingt, die Kontrolle abzugeben.

Angst vor Kontrollverlust: normal oder krankhaft?
Kontrolle beschreibt den erkenn- und vorhersagbaren Zusammenhang zwischen dem eigenen Handeln und den daraus resultierenden Konsequenzen. Bei einer Unkontrollierbarkeit, also einem Kontrollverlust, kann kein Einfluss auf die folgenden Ereignisse genommen werden. Dabei ist es normal in Angst und Panik zu geraten, wenn beispielsweise das Auto ins Schleudern gerät oder der Fahrstuhl stecken bleibt. Reflexartig versuchen Betroffene, die Kontrolle wiederzuerlangen.
Aber auch weniger dramatische Situationen können ein Unwohlsein auslösen. So haben manche Menschen Angst vor Kontrollverlust bei der Arbeit, wenn sie eine ihrer lange ausgeübten Aufgaben an ein:e neue:n Beschäftigte:n übergeben sollen. Häufig fragen sich Betroffene: Wird es in Zukunft genauso gut laufen wie bisher bei mir?
Während die Kontrollverlust-Angst vor lebensbedrohlichen Umständen wie bei einem Autounfall völlig legitim und in gewisser Weise auch angemessen und gesund ist – sonst würden wohl alle ziemlich risikoreich durcheinander fahren –, ist sie in anderen Situationen wie bei der Arbeit oft unbegründet. Die Furcht kann sich außerdem schnell zu einer krankhaften Angst entwickeln – nämlich dann, wenn sie sehr stark und immer öfter auftritt, Betroffene in ihrem Alltag eingeschränkt werden und deshalb extrem unter der Empfindung leiden.
Die Angst vor Kontrollverlust ist eine Angststörung, jedoch keine eigenständige Phobie – sie tritt eher als Symptom von anderen psychischen Erkrankungen auf. Psycholog:innen ordnen sie oft der Agoraphobie zu: „Die Befürchtungen des Patienten können sich auf Einzelsymptome wie Herzklopfen oder Schwächegefühl beziehen, häufig gemeinsam mit sekundären Ängsten vor dem Sterben, Kontrollverlust oder dem Gefühl, wahnsinnig zu werden“, wird es im ICD-10-Klassifikationssystem beschrieben.
Kontrollverlust kann aber auch zum Beispiel bei der Angst vor Alpträumen, bei Depressionen oder bei Essstörungen auftreten.
Angst vor Kontrollverlust durch ein Trauma
Die Ursachen der Angst vor Kontrollverlust können sehr unterschiedlich sein. So können Betroffene unter einem schwachen Selbstbewusstsein leiden, zu hohe Ansprüche an sich selbst und die Mitmenschen haben oder mit einer strengen Erziehung großgeworden sein.
Bei vielen liegt der Angst auch ein Trauma zugrunde. Wer schon einmal die Kontrolle verloren hat und dadurch unangenehme Folgen entstanden sind, fürchtet sich in der Zukunft vor einem erneuten Auftreten dieser Situation. Oft überträgt sich das Gefühl auch auf andere Begebenheiten. Wer als Beifahrer:in einen Autounfall erlebt hat, hat künftig auch Angst in die Bahn oder das Flugzeug einzusteigen – denn auch hier muss die Kontrolle an den oder die Bahnfahrer:in beziehungsweise den oder die Pilot:in abgegeben werden. Wessen Vertretung bei der Arbeit die Aufgabe schlechter gemacht hat und sich womöglich sogar Kund:innen beschwert haben, der oder die möchte künftig lieber alle Tätigkeiten selbst erledigen.
Kontrollverlust-Angst: Symptome im Überblick
Genau das ist es auch, was Menschen, die unter einer Kontrollverlust-Angst leiden, ausmacht: Sie machen am liebsten alles selbst. Wenn sie in eine Situation kommen, in der sie die Verantwortung abgeben müssen, treten in der Regel u.a. folgende Symptome auf:
Kopfschmerzen
Schwindel
Zittern
Übelkeit
Panikattacken
Ohnmacht
Dramatische Folge: Zwangsgedanken bei der Angst vor Kontrollverlust
Wer Angst vor Kontrollverlust hat, leidet oft unter immer wiederkehrenden Vorstellungen und Befürchtungen. Diese Zwangsgedanken führen dann dazu, dass als unangenehm empfundene Situationen so weit wie möglich vermieden werden. Weil das Gehirn so nicht lernt, dass die befürchtete dramatische Konsequenz auch nicht eintritt, wenn die Situation durchlebt wird, geraten Betroffene häufig in einen Teufelskreis: Das Belohnungssystem wird durch das Vermeidungsverhalten gestärkt, gleichzeitig wird aber auch die Angst immer schlimmer, wenn das nächste Mal eine Situation ansteht, in der die Kontrolle abgegeben werden muss.
Als Folge einer Kontrollverlust-Angst leiden Betroffene zudem unter massivem Stress und Überforderung. Auch ihre Gewaltneigung und das Risiko für eine depressive Verstimmung ist erhöht.
Angst vor Kontrollverlust überwinden: 2 Tipps für Betroffene
Statt zu vermeiden, sollten Betroffene also genau das Gegenteil tun – die Situation, in der sie Angst vor Kontrollverlust haben, immer wieder durchleben. Wenn sie dies häufig genug getan und festgestellt haben, dass nichts Schlimmes passiert, lässt die Angst nach. Die folgenden zwei Tipps können zu einer langfristigen Besserung beziehungsweise Entspannung im Akutfall beitragen:
1. Kontrollverlust-Angst überwinden: Kognitive Umstrukturierung mit dem A-B-C-Modell
Betroffene wissen in der Regel genau, in welchen Situationen die Kontrollverlust-Angst auftritt. Wenn eine solche in absehbarer Zeit ansteht, kann das A-B-C-Modell aus der Verhaltenstherapie angewendet werden. Dafür schreiben Sie zunächst auf, vor welcher konkreten Situation Sie sich fürchten. Daneben oder darunter schreiben Sie die automatischen (negativen) Gedanken, die Ihnen kommen. Durchleben Sie dann die Situation und reflektieren Sie anschließend, ob Ihre Befürchtungen wahrgeworden sind. Als letztes schreiben Sie noch alternative, hilfreiche Gedanken auf. Wiederholen Sie dieses Prozedere immer wieder und Sie werden merken, dass sich Ihre „Vorher-Gedanken“ langsam der Realität anpassen.
2. Akuthilfe gegen die Angst vor Kontrollverlust: Meditationen und Atemübungen
Wenn Sie einen Kontrollverlust befürchten, hilft es, tief durchzuatmen und sich so zu erden. Berühren Sie mit der Zungenspitze den Gaumen kurz vor den Vorderzähnen und atmen Sie mit einem zischenden Geräusch durch den Mund aus. Diesen dann schließen – die Zunge bleibt an gleicher Stelle – und vier Sekunden lang durch die Nase einatmen. Sieben Sekunden die Luft anhalten, acht Sekunden durch den geöffneten Mund ausatmen. Diese sogenannte 4-7-8-Technik ist bekannt dafür, Angstgefühle zu reduzieren. Auch Meditationen und Yoga-Übungen können helfen, den Körper und Geist zu beruhigen und wieder in Einklang zu bringen.
Wenn die Angst vor Kontrollverlust zu einer Einschränkung im Alltag und einem hohen Leidensdruck führt, sollten sich Betroffene darüber hinaus auf keinen Fall scheuen, (professionelle) Hilfe anzunehmen.