Albtraum Diabetes und Spritzenphobie

Sue York (55) aus England hat zwei Leiden, die ihr jahrelang das Leben zur Hölle machten: Diabetes und eine Spritzenphobie. Erst eine Transplantation erlöste sie von der täglichen Tortur.
Bei Diabetikern stellt die Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr her (Typ-1-Diabetes) oder der Körper reagiert nicht ausreichend auf das Hormon (Typ-2-Diabetes). Damit ihr Blutzuckerspiegel nicht unkontrolliert ansteigt, müssen sie darum regelmäßig Insulin spritzen – dazu wird ein sogenannter Insulinpen verwendet, der in das Unterhautfettgewebe gestochen wird.
Doch was passiert, wenn ein Diabetiker eine Spritzenphobie hat? Genau das ist der Fall bei der Britin Sue York (55). Jahrelang war sie zweimal täglich mit dem Horror des Insulinspritzens konfrontiert: Schon vor dem Spritzen zitterte sie unkontrollierbar und musste sich häufig übergeben vor Angst. „Es waren einfach zu viele Nadeln, zu viele Einstiche ins Fleisch“, erzählt sie gegenüber BBC. Verzweifelt probierte sie verschiedene Therapien, doch ohne Erfolg.
Die Erlösung brachte schließlich eine Bauchspeicheldrüsentransplantation, die eigentlich nur für Diabetiker mit sehr schwerem Krankheitsverlauf in Frage kommt. Es vergingen zwei Jahre, in denen sie immer wieder versuchte, die Verantwortlichen zu überzeugen, sie auf die Warteliste für ein Spenderorgan zu setzen – bis schließlich die Einwilligung kam.
Nach dem Eingriff geht es ihr so gut wie nie zuvor: „Ich habe keine Probleme mehr, ein paar Treppen hochzulaufen. Meine Haut ist nicht mehr gelb oder grau. Ich sehe nicht mehr ununterbrochen erschöpft aus.“ Sie ist dankbar, dass sie diese Chance bekommen hat: „Ich weiß nicht, wer mein Spender ist, aber ich danke ihm und seiner Familie aus ganzem Herzen.“
Was ist eine Spritzenphobie?
In Deutschland leiden rund zweieinhalb Millionen Menschen an einer Spritzenphobie (Trypanophobie). Sie fürchten sich so sehr vor Injektionen, dass sie schon beim Gedanken daran Herzrasen, Schweißausbrüche und weiche Knie bekommen. Viele von ihnen neigen dazu, beim Anblick von Spritzen ohnmächtig zu werden. Sie meiden Arztbesuche und wichtige Untersuchungen, um der Konfrontation mit der Nadel aus dem Weg zu gehen.
Für Diabetiker kann eine Angst vor Injektionen mitunter lebensbedrohlich werden. Wird die Phobie nicht behandelt, neigen Patienten dazu, Blutzuckertests und Insulin-Injektionen zu meiden, die Nadel nicht tief genug einzustechen oder zu früh herauszuziehen. Die Folge können sich dramatisch verschlechternde Werte sein. Besonders für Kinder mit Diabetes ist eine Spritzenphobie belastend – das tägliche Spritzen kann dann für die ganze Familie zur Tortur werden.
Ist eine Transplantation wirklich der einzige Ausweg?
Eine Bauchspeicheldrüsentransplantation geht mit zahlreichen Risiken einher. Bei dem Eingriff selbst kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen, anschließend besteht das Risiko, dass der Körper das Spenderorgan abstößt. Um dem vorzubeugen, müssen Patienten lebenslang sogenannte Immunsupressiva einnehmen, die das Immunsystem unterdrücken – das wiederum birgt die Gefahr vermehrter Infektionen.
Eine Transplantation wird darum auch nur für besonders schwere Fälle von Diabetes in Erwägung gezogen, beispielsweise, wenn die Nieren bereits versagt haben und eine regelmäßige Dialyse (Blutwäsche) notwendig ist.
Eine Spender-Bauchspeicheldrüse ist also keine Bequemlichkeitslösung – auch Sue York ging mit der Transplantation ein erhebliches Risiko ein. Sie und ihre Ärzte sahen den Eingriff auch bei ihr als letzten Ausweg. Doch bevor zu so drastischen Mitteln gegriffen wird, stehen Diabetikern mit Spritzenphobie einige andere Möglichkeiten offen, die bei vielen Betroffenen Wirkung zeigen und helfen, ihre Situation zu verbessern.
Was tun als Diabetiker mit Spitzenphobie?
Diabetiker mit Spritzenphobie haben die Möglichkeit, eine Insulinpumpe zu beantragen. Diese gibt rund um die Uhr Insulin an den Körper ab und macht das tägliche Spritzen überflüssig. Allerdings muss dafür mehrmals wöchentlich der Katheter gewechselt werden, was wieder Einstiche in die Haut notwendig macht. Dennoch kann schon die geringere Häufigkeit der Einstiche eine Erleichterung darstellen.
Um die Spritzenphobie loszuwerden, eignet sich eine kognitive Verhaltenstherapie. Dabei wird zunächst versucht, die Gründe der Angst zu entschlüsseln und anschließend, die Angst durch schrittweise Konfrontation zu bekämpfen. Bei psychischen Erkrankungen wie Angst- oder Zwangsstörungen wird eine kognitive Verhaltenstherapie von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Hier können sich Betroffene informieren.
Eine weitere Möglichkeit ist die Hypnose-Therapie, die auf die Beeinflussung des Unterbewusstseins des Patienten abzielt. Kinder mit Diabetes und Spritzenphobie sollten einem Kinderpsychologen vorgestellt werden.