Angst vor Fehlgeburt: Meine Erfahrung und was mir geholfen hat
Endlich ist man schwanger und doch kann man sich nicht richtig freuen, denn die Angst vor einer Fehlgeburt schwingt bei vielen Frauen besonders zu Beginn der Schwangerschaft mit und kann mitunter sogar krankhaft werden. Umso wichtiger ist es, Frauen die Angst vor einer Fehlgeburt haben, Mut zu machen. Wie kann man am besten mit der Angst vor einer Fehlgeburt umgehen? So habe ich meinen Weg gefunden.
Angst vor Fehlgeburt: Manchmal steckt mehr dahinter
Hält eine Frau einen positiven Schwangerschaftstest vor allem bei einem starken Kinderwunsch in den Händen, sollte eigentlich in erster Linie die pure Freude überwiegen. Doch immer mal wieder schleichen sich Gedanken in den Kopf: „Hoffentlich hält die Schwangerschaft“, „wenn die ersten drei Monate geschafft sind, ist alles gut“. Von diesen Gedanken kann man sich als Frau gar nicht frei machen. Viel zu oft wird einem gesagt, dass die ersten drei Monate die kritischsten, ja sogar die entscheidendsten sind. Freude ist oft gekoppelt an Angst, gerade in einer Schwangerschaft. Bei manchen Frauen wachsen diese „normalen“ Sorgen in eine ausgeprägte Angst vor einer Fehlgeburt, in eine sogenannte Abortphobie.
Abortphobie: Mehr als nur ein paar Sorgen
Die Angst vor einer Fehlgeburt bezeichnet man auch als Abortphobie. Sie setzt sich aus den lateinischen Wörtern a-,ab-(lat.)=weg, ortus (lat.)= Entstehung, Ursprung und dem griechischen Wort phobos=Angst zusammen.
Eine Abortphobie gehört zu den sogenannten spezifischen Phobien und bezeichnet die pathologisch überzeichnete Angst vor einer Fehlgeburt oder medizinisch gesagt einem Abort.
Frauen, die unter dieser Form der Angststörung leiden, meiden Situationen, von denen sie denken, dass sie auch nur die kleinste Gefahr für das noch ungeborene Baby bedeuten könnte. Die Gedanken einer Abortphobikerin kreisen ständig um die Gefahren eines Abortes sowie darum, was passieren würde, wenn die Fehlgeburt tatsächlich eintreten würde.
Die Sorge, dass allein der Gedanke an eine Fehlgeburt eine Fehlgeburt auslösen kann, ist unbegründet. Was allerdings zu einer Fehlgeburt führen kann, ist extremer Stress. Laut einer dänischen Studie aus dem Jahr 2008, an der mehr als 19.000 Schwangere teilnahmen, hatten Frauen, die unter extremen psychischen Stress litten, ein 80 Prozent größeres Risiko einer Totgeburt als Frauen, die einen mäßigen Stresslevel hatten. Zu extremem psychischen Stress zählen finanzielle Sorgen, Beziehungsprobleme/Trennung, Verlust des Arbeitsplatzes oder der Tod eines nahen Familienmitgliedes.
Angst vor erneuter Fehlgeburt
Vor allem wenn ein Paar bereits eine Fehlgeburt erlitten hat, sitzt der Schmerz tief und die Angst vor einer erneuten Fehlgeburt ist groß. Körperlich gesehen spricht oft nichts dagegen, nach einem frühen Abort wieder im darauffolgenden Zyklus schwanger zu werden. Nach einer Ausschabung der Gebärmutter sollte jedoch zwei bis drei Monate gewartet werden, bis sich die Schleimhaut wieder aufgebaut hat. Hat die Fehlgeburt zwischen der 13. Und 24. Woche stattgefunden, sollte mindestens ein halbes Jahr lang mit der nächsten Schwangerschaft gewartet werden. Der Körper benötigt die Zeit, um sich vollständig zu regenerieren.
Doch auch wenn aus körperlicher Sicht nichts gegen eine neue Schwangerschaft spricht, so sind viele Frauen psychisch nicht in der Lage, direkt wieder schwanger zu werden. Die Angst vor einer erneuten Fehlgeburt ist zu groß. Viele betroffene Paare erleben eine Fehlgeburt als sehr schmerzvolles Ereignis, das erst einmal verarbeitet werden muss, bevor sie für einen neuen Versuch bereit sind. Wie gut und wie schnell dies gelingt, ist von Person zu Person sehr unterschiedlich. Manchen hilft der Versuch, wieder schwanger zu werden, andere brauchen Zeit, um ausgiebig zu trauern und um Kraft zu finden, wieder positiv nach vorne zu schauen.
Unterschieden werden muss hier nur zwischen normaler Trauer um das verlorene Baby und der Entwicklung einer Depression oder Angststörung. Frauen, die bereits psychische Probleme haben, sind hier stärker gefährdet. Wichtig ist dann, sich frühzeitig Hilfe zu holen, z.B. in Form einer Psychotherapie.
Angst vor Fehlgeburt überwinden
Die Angst vor einer Fehlgeburt zu überwinden oder loszuwerden, ist oftmals leichter gesagt als getan. Vielen Frauen macht der Gedanke, ein Baby zu verlieren oder erneut eins zu verlieren, einfach Angst. Das ist auch verständlich. Das Problem ist aber: Gewinnt die Angst Oberhand, kann die Freude über die Schwangerschaft kaum wachsen. Der Gedanke an eine mögliche Fehlgeburt hemmt die Freude und betäubt sie. Gleichzeitig entsteht eine Stresssituation aufgrund eines möglichen Aborts, die gefühlsmäßig nicht mehr kontrollierbar ist.
Versuchen Sie stattdessen Ihre Angst anzunehmen. Das gilt besonders für Frauen, die bereits eine Fehlgeburt hatten. Diese Angst hat einen Realitätsbezug. Angst zu haben ist okay! Lassen Sie der Angst ihren Raum, aber lassen Sie sich nicht von ihr überrollen. Konzentrieren Sie sich auch auf sich selbst. Überlegen Sie, wie Sie Ihren Tag oder die aktuelle Woche gestalten können. Wie können Sie sich gut um sich selbst kümmern? Was tut Ihnen gut?
Um die Angst vor einer Fehlgeburt loszuwerden, hilft es auch, sich mit anderen Frauen auszutauschen. Sie werden erstaunt sein, wie viele Frauen in Ihrem Umfeld die gleiche Erfahrung gemacht haben. Wenn Sie das Gefühl haben, allein an die eigenen Grenzen zu stoßen, bieten sich auch psychologisch betreute Gruppen an, die z.B. speziell auf die Betreuung in der Frühschwangerschaft ausgerichtet sind. Auch in Hebammensprechstunden können Sie über Ihre Sorgen sprechen, um so die Angst vor einer Fehlgeburt loszuwerden. Sollten Sie eine Fehlgeburt erlitten haben, kann es auch helfen, eine Trauergruppe für Sternenkind-Eltern oder spezialisierte Therapeut:innen zu besuchen, um so den Abschied vom eigenen Kind verarbeiten und aufarbeiten zu können.
Angst vor Fehlgeburt: Das ist meine ganz persönliche Geschichte
Auch wenn ich mich nicht als Abortphobikerin bezeichnen würde, kenne ich diese Angst vor einer Fehlgeburt nur zu gut, denn ich habe sie selbst erlebt.
Als ich unser Kind verlor, war ich in der 8. Woche schwanger. Ich war im Büro, als „es“ passierte. Die Gedanken daran sind auch heute noch glasklar: Die Blutung, meine Tränen in der Arztpraxis, das Ergebnis des Ultraschalls… Ich hatte unser Baby verloren. Es war meine erste Schwangerschaft. In den kommenden drei Tagen musste ich immer wieder in die Praxis, um zu sehen, ob der Beta-hCG-Wert tatsächlich sank und auch keine Bauchhöhlenschwangerschaft vorlag. Eine Ausschabung blieb mir erspart; mein Körper konnte es selbst regeln. Eine Arzthelferin, die für die Blutabnahme zuständig und mir gegenüber sehr feinfühlig war, erzählte mir, dass sie zwei gesunde Kinder habe, vorher aber sechs Fehlgeburten verkraften musste. In diesem Moment wurde mir zum ersten Mal richtig bewusst, was manche Frauen erleiden müssen, um ihren Traum, ein Kind haben zu dürfen, erfüllt zu bekommen. Wenn man schwanger ist, heißt es doch immer, man ist guter Hoffnung. Aber warum ist guter Hoffnung sein dann so schwer?
Die Angst, dass nach einer Fehlgeburt wieder eine erfolgt, bewahrheitet sich in der Regel nicht. Die meisten Frauen bringen in der nächsten Schwangerschaft ein gesundes Kind zur Welt. Daran glaubte ich und so war es letztlich auch bei mir. Meine zweite Schwangerschaft verlief vollkommen ohne Angst vor einer möglichen Fehlgeburt und wir konnten neun Monate späten unseren ersten Sohn in den Armen halten. Unser „Regenbogenbaby“ – so nennt man Kinder, die nach einer Fehlgeburt gesund geboren werden.
Ganz anders sah es aber bei meiner dritten Schwangerschaft aus. Ich habe sehr lange mit einem Schwangerschaftstest gewartet, warum kann ich heute nicht mehr sagen. War es die Angst vor einer Fehlgeburt? Die Angst nach einer positiv verlaufenen Schwangerschaft wieder eine negative erleiden zu müssen?
Auf dem Ultraschall war nichts als eine leere Fruchthülle zu sehen. Dazu gesellten sich Schmierblutungen. Meine Ärztin machte mir wenig Hoffnungen und sagte, dass ich wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt bereits eine Fehlgeburt erlitten hätte. Mit diesem Gedanken ging ich nach Hause. Wieder ein Kind verloren. Wieder wollte eins nicht bei uns bleiben. Einige Tage später sollte ich wiederkommen, um zu sehen, ob noch eine Ausschabung gemacht werden müsste oder ob mein Körper es wieder selbst regeln konnte. Als meine Ärztin dann einen Ultraschall machte, sagte sie laut „ich glaube es nicht, wir haben einen Herzschlag!“ Ich kann nicht sagen, wie unendlich glücklich ich war, dass unser Kind doch noch bei uns war. Die Angst vor einer erneuten Fehlgeburt verpuffte.
Dieses Glücksgefühl hielt jedoch nur bis zur 13. SSW. Ich hatte nachts plötzlich Bauchkrämpfe und starke Blutungen. Gedanklich war ich bereits im Angst-Tunnel gefangen: Unser Baby überlebt das nicht, dafür war es einfach zu viel Blut. Bei der Ärztin angekommen, stellte sie fest, dass ich einen kleinen Anriss der Plazenta hatte, der aber schon wieder dabei war, sich von selbst zu verschließen. So etwas kann scheinbar passieren. Und unser Kind? Das paddelte völlig unbeeindruckt von der ganzen Aufregung in seinem Fruchtwasser herum, es ging ihm prima. In diesem Moment dachte ich nur: Wenn unser Kind dieses Ereignis so unbeeindruckt wegsteckt, dann wird es bei uns bleiben. Ich vertraute unserem Kind komplett – und meinem Körper.
Wie sehr mich die Fehlgeburt aber tatsächlich, wenn auch unbewusst, beschäftigt hat, merkte ich erst, als ich mich in der zweiten Schwangerschaft mit meiner wundervollen Hebamme darüber unterhielt. Scheinbar war da doch einiges, was ich verdrängt hatte, und sie empfahl mir, eine Therapeutin aufzusuchen, um möglichst unbefangen die bevorstehende Geburt unseres zweiten Sohnes angehen zu können. Mit ihrer Hilfe konnte ich loslassen, unser erstes Kind tatsächlich gehen lassen. Ich konnte es akzeptieren und mich endlich verabschieden – auch wenn zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jahre vergangen waren. Ich war bereit für das, was vor mir lag: Ein Leben mit zwei Kindern wahrhaftig an meiner Seite und einem zusätzlich in meinem Herzen.
Letztes fiel mir beim Aufräumen mein Mutterschaftspass in die Hände und da sah ich es wieder schwarz auf weiß: Drei Schwangerschaften, aber nur zwei Geburten. In solchen Augenblicken werde ich oft demütig und weiß mein Glück, zwei gesunde Kinder haben zu dürfen, mehr als zu schätzen. Denn auch in der heutigen Zeit, in der uns so viele medizinischen Geräte, Leistungen und Untersuchungen zur Verfügung stehen, ist es für mich noch immer keine Selbstverständlichkeit, Kinder zu haben und diese auch gesund auf die Welt bringen zu können.
Mit diesem Artikel möchte ich Frauen, die Angst vor einer Fehlgeburt haben – sei es, weil sie die Vorstellung nicht ertragen können oder weil sie die Erfahrung einer Fehlgeburt selber machen mussten – Mut machen. Es ist vollkommen natürlich, in einer Schwangerschaft ab und zu mal Angst vor einer Fehlgeburt zu haben. Denn was möchte man als Mutter in erster Linie tun? Sein Kind beschützen und jegliche Gefahr von ihm fernhalten. Und das passiert bereits ab dem Moment, in dem man weiß, dass man schwanger ist. Aber die Angst vor einer möglichen Fehlgeburt sollte einen nicht davon abhalten, seinem Kinderwunsch nachzugehen oder die Freude über eine bestehende Schwangerschaft zuzulassen.
Ängste und Sorgen vor einem möglichen Abort kann man nicht von heute auf morgen abschalten, aber man kann probieren, sie zu akzeptieren und sie vielleicht sogar schrittweise zu überwinden, sei es durch Gespräche mit anderen Frauen oder mit Therapeut:innen. Und aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass es sich auszahlen wird und Sie Ihr ganzes Leben lang als Mama etwas davon haben werden.
Eine Fehlgeburt verarbeiten: hier finden Sie Hilfe
Telefon-Seelsorge: 0800 111 0 111
Quellen:
Lothrop,H.: Gute Hoffnung – jähes Ende, Kösel-Verlag, 4. Auflage 2020
Janni, W. et al.: Facharztwissen Gynäkologie, Urban & Fischer Verlag, 2. Auflage, 2017