Angst vor dem Tod: Wie gehe ich damit um?

Die Angst vor dem Tod ist etwas, was die Menschen seit jeher begleitet. Es schrecklich zu finden, dass man irgendwann nicht mehr existieren wird, ist normal. Aber eine übersteigerte Angst vor dem Tod und dem Sterben kann die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Was steckt hinter der Angst und wie kann man lernen, mit ihr umzugehen?

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Der Tod ist ein Thema, das wir im Alltag erfolgreich in die hintersten Ecken unseres Bewusstseins verdrängen. Darüber sprechen oder sich auch nur vorstellen, wie es wäre, wenn geliebte Menschen oder man selbst stirbt, möchte man nicht – zu furchterregend ist der Gedanke. Nicht sterben zu wollen, ist völlig normal. Der Wille zu leben, ist schließlich evolutionsbiologisch in uns eingeschrieben: Er entspringt unserem Selbsterhaltungstrieb. Stünden wir dem Leben gleichgültig gegenüber, hätte es die Menschheit nicht weit gebracht. Doch manchmal kann die Angst vor dem Tod ungesunde Züge annehmen. Warum haben manche Menschen mehr Angst zu sterben als andere?

Eine traurig wirkende Frau stützt den Kopf auf ihre Hand
Im mittleren Lebensalter ist die Angst vor dem Tod am stärksten ausgeprägt, wie Studien zeigen Foto: iStock-AntonioGuillem

Angst vor dem Tod hat häufig keinen konkreten Auslöser

Die Angst vor dem Tod kann auf eine reale, unmittelbare Bedrohung zurückgehen, wie sie etwa eine Krebserkrankung oder ein schwerer Verkehrsunfall darstellt. Doch häufig handelt es sich um eine diffuse Angst – es gibt keinen konkreten Auslöser für sie. Noch dazu ist sie meist unterschwellig. Sie drängt sich im Alltag erst dann voll ins Bewusstsein, wenn man mit dem Thema in Berührung kommt. Das kann z.B. passieren, wenn man über den Tod einer berühmten Person liest oder von einem Todesfall in der Familie, eines Freundes oder einer Bekannten hört.

Als Reaktion darauf kann sich großes Unbehagen breitmachen. Denn der Tod anderer Menschen führt uns die Zerbrechlichkeit des Lebens und die eigene Sterblichkeit vor Augen. Allerdings ist die Angst vor dem Tod meist nicht nur auf die eigene Person bezogen, sondern auch auf geliebte Menschen. Man kann und will sich weder das eigene Lebensende noch das der Eltern, der Geschwister oder des/des Partner:in vorstellen.

Gut zu wissen

Laut Studien haben Frauen eine stärkere Angst vor dem Tod als Männer. Bedeutet das, dass es Männern leichter fällt, den Tod zu akzeptieren? Wissenschaftler:innen erklären sich die statistischen Unterschiede anders: Es ist möglich, dass Männer genauso eine starke Angst vor dem Tod verspüren wie Frauen, aber diese verdrängen oder nicht offen zeigen möchten.

Warum haben so viele Menschen Angst vorm Tod?

Zwischen dem 40. und 64. Lebensjahr ist die Angst vor dem Tod Untersuchungen zufolge am stärksten – in einer Phase also, in der die meisten Menschen alle großen Meilensteine ihres Lebens, wie Studium, Heirat und Familiengründung, hinter sich haben. Wie die nächsten Jahre oder Jahrzehnte im Großen und Ganzen ablaufen werden, ist vorhersehbar. Das kann starke Ängste auslösen, wenn das Gefühl in einem vorherrscht, dass man nicht das Leben führt, das man sich wünscht, viele persönliche Ziele noch nicht erreicht oder Lebensträume nicht verwirklicht hat. Kurzum: Die Angst vor dem Tod kann Ausdruck eines ungelebten Lebens sein, besonders bei jüngeren Menschen.

Oftmals verbirgt sich hinter der Todesangst auch die Angst vor Kontrollverlust. Der Tod geht mit einer großen Ungewissheit darüber einher, ob und was danach kommt. Zudem muss man sich mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass man nach seinem Tod keinen Einfluss mehr auf Dinge und Personen nehmen kann, die einem wichtig sind. Bezieht sich die Angst vor dem Tod weniger auf die eigene Person, sondern eher auf den/die Partner:in und Familienmitglieder, kann sie auch Ausdruck einer Verlustangst sein.

Daneben gibt es noch weitere Faktoren, die die Angst verstärken oder auslösen können:

  • Schwere Erkrankungen und Todesfälle in der Familie oder im Freundeskreis

  • Konkrete Bedrohungen wie politische Konflikte, Umweltkatastrophen (in der nahen Umgebung) oder neue Krankheitserreger    

  • Unverarbeitete Erlebnisse, wie etwa der plötzliche Tod eines Familienmitglieds oder eines engen Verwandten

  • Angst vor dem Tod als erlerntes Verhalten von den Eltern

  • Wenige Berührungspunkte mit den Themen Tod und Sterben

Glaube kann Angst vor dem Tod nehmen

Auch die Religiosität und Spiritualität sind zwei Faktoren, die die Angst vor dem Tod stark beeinflussen können. Zum einen laden religiöse und spirituelle Schriften zur aktiven Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit ein. Zum anderen können sie Trost spenden, indem sie den Glauben an ein Leben nach dem Tod und an die Unsterblichkeit der Seele stärken. Dadurch verliert das Thema seinen Schrecken, nährt doch gerade die Vorstellung darüber, dass man von einem auf den anderen Tag nicht mehr existiert und von einem nichts mehr übrig bleibt, die Furcht vor dem Tod.

Wenn man jedoch weder religiös noch spirituell ist – was auf einen großen Teil der Menschen in westlichen Ländern zutrifft – kann dem Gedanken über die unausweichliche Vergänglichkeit des Lebens nichts entgegengesetzt werden. Das kann Gefühle von Ohnmacht und Hilflosigkeit zur Folge haben.

Angst vorm Tod als Ausdruck einer Thanatophobie

Eine übersteigerte Angst vor dem Tod deutet mitunter auf eine Thanatophobie (griech. thánatos = Tod, phobos = Angst) hin. Sie zählt zu den spezifischen Angststörungen. Dabei lösen Gedanken über den Tod, aber auch Situationen und Orte, die damit in Verbindung gebracht werden, starke Angstgefühle aus. Diese äußern sich durch körperliche Beschwerden, unter anderem durch Herzrasen, Zittern, Schwindel oder Muskelverspannungen. Ist die Angst vor dem Tod stark ausgeprägt, kann sie das Leben extrem beeinträchtigen.

Betroffene versuchen die Auslöser ihrer Angst zu vermeiden. Sie gehen z.B. lieber einen langen Umweg, um nicht an einem Friedhof vorbeigehen zu müssen, oder sie fühlen sich nicht imstande, eine:n Freund:in im Krankenhaus zu besuchen. Zudem meiden Betroffene alles, was sie als lebensgefährlich einstufen, wie etwa Autofahren auf der Autobahn oder Langstreckenflüge, und versuchen, auch im Leben ihrer Partner:innen und ihrer Familie mögliche Risikoquellen auszuschalten.

Viele Betroffene haben die Angst, plötzlich zu sterben, morgens nicht mehr aufzuwachen oder an einer lebensbedrohlichen Erkrankung zu leiden. Eine Thanatophobie wird daher oftmals von einer Hypochondrie und Zwangsstörungen begleitet.

Angst vor Krankheiten und Tod: Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen

Generell gibt es starke Wechselwirkungen zwischen der Angst vor dem Tod und psychischen Erkrankungen. Untersuchungen zeigen, dass die Angst einerseits psychische Störungen sowohl begünstigen als auch aufrechterhalten kann. Andererseits leiden psychisch erkrankte Menschen häufiger an einer Thanatophobie. Starke Angstzustände können ein Symptom von Depressionen oder einer posttraumatischen Belastungsstörung sein.

Vor allem bei Menschen mit einer generalisierten Angststörung oder einer Zwangsstörung kommt die Thanatophobie häufig vor. Eine australische Studie fand heraus, dass sich die Symptomatik bei Proband:innen mit Angst- und Zwangsstörungen verstärkte, je mehr sie mit ihrer Angst vor dem Tod konfrontiert wurden. Die Forschenden vermuteten, dass die psychischen Beschwerden zunehmen, weil die Angst vor dem Tod auf klar identifizierbare Objekte in der Außenwelt übertragen wird.

Angst vorm Sterben bei älteren Menschen

Ältere Menschen fürchten sich weniger vor dem Tod, wie eine Studie der Universität Heidelberg zeigt. 124 Menschen zwischen 87 und 97 Jahren wurden in einem Zeitraum von vier Jahren wiederholt nach ihrer Einstellung gegenüber dem Tod befragt. Dabei kam raus, dass bereits zu Beginn der Studie die Angst vor dem Tod nicht stark ausgeprägt war. Mit der Zeit nahm sie sogar weiter ab.

Im Alter kämpfen viele Menschen oftmals mit einer Angst vor dem Sterben. Diese bezieht sich weniger auf die Tatsache, irgendwann nicht mehr zu existieren, sondern vielmehr auf das Leiden und die Schmerzen während des Sterbeprozesses. Damit verbunden ist die Angst, eine Krankheit zu entwickeln, die einem die Lebensqualität der letzten Jahre nehmen und einen langen Leidensweg vor dem Tod bedeuten würde. Besonders die Diagnose einer schwerwiegenden Erkrankung im Alter kann die Angst vor dem Sterben entstehen lassen. Genau wie bei einer Angst vor dem Tod spielt auch hierbei Ungewissheit eine große Rolle: Man weiß nicht, wie das eigene Leben ein Ende findet und wie sehr man leiden wird.

Ältere Menschen können aber auch eine starke Angst vor dem Tod entwickeln, wenn sie etwa das Gefühl haben, vieles im Leben verpasst zu haben oder ein Leben geführt zu haben, das nicht ihren Wünschen und Zielen entsprach.

Mit der Angst vor dem Sterben und dem Tod umgehen

Eine „normale“ Angst vor dem Tod hat auch etwas Gutes. Denn sie kann dazu beitragen, dass man einen gesunden Lebens- und Ernährungsstil pflegt, zu Vorsorgeuntersuchungen geht und auf riskante Aktivitäten verzichtet. Solange die Angst weder die Lebensqualität einschränkt noch Leidensdruck erzeugt, müssen sich Betroffene mit ihr nicht unbedingt auseinandersetzen. Die Themen Tod und Sterben im Alltag auszublenden, ist für das eigene Wohlbefinden oftmals besser, als sich intensiv Gedanken darüber zu machen.

Geht die Angst jedoch so weit, dass sie die Lebensqualität einschränkt, ist es wichtig, Wege zu finden, um mit ihr umzugehen. Denn Betroffene nehmen sich die Möglichkeit, das Leben zu führen, das sie sich insgeheim wünschen. Sich nicht voll und ganz zu entfalten, nährt wiederum die Angst davor, dass das Leben irgendwann vorbei ist.

Gespräche mit engen Bezugspersonen können dabei helfen, sich bewusst zu machen, dass man mit seiner Angst nicht alleine ist – das kann unheimlich tröstend sein. Um die tieferliegenden Ursachen zu ergründen, ist eine Psychotherapie sinnvoll. Im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie kann herausgearbeitet werden, wie die innere Einstellung und Erlebnisse in der Vergangenheit mit der Angst zusammenhängen. Ziel der Therapie ist es, katastrophisierende Gedanken abzulegen und das Leben nicht mehr wie ein Mienenfeld zu betrachten, auf dem jeder falsche Schritt das Ende bedeutet.

Zusätzlich zur Therapie können Entspannungsmethoden wie autogenes Training, progressive Muskelentspannung oder Yoga die Angstsymptome reduzieren.

Den Tod akzeptieren – wie geht das?

Es ist kein Zufall, dass Menschen im jüngeren und mittleren Alter mehr Angst vor dem Tod haben als Menschen, die wissen, dass sie nicht mehr viele Jahre vor sich haben: Je weniger man vom Leben hatte, desto schwieriger ist es, den Tod zu akzeptieren. Das ist jedoch nicht nur eine Frage des Alters, sondern auch der Einstellung. Viele Menschen liegen dem Sterblichkeitsparadoxon auf – sie leben so, als würden sie niemals sterben. Sie schieben Lebensträume auf, verbringen Jahre mit dem falschen Partner oder stecken in einem Job fest, für den sie keine Leidenschaft haben.

Je mehr Jahre man ungenutzt verstreichen lässt, desto mehr Widerstand regt sich in einem gegen die Tatsache, dass die eigene Lebenszeit begrenzt ist. Umgekehrt bedeutet das: Wer ganz bewusst lebt, einen Sinn für sich im Leben gefunden hat und seine Träume verwirklicht, kann den Tod eher akzeptieren.

Eine starke Angst vor dem Tod kann demnach Ausgangspunkt dafür sein, sein Leben zu betrachten und sich wichtige Fragen zu stellen:

  • Was sind meine Ziele?

  • Wie will ich die nächsten Jahre und Jahrzehnte gestalten?

  • Welchen Sinn verbinde ich mit meinem Leben? Möchte ich die Menschen um mich herum glücklich machen, mich sozial engagieren oder geht es mir darum, mich selbst zu finden?

  • Setze ich meine Lebensziele in meinem Alltag um?

  • Wenn alles so weiterginge wie bisher, würde ich etwas bereuen, wenn ich mit 80 auf mein Leben zurückblicken würde?

Wenn die letzte Frage nicht mit einem Nein beantwortet werden kann, sollte man nicht länger damit warten, sein Leben umzugestalten. Denn nur so lässt sich die Angst vor dem Tod überwinden.